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entsprechenden Eigenschaften oder Attribute angeboten. Die sowohl der Lösung wie auch der Stellung des Problems zugrunde liegende Ansicht beruht auf der Annahme, dass es einen grundlegenden Widerspruch zwischen Vernunft und Offenbarung gibt oder zumindest geben kann, die gleichwohl als zuverlässige und unersetzliche Quellen des Wissens über Mensch, Welt und Gott gelten.

      Die Frage, wie nun mit solchen rationalen Einwendungen gegen den deutlichen Sinn der Offenbarung verfahren werden sollte, führte schließlich zur Entwicklung des qānūn kullī (universelle Regel), die Ibn Taymiyya auf der ersten Seite des Darʾ taʿārudh al-ʿaql wa an-naql in der Fassung des aschʿaritischen Gelehrten Fakhr ad-Dīn ar-Rāzī anführt.

      Der qānūn kullī besagt demzufolge im Kern: Wenn es zu einem Konflikt zwischen Offenbarung und Vernunft kommt, muss den Forderungen der Vernunft Vorrang eingeräumt und die Offenbarung mittels taʾwīl allegorisch reinterpretiert werden.

      Als Begründung wird angeführt: Die Vernunft begründet die Wahrheit der Offenbarung; wenn daher zugelassen würde, dass die Offenbarung im Falle eines Konflikts von Vernunft und Offenbarung die Vernunft aufhebt, käme dies einer Bezweifelung und Infragestellung der Vernunft insgesamt gleich; und damit würde die rationale Grundlage, auf der das Wissen von der Echtheit und Wahrheit der Offenbarung basiert, untergraben.

      Ibn Taymiyya setzt sich im Darʾ taʿārudh al-ʿaql wa an-naql die Widerlegung des qānūn kullī ausdrücklich zur vorrangigen Aufgabe. Dafür entwickelt er in einem ersten Schritt etwa vierzig verschiedene Argumente gegen die logische Kohärenz dieser Regel und die Voraussetzungen und Annahmen, auf denen sie basiert. In einem zweiten Schritt nimmt er sich dann praktisch alle Fälle eines vermeintlichen Konflikts zwischen Vernunft und Offenbarung vor, die von Philosophen und Mutakallimun (Gelehrten des kalām) im islamischen Denken vorgebracht wurden. In diesem Zusammenhang entwickelt er seine charakteristische Philosophie und Methodologie, mittels derer er den so lange schwärenden Konflikt endgültig aufzulösen trachtet.

      Seine Kritik richtet sich dabei auf den von Philosophen und Mutakallimun verwandten Begriff der Vernunft selbst, um damit allen Argumenten die rationale Grundlage zu entziehen, die dem widersprechen, was die Offenbarung beispielsweise über die besonderen Attribute und Handlungen Gottes oder die zeitliche Entstehung der Welt mitteilt. Die Grundlage dieser Kritik wiederum bildet ein Begriff der Vernunft, der von allen Verfehlungen und zweifelhaften Voraussetzungen befreit ist: die reine, klare, eingeborene, unverfälschte Vernunft, die Ibn Taymiyya als ʿaql sarīh bezeichnet.

      Mit der Frage, worin genau diese reine und klare Vernunft besteht und in welchem Verhältnis sie zur Offenbarung steht, befasst Ibn Taymiyya sich im abschließenden Teil des Darʾ. Um der überbordenden Allegorisierung, die sich aus der rationalistischen Auslegung der Offenbarung durch die Philosophen ergibt, zu wehren, entfaltet er eine Hermeneutik, die sich auf den natürlichen kontextuellen Gebrauch der Sprache stützt. Sodann wendet er sich einer Rekonstruktion der Vernunft selbst zu, indem er die vielfältigen Weisen untersucht, in der das menschliche Denken zu Wissen gelangt. Diese reformierte Epistemologie wiederum stellt die von den Philosophen vorausgesetzte Ontologie grundsätzlich in Frage, insbesondere deren realistische Theorie der Universalien, die zu einer chronischen Konfusion zwischen dem, was logisch im Geist existiert, und dem, was ontologisch in der äußeren Wirklichkeit existiert, geführt hat. Durch eine deutliche Unterscheidung zwischen mentaler und äußerer Existenz ersetzt Ibn Taymiyya die von den Philosophen vorgenommene Intellektualisierung der Wirklichkeit durch eine strikt auf Erfahrung basierende Epistemologie, welche die gültigen Quellen des Wissens über die Wirklichkeit auf Wahrnehmung (hiss) und »Bericht« (khabar) beschränkt. Gleichwohl sind die abstrakten und universalisierenden Funktionen des Geistes wie auch die darin eingebetteten apriorischen logischen Prinzipien von entscheidender Bedeutung für das Verstehen der verborgenen Wirklichkeiten, von denen die Offenbarung berichtet, insbesondere die Attribute Gottes.

      El-Tobgui beschließt diesen Abschnitt folgendermaßen:

      Ibn Taymiyyas gesamtes epistemisches System stützt sich auf einen erweiterten Begriff der fitra oder »ursprünglichen normativen Veranlagung« und wird letztlich von einem universalisierten Begriff des tawātur garantiert, der aus den muslimischen textlichen und rechtlichen Traditionen übernommen ist, aber als letztlicher Garant aller menschlichen Erkenntnis breit angewandt wird. Die getrennten Elemente von Ibn Taymiyyas Theorie der Sprache, seiner Ontologie und seiner Epistemologie fließen schließlich in eine Synthese zusammen, die dazu bestimmt ist, einen robusten und rational vertretbaren Affirmationismus hinsichtlich der Attribute Gottes aufzunehmen und zugleich einen »Assimilationismus« oder taschbīh zu vermeiden, von dem die spätere Tradition so oft angenommen hat, dass er dadurch impliziert wird. (S. xviii-xix)4

       3.2.2 Struktur der Abhandlung

      Die Abhandlung besteht aus zwei Teilen. In Teil 1 wird der Konflikt zwischen Vernunft und Offenbarung verhandelt: »Vernunft vs. Offenbarung?« In Teil 2 wird Ibn Taymiyyas Philosophie und Methodologie im Darʾ vorgestellt: »Ibn Taymiyyas Reform der Sprache, Ontologie und Epistemologie«.

      Kapitel 1 gibt einen groben Überblick über die historische Entwicklung dieses Konflikts im islamischen Denken bis zur Zeit Ibn Taymiyyas. In Kapitel 2 wird das Leben und die Zeit von Ibn Taymiyya vorgestellt. Darauf folgt eine Darstellung, wie Ibn Taymiyya selbst diese historische Entwicklung aufgefasst hat. Dies ist eine unerlässliche Voraussetzung dafür, nicht nur seine Motivationen zu verstehen, sondern auch seine Strategie und umfassende Methodologie zur Auflösung des Problems. Dem schließt sich eine kurze Erörterung der Lösungsversuche von al-Ghazālī (gest. 505/1111) und Ibn Ruschd (gest. 595/1198) an, die zugleich das Verhältnis von Ibn Taymiyyas Projekt im Darʾ zu ihnen beleuchtet. In Kapitel 3 werden die wichtigsten theoretischen Einwendungen gegen die universelle Regel (qānūn kullī) vorgestellt.

      Kapitel 4 eröffnet den zweiten Teil mit einer Untersuchung des Begriffs der »authentischen Offenbarung« (naql sahīh) und der hermeneutischen Prinzipien zu ihrer Interpretation. In Kapitel 5 wird der Begriff der »reinen Vernunft« (ʿaql sarīh) erkundet wie auch die damit einhergehende Ontologie. Damit sollen die wichtigsten Elemente von Ibn Taymiyyas Philosophie – Linguistik, Ontologie und Epistemologie – samt der Prinzipien und Methoden, die zur Auflösung des Widerspruchs zwischen Vernunft und Offenbarung eingesetzt werden, in ihrem Kerngehalt präsentiert werden.

      Im Schlusskapitel wird sodann aufgezeigt, wie Ibn Taymiyya diese verschiedenen Elemente zu systematischer Anwendung auf die Frage der Attribute Gottes bringt. Dem folgen abschließend etwas allgemeinere Überlegungen zu den weiteren Implikationen seines Werkes.

      El-Tobgui stellt dazu fest:

      Das breitere Interesse – und die Genialität – von Ibn Taymiyyas Projekt, das es in künftiger Forschung zu erkunden gilt, liegt vor allem in seiner breit angelegten Auffassung von Wissen, in der er die Begriffe der »Vernunft« und des »rationalen Beweises« dergestalt erweitert, dass sie einen wesentlich größeren Bereich von Quellen und Argumenten einschließen als in der obskuren und seiner Ansicht nach willkürlich eingeschränkten Syllogistik der Philosophen erlaubt. Darüber hinaus beschränkt Ibn Taymiyya sich nicht auf die Argumentation, dass Vernunft und Offenbarung nicht in Konflikt zueinander stehen. Er besteht vielmehr darauf, dass die Offenbarung selbst das rechte Funktionieren und den authentischen Gebrauch reiner Vernunft (ʿaql sarīh) unterstützt und aufzeigt. Auf diesen Grundsätzen aufbauend behauptet Ibn Taymiyya letztlich, dass wir echtes Wissen (und nicht bloß »Glauben«) von den grundlegenden Wahrheiten der Religion besitzen – insbesondere von der Existenz und den fundamentalen Attributen Gottes – auf der Basis ebenderselben Art von Axiomen, Intuitionen und anderen Elementen, die allem menschlichen Wissen zugrunde liegen und dafür konstitutiv sind. In der Tat kommt die große Mehrheit, vielleicht sogar alles, von dem, wofür wir ständig und mit Recht für uns Wissen beanspruchen, auf unterschiedliche Weise und oftmals durch eine sich gegenseitig bestätigende Kombination von ebendenselben Arten von Faktoren und Überlegungen zustande, auf deren Grundlage, so behauptet Ibn Taymiyya, das am meisten solide, stabile und beweiskräftige Argument für die Existenz Gottes und die grundlegenden Wahrheiten der Religion gemacht werden kann. (S. xx-xxi)

      

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