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die zugedröhnten Gäste keine Rolle. Ich überlege kurz, eine zu rauchen und etwas zu trinken, entscheide mich aber schließlich dagegen.

      Dass es ein Fehler war, überhaupt darüber nachzudenken und dadurch länger als unbedingt nötig in der Disco zu bleiben, wird mir klar, als ich Punky mit zwei anderen Vampiren entdecke. Sie schneiden mir den Weg zum einzigen Ausgang nach oben ab. Die beiden entschlossen dreinschauenden Vampirsöldner bleiben in einiger Entfernung stehen, während Punky grinsend auf mich zukommt.

      „Hallo Fiona, das ist aber eine Überraschung, dich hier zu sehen. Hast du etwa Sehnsucht nach dem Herrn?“

      Ich mustere ihn kurz, dann will ich an ihm vorbei. Er macht einen Schritt zur Seite, sodass er mir erneut den Weg versperrt. Und als er den Mund öffnet, vermutlich um weiter zu quasseln, trete ich blitzschnell und mit aller Kraft gegen seinen Brustkorb. Er hebt regelrecht ab und fliegt davon – wohin, darauf achte ich nicht mehr, denn seine beiden Begleiter erfordern meine ganze Aufmerksamkeit.

      Den, der näher steht, erwische ich mit zwei Halbkreistritten, die ihn aus meinem Blickfeld befördern. Schnell wende ich mich dem Dritten zu, allerdings nicht schnell genug. Seine Faust explodiert mitten in meinem Gesicht. Ich spüre, dass ich durch die Gegend fliege, Menschen zur Seite stoße und dann sehr unsanft auf dem harten Boden lande.

      Nach einigen Sekunden der Benommenheit drücke ich mich mit einer Hand hoch, mit der anderen Hand berühre ich meine Lippen. Blut. Doch bevor ich wütend aufspringen kann, werde ich an den Haaren gepackt, hochgerissen und mein rechter Arm wird auf den Rücken gedreht. Zum Protestieren habe ich keine Zeit, denn Punky kommt von vorne auf mich zugeschossen. Ich empfange ihn mit einem Tritt zwischen die Beine und lasse einen zweiten in sein Gesicht folgen, als er sich nach vorne krümmt. Einigermaßen zeitgleich hole ich mit der freien Hand aus und schlage sie an meinem Kopf vorbei in das Gesicht des Vampirs, der mich von hinten festhält. Er taumelt, lässt aber meinen verdrehten Arm nicht los. Ich drehe mich jetzt schwungvoll nach rechts, packe dabei mit der rechten Hand seinen rechten Arm. Das zwingt ihn in eine gebückte Haltung, so kann ich mit dem Ellbogen des freien Arms gegen sein Genick schlagen. Endlich lässt er los und geht in die Knie.

      Dafür habe ich den dritten Vampir wieder am Hals. Sein Gesicht ist blutverschmiert, ansonsten sieht er aber ziemlich fit aus. Nicht fit genug für mich. Ich brauche nur ein paar Sekunden, um seine Deckung zu zertrümmern und ihm die Nase. Dann erwische ich einen seiner Arme und breche ihn am Ellbogen. Sein Geheul geht im Aufschrei der Menge unter.

      Diesmal vertrödel ich nicht unnötig Zeit. Niemand hält mich auf, als ich auf den Ausgang zulaufe. Mein Auto steht noch da, wo ich es abgestellt hatte, was keineswegs selbstverständlich ist.

      Ich betrachte mein Gesicht im Rückspiegel. Das Blut aus meiner Nase hat sich um den Mund herum verteilt, ich sehe aus, als hätte ich einen Menschen leergetrunken. Für solche Fälle habe ich zum Glück immer Reinigungstücher dabei.

      Ich fahre nach Hause.

      Zu Hause ist niemand, also laufe ich hinüber ins Nachbarhaus. Nicholas öffnet und begrüßt mich erfreut. Ich umarme ihn, dann gehe ich in den Salon, dort finde ich meine Eltern mit Sandra auf dem Schoß meiner Mutter. Die Augen der Kleinen leuchten auf, als sie mich erblicken. Lachend nehme ich sie an mich und begrüße sie innig, bevor auch meine Eltern was von mir abbekommen.

      „Danny?“

      „Den hat James mitgenommen“, antwortet mein Vater. „Möchtest du was trinken? Oder essen?“

      „Einen Kaffee könnte ich vertragen. Aber erst nach der Fütterung des Raubtiers.“ Ich setze mich neben meiner Mutter auf die Couch, schiebe Pullover und BH hoch und betrachte lächelnd meine Tochter beim Trinken.

      „Sie ist so süß“, sagt meine Mutter und sieht Sandra verliebt an.

      „Meins!“

      „Schon gut, schon gut. Ich bin glücklich, wenn ich mich ab und zu um sie kümmern darf.“

      „Mal sehen, ob du das in 15 Jahren immer noch so denkst“, erwidere ich.

      „Ganz sicher.“

      „Und wenn sie wird wie ich?“

      „Dann erst recht.“

      Zack. Sowohl meine Frage als auch die Antwort darauf treffen mich unvorbereitet. Sandra starrt mich erschrocken an, ich habe Mühe, sie zu beruhigen und zu animieren weiterzutrinken. Wenigstens kann ich dabei auch selbst die Beherrschung wiedererlangen.

      Natürlich ist es meiner Mutter nicht entgangen, was sie ausgelöst hat. Sie ist aber feinfühlig genug, nicht weiter darauf einzugehen.

      Wir schweigen, bis mein Vater mit dem Kaffee kommt. Und danach schweigen wir auch, ich mit Tochter auf der Couch und umrahmt von meinen Eltern. Ein ganz, ganz seltsames Gefühl.

      Erst als Sandra fertig ist und ich meine Kleidung wieder gerichtet habe, reicht mir mein Vater den Kaffee, den ich gierig trinke. Mir fällt plötzlich der Whisky ein, aber nun ist es zu spät.

      „War deine Reise erfolgreich?“, erkundigt sich mein Vater.

      „Oh ja, das war sie.“

      „Du warst aber nicht auf Geschäftsreise.“ Keine Frage, sondern eine Feststellung.

      „Wie man es nimmt.“ Meine Tochter steht auf meinen Beinen und lacht mich an. Ich bin erst einmal damit beschäftigt, in einen Lachwettstreit mit ihr zu treten. Danach fahre ich fort. „Ich war im Irak.“

      „Im Irak?“, wiederholt meine Mutter. „Was hast du denn da gemacht?“

      „Eine Störung des Gleichgewichts beseitigt.“

      Mein Vater versteht schneller, aber dann gefriert auch der Gesichtsausdruck meiner Mutter. „Aber … ist das nicht gefährlich?“

      „Ich wurde hingerichtet mit zwei Kopfschüssen“, erwidere ich in einer Tonlage, als würde ich über Kuchenessen sprechen, denn Sandra untersucht gerade meine Stirn und den Haaransatz. Letzteres ist etwas schmerzhaft. „Junge Dame! Das sind meine Haare! – Dadurch kam ich an … mein Zielobjekt dran. Er wird sich von den Kopfschüssen nicht erholen.“

      „Du hast … du hast …“

      „Barbara!“, unterbricht sie mein Vater freundlich, aber nachdrücklich.

      „Schon gut. Ich war nur … bin … etwas geschockt.“

      „Man muss sich erst daran gewöhnen, dass unsere Tochter als Racheengel unterwegs ist und Menschen im Auftrag Gottes tötet“, bemerkt mein Vater.

      „Mit Rache hat das nichts zu tun“, entgegne ich, Sandra sanft davon überzeugend, dass es wirklich, wirklich meine Haare sind. „Und auch nicht im Auftrag Gottes. Gott ist es scheißegal, was wir hier so treiben.“

      „Red doch nicht so über Gott“, sagt meine Mutter entsetzt.

      „Warum denn nicht? Es ist die Wahrheit. Gott hat seine Hausmeistergilde, die sind für Ordnung zuständig. Und der hiesige Hausmeister hat unter anderem mich auserkoren.“

      „Wenn das die Menschen erfahren würden, dann brächen sofort alle Religionen zusammen und Frieden kehrte ein.“

      Ich starre meinen Vater entgeistert an. „Wieso sollten sie das glauben? Sie glauben ja nicht einmal viel leichter zu verdauende Sachen, zum Beispiel die einfache Tatsache, dass jeder Mensch selbst denken darf.“

      „Das ist zynisch“, stellt meine Mutter fest.

      „Ach was. Ich und zynisch?“ Ich setze Sandra auf meinen Schoß, so kommt sie nicht an meine Haare dran. Komisch, wie weh das tun kann, wenn so ein Kind an den Haaren zerrt. Einer Fortsetzung der lästigen Diskussion entgehe ich zum Glück, Danny und, mit etwas Verspätung, James stürmen das Wohnzimmer. Ich bringe Sandra vor Danny in Sicherheit und kriege dafür die Zungenküsse ab. Zum Ausgleich auch den Kuss von James. Einen Kuss. Einen zweiten bekommt Sandra.

      „Bleibt ihr zum Abendessen?“, erkundigt sich mein Vater.

      „Nein,

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