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haben und weil sie arm sind, in der Familie Thorsten einen geruhsamen Lebensabend verbringen, ist wirklich alles grau.

      Die immer noch schönen, klaren Augen der Fürstin-Mutter leuchten auf. Sie liebt ihren Enkel Alexander von ganzem Herzen, und er hat ihr nie Kummer bereitet, obwohl sie selbst seine Erziehung übernehmen mußte. Seine Mutter mußte bei der Geburt das Leben lassen, und so gab sie all ihre Liebe dem mutterlosen Kind.

      Fürst Ferdinand, ihr einziger Sohn, hatte nicht wieder geheiratet. Er war bei einer Segelpartie verunglückt, als sein Sohn Alexander zweiundzwanzig Jahre alt war. Danach mußte der die Regierung des Fürstentums übernehmen.

      Fürst Alexander glich in seinem Wesen sehr seiner Großmutter. Er war von Natur aus fröhlich und gerecht. Und sein verbindliches Wesen schaffte ihm überall Freunde. Außerdem nahm er die ihm nach dem Tode seines Vaters übertragenen Pflichten sehr ernst und galt allgemein als äußerst zuverlässig und gewissenhaft.

      »Alexander!« ruft die Fürstin-Mutter freudig erregt aus. »Treibst du auch keinen Scherz?«

      »Bestimmt nicht, Großmama. Ich werde mir also eine passende Frau suchen. Sie muß standesgemäß sein, Geld haben, schön sein und klug.«

      »Irrtum!« fällt die Fürstin-Mutter ihm in die spöttische Rede. »Sie muß eine tadellose Vergangenheit haben und kerngesund sein.«

      »Nun, das wird wohl aufzutreiben sein«, spöttelt Fürst Alexander weiter. »Die Ausstattung des Festes lege ich in deine bewährten Hände, geliebte Großmama.«

      »Und wenn dir keine der jungen Damen gefällt?« wagt Fernande, eine der Zwillinge,einzuwerfen.

      Fürst Alexander grinst die beiden Prinzessinnen an. »Dann nehme ich die erste beste, die mir in den Weg läuft.«

      »Aber – aber…« Den Zwillingen bleibt vor Schreck der Mund offenstehen.

      »Was ist denn? Ihr wollt durchaus eine Fürstin haben, also sollt ihr sie bekommen.« Fürst Alexander küßt seine Großmutter und den Tanten die Hand und verläßt mit einer Verbeugung das Frühstückszimmer. Er hinterläßt zwei aufgeregt durcheinanderschwatzende Tanten und eine belustigt zuhörende Großmutter. –

      Pfeifend durcheilt Fürst Alexander die Flure, steigt eine Marmortreppe empor und betritt sein Arbeitszimmer, wo er bereits seinen Sekretär, Studiengenossen und treuen Freund, Baron Felix von Horby bei der Arbeit vorfindet. Der Baron ist dabei, den Stapel eingegangener Post zu sortieren.

      »Na, altes Haus«, begrüßt Fürst Alexander den Freund, »schon fest bei der Arbeit? Warum warst du nicht im Frühstückszimmer?«

      Baron von Horby schiebt seine Hornbrille auf die Stirn.

      »Donnerwetter, Alex, das habe ich tatsächlich vergessen.«

      »Dann hol es schleunigst nach, sonst bekommen die Tanten zuviel«, meint der Fürst und schwingt sich auf die Lehne des Sessels, in dem der Baron sitzt. Mit einem Male ist der Ausdruck von Sorglosigkeit aus seinen Zügen wie fortgewischt. Der Freund blickt ihn nachdenklich von der Seite an.

      »Es hat wohl was gegeben?« fragt er.

      »Stimmt, Felix. Man hat mir das Versprechen abgerungen, mir zum ›Fürstenball‹ endlich die passende Frau zu suchen.«

      »Ach, du meine Güte«, stöhnt der Baron auf. »Du hast dich so einfach überrumpeln lassen?«

      »Leider!« Fürst Alexander zuckt resignierend die Schultern. »Nun geht es nicht anders. Ich muß auf Brautschau gehen.«

      »Und deine kleine süße Unbekannte?« wagt der Baron den Einwurf. »Hast du sie vergessen?«

      »Keineswegs«, erwidert der Fürst ernst. »Ich denke ständig an sie. Wenn ich bloß eine Ahnung hätte, wo ich sie finden könnte. Hast du nichts erfahren?«

      Baron von Horby schüttelt den Kopf. »Nach deinen dürftigen Angaben…«

      »Finde ich gar nicht. Ein solch liebliches Menschenkind muß ja auffallen und gibt es meiner Meinung nach überhaupt nicht zweimal. Bitte, streng dich ein bißchen an, damit du sie findest.«

      »Sie braucht doch nicht unbedingt hier zu wohnen, kann zum Beispiel zu Besuch bei irgendeiner Familie sein. Soll ich etwa einen Aufruf in den Zeitungen erlassen?« fällt der Baron ihm in die Rede.

      »Gar nicht schlecht.« Fürst Alexander wiegt den Kopf. »Es müßte dann ungefähr so heißen: ›Rekordwütige junge Dame auf einem roten Motorroller‹.«

      Baron Felix bricht in schallendes Ge-lächter aus. »Halt ein, Alex, man bekommt ja Lachkrämpfe. Weißt du was? Such du deine rekordwütige Rollerdame selbst.«

      Der Fürst durchmißt den weiten, kostbar eingerichteten Raum, der mit allerlei Andenken an die großen Reisen des Fürsten, die ihn in alle Welt geführt haben, angefüllt sind.

      »Am liebsten würde ich mich dem ganzen Rummel durch eine Reise um die ganze Welt entziehen«, meint er aus seinen Gedanken heraus.

      Baron Felix macht eine entsetzte Handbewegung.

      »Das laß dir ja nicht einfallen, mein Lieber. Hast du ›A‹ gesagt, mußt du auch ›B‹ sagen, und von deiner schönen Unbekannten kannst du schon jetzt Abschied nehmen.«

      »Schöne Aussichten sind das!« knurrt Fürst Alexander wütend.

      »Tscha«, macht der Baron scheinbar ungerührt. »Hättest dir eine andere Wiege aussuchen sollen, nicht eine mit einer siebenzackigen Krone. Das verpflichtet, mein Lieber, hörst du, das verpflichtet, um mit den Worten von Prinzessin Ulrike zu antworten.«

      »Geh mir bloß mit der alten Schachtel weg. Nur weil sie keinen Mann mitgekriegt hat, soll ich durchaus heiraten, nur damit sie endlich einmal eine Hochzeit erlebt und wenn es auch nicht die eigene ist.«

      Baron Felix wendet sich dem Schreibtisch wieder zu. »Du, Alex, hör mal. Ist dir bekannt, daß dein Vater eine Schwester Henriette hatte?«

      Fürst Alexander sieht den Freund ungläubig an. »Mein Vater eine Schwester? Unmöglich, Felix! Es gibt nur die Zwillinge Fernande und Ulrike. Von einer Schwester Henriette ist mir nichts bekannt. Wie kommst du darauf?«

      Baron Felix schiebt dem Freund das dicke Buch zu, in das er eine Eintragung machen wollte. Es ist der Familien-

      Stammbaum derer von Thorsten-Thorn. »Überzeug dich selbst, Alex. Hier steht: Prinzessin Henriette von Thorsten-

      Thorn, geboren am… warte mal, sie müßte jetzt ungefähr zweiundvierzig Jahre alt sein. Wäre sie gestorben, müßte eine Eintragung dasein. Du bist jetzt zweiunddreißig Jahre alt. Du wärest zu ihren Lebzeiten zehn Jahre alt gewesen und müßtest dich ihrer doch erinnern können.«

      Fürst Alexander schüttelt den Kopf. »Das ist merkwürdig, Felix. Ich kann mich nicht an eine Tante dieses Namens erinnern.«

      Der Baron erwidert: »Deine Groß-mutter müßte dir doch Auskunft geben können über ihre Tochter Henriette.«

      Fürst Alexander nickt.

      »Darüber werde ich sie befragen. Das interessiert mich.«

      Doch vorläufig kommt Fürst Alexander nicht dazu, da ihm sein Tagesablauf keine Zeit dazu läßt. Erst bei der Abendtafel fällt es ihm wieder ein. Und so wendet er sich, nachdem der Mokka serviert und die Familie unter sich ist, an die Großmutter. Baron Felix von Horby zählt man längst zur Familie.

      »Wie kommt es, daß man noch nie etwas von Henriette von Thorben-Thorn gehört hat?«

      Lähmendes Schweigen legt sich über die kleine Runde, in das Fürst Alexander mit einer neuen Frage einbricht.

      »Ist sie tot?«

      »Nein! Durchgebrannt ist sie, unsere mißratene Schwester.«

      »Schweig!« verweist die Fürstin-Mutter ihre Tochter streng. Fürst Alexander blickt auf die vorlaute, sensationslüsterne Tante.

      »Es

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