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habe ich bereits“, sagte Patricia, löste sich aus der Umarmung und nippte an ihrem Margarita, um den Tränenfluss zu stoppen.

      Mackenzie konnte spüren, wie sich auch in ihren Augenwinkeln Tränen bildeten, doch sie war noch nicht ganz bereit, sich ihrer Mutter gegenüber so zu öffnen. Sie stand auf, räusperte sich und leerte ihr Glas.

      „Lass uns rausgehen“, sagte sie. „Wir können etwas zu Abend essen. Ich lade dich ein.“

      Patricia White blickte sie ungläubig an und begann dann zu lächeln. Mackenzie konnte sich nicht daran erinnern, ihre Mutter je so glücklich gesehen zu haben. Sie war wie ein anderer Mensch. Und vielleicht war sie das tatsächlich. Wenn sie ihrer Mutter eine Chance gäbe, könnte sie vielleicht herausfinden, dass die Frau, die sie vor so langer Zeit von sich gestoßen hatte, nicht das Monster war, für das sie sie gehalten hatte.

      Schließlich war auch Mackenzie ein anderer Mensch, als sie es mit zehn Jahren gewesen war. Zum Teufel, sie hatte sich sogar im letzten Jahr, seit dem letzten Gespräch mit ihrer Mutter, verändert. Wenn Mackenzie etwas dadurch gelernt hatte, ein Baby zu haben, dann war es, dass das Leben sich ziemlich stürmisch wandeln konnte.

      Und wenn das Leben sich so schnell ändern konnte, warum sollten die Menschen dann nicht auch dazu in der Lage sein?

      KAPITEL SIEBEN

      Mackenzie wachte am nächsten Morgen mit einem leichten Kater auf. Sich mit ihrer Mutter beim Abendessen zu versöhnen war schön gewesen – genau wie die Drinks im Anschluss. Im Hotel - dem luxuriösen, auf das sie und Ellington sich zuvor geeinigt hatten - hatte sie sich ein Bad im Whirlpool und eine Flasche Wein vom Zimmerservice gegönnt. Sie wusste, dass die zwei Gläser, die sie in der Wanne genossen hatte, vermutlich etwas zu viel gewesen waren. Aber sie hatte das Gefühl, den kleinen Rausch zu verdienen, nachdem sie während der gesamten Schwangerschaft auf Alkohol verzichtet hatte und auch nun, in der Zeit des aktiven Stillens und Abpumpens, größtenteils ohne auskommen musste.

      Der leichte Kopfschmerz, den sie nun beim Aufstehen und Anziehen verspürte, war ein Preis, den sie gerne bezahlte. Sie genoss die Zeit alleine, nachdem sie den ersten Schritt gemacht hatte, sich mit ihrer Mutter auszusprechen. Sie hatten sich auf den neusten Stand gebracht, von ihrem Leben geplaudert, schmerzhafte Momente geteilt und dann die Nacht gemütlich ausklingen lassen. Es war geplant, dass sie sich miteinander in Verbindung setzen würden, sobald Mackenzie wieder zu Hause war und sich entschieden hatte, wie ihre Karriere weitergehen sollte. Und nun war da nur noch ein Punkt auf Mackenzies Liste, den sie auf ihrer Nebraska-Tour abhaken wollte.

      Sie hatte das Gefühl, den Kreis geschlossen zu haben. Sie war allein gereist, hatte ihre Mutter gesehen und die weite, offene Landschaft Nebraskas genossen. Auch wenn sie eigentlich kein gefühlsduseliger Mensch war, konnte sie den Drang nicht ignorieren, ihr altes Revier besuchen zu wollen. Das Revier, in dem sie vor fast sechs Jahren ihre Karriere begonnen hatte.

      Nach dem Frühstück in Lincoln begann sie die eineinhalbstündige Fahrt. Ihr Flug zurück nach DC würde erst in sieben Stunden abheben, sie hatte also massig Zeit an der Hand. Wenn sie ehrlich mit sich war, wusste sie nicht, warum sie sich auf den Weg zum Revier machte. Sie hatte ihren Mentor nie wirklich gemocht und konnte sich kaum an ihre anderen Kollegen erinnern. Den Polizisten Walter Porter allerdings hatte sie nicht vergessen. Als kurzzeitiger Dienstpartner war er auch während dem Vogelscheuchen-Mörder-Fall an ihrer Seite gewesen – der Fall, der schließlich die Aufmerksamkeit des FBIs auf sich gezogen und deren Abwerbeversuche initiiert hatte.

      Die Erinnerungen kamen langsam zurück, als sie auf der anderen Straßenseite vor dem Reviergebäude parkte. Es sah nun so viel kleiner aus, aber sie war stolz darauf, es zu kennen. Es war nicht nur Nostalgie, die sie erfasste, sondern eine herzerwärmende Vertrautheit.

      Sie überquerte die Straße und betrat das Gebäude, während sich ihr Mund zu einem kleinen Lächeln verzog. Der kleine Flur brachte sie zum Empfang, der von Schiebetüren aus Glas eingegrenzt war. Hinter der Frau am Empfang befand sich eine Art Großraumbüro, das noch genauso aussah wie damals. Sie ging auf das Glas zu und war erfreut, ein bekanntes Gesicht vorzufinden, auch wenn sie lange nicht daran gedacht hatte.

      Nancy Yule schien nicht gealtert zu sein. Noch immer befanden sich die Fotos ihrer Kinder auf ihrem Schreibtisch und dieselbe kleine Tafel neben ihrem Telefon, auf der ein Bibelvers stand, an den Mackenzie sich nicht erinnern konnte.

      Nancy blickte auf und brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, wer gerade durch die Tür gekommen war. „Oh mein Gott“, sagte Nancy, sprang auf und eilte zu der Tür am langen Ende des Raumtrenners. Die Tür öffnete sich, Nancy kam heraus und umarmte Mackenzie innig.

      „Nancy, wie geht es dir?“, fragte Mackenzie, während Nancy sie noch immer festhielt.

      „Ach, wie immer“, sagte Nancy. „Wie geht es dir? Du siehst fantastisch aus!“

      „Danke. Mir geht es gut. Ich habe meine Mutter besucht und dachte, ich lasse mich auch hier mal wieder blicken, bevor ich mich auf den Nachhauseweg mache.“

      „Wohnst du immer noch in DC?“

      „Ja, das tue ich.“

      „Noch immer beim FBI?“

      „Ja, ich habe sozusagen meinen Traum verwirklicht, wenn ich das so sagen kann. Ich bin verheiratet und habe ein Kind.“

      „Ich freue mich so für dich“, sagte Nancy und Mackenzie zweifelte nicht daran, dass sie es so meinte. Ihr Blick trübte sich etwas, als sie hinzufügte: „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sich jeder über deinen Besuch hier freuen wird. Hier hat sich so ziemlich alles verändert.“

      „Zum Beispiel?“

      „Nun, Chief Nelson ist letztes Jahr in Rente gegangen. Berryhill ist befördert worden und hat seinen Platz eingenommen. Erinnerst du dich an ihn?“

      Mackenzie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Hey, hast du die Adresse oder Telefonnummer von Walter Porter? Ich erreiche ihn schon seit einiger Zeit nicht mehr unter der Nummer, die ich von ihm habe.“

      „Oh Liebes, ich habe ganz vergessen, dass ihr zeitweise zusammengearbeitet habt. Ich bin nur ungern diejenige, die dir davon erzählt, aber Walter ist vor etwa acht Monaten verstorben. Er hatte einen schweren Herzinfarkt.“

      „Oh“, war alles, was Mackenzie herausbrachte. Sie fragte sich, ob sie ein schrecklicher Mensch war, die Neuigkeit so gefasst aufzunehmen. Aber er war für sie schließlich nicht mehr als ein Bekannter gewesen.

      „Das ist furchtbar“, sagte sie. Sie blickte wieder durch die Glaspanele in das Großraumbüro und in die Flure, wo sie mehrere Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Hier hatte sie ihre erste Verhaftung vorgenommen, ihren ersten Fall gelöst und zum ersten Mal männliche Vorgesetzte vor den Kopf gestoßen.

      All das waren schöne Erinnerungen, die sich mittlerweile nur noch wie verblasste Fotos anfühlten.

      „Einige der Beamten, mit denen du gearbeitet hast, sind womöglich gerade auf Streife“, meinte Nancy. „Sauer, Baker, Hudson …“

      „Ich will niemanden bei der Arbeit stören“, sagte Mackenzie. „Ich habe lediglich eine kleine Reise in die Vergangenheit gemacht und …“

      Das Vibrieren ihres Handys in ihrer Hosentasche unterbrach sie. Sie nahm an, dass es Ellington war, der ihr erzählen wollte, wie niedlich Kevin wieder einmal gewesen war. Oder vielleicht handelte es sich um ein medizinisches Anliegen. Ihr Baby war die gesamten dreieinhalb Monate seines bisherigen Lebens gesund gewesen und sie warteten nur auf den ersten Arztbesuch.

      Aber mit dem Namen, den sie auf dem Bildschirm sah, hatte sie während ihrer kleinen Findungsreise nach Nebraska überhaupt nicht gerechnet. McGrath.

      „Entschuldige mich, Nancy. Da muss ich rangehen.“

      Nancy nickte kurz und ging dann wieder zurück an

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