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Szenen aus dem Landleben. Оноре де Бальзак
Читать онлайн.Название Szenen aus dem Landleben
Год выпуска 0
isbn 9783955014797
Автор произведения Оноре де Бальзак
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Ton seiner Stimme ging dem Major zu Herzen, und er wurde durch die beiden nichtssagenden Worte, die der unbekannte Priester äußerte, in eine beinahe religiöse Träumerei versenkt.
»Meine Herren,« rief Jacquotte, die bis in die Salonmitte trat und dort, die Faust auf der Hüfte, stehenblieb, »Ihre Suppe steht auf dem Tische.«
Auf Benassis' Aufforderung hin, der einen nach dem andern aufforderte, um die Vortrittshöflichkeiten zu vermeiden, gingen die fünf Gäste des Arztes in das Speisezimmer hinüber und setzten sich dort, nachdem sie das Benedicite, das der Pfarrer ohne Emphase mit heller Stimme betete, angehört hatten, zu Tisch. Der Tisch war mit einem Tuche aus jenem Damastleinen bedeckt, das unter Heinrich IV. von den Brüdern Graindorge erfunden worden war, geschickten Fabrikanten, die den in Haushaltungen so bekannten dichten Geweben ihren Namen gegeben haben. Das Tischtuch strahlte von Weiße und roch nach dem Thymian, den Jacquotte in die Lauge zu tun pflegte. Das Tafelgeschirr bestand aus völlig unversehrtem blaurandigen weißen Steingut. Die Karaffen hatten jene alte achteckige Form, welche nur die Provinz bis auf unsere Tage beibehalten hat. Die aus Horn gearbeiteten Messerstiele zeigten seltsame Figuren. Wenn man diese Gegenstände eines verjährten Luxus, die nichtsdestoweniger fast neu waren, betrachtete, fand sie jeder im Einklang mit der Gutmütigkeit und dem Freimut des Hausherrn. Genestas' Aufmerksamkeit verweilte einen Augenblick beim Deckel der Suppenschüssel, den sehr schön kolorierte Gemüse in erhabener Arbeit in der Art des Bernard Palissy, eines berühmten Künstlers des XVI. Jahrhunderts, krönten. Die Versammlung entbehrte nicht der Originalität. Benassis' und Genestas' kraftvolle Köpfe bildeten einen wunderbaren Kontrast zu Monsieur Janviers Apostelkopfe; desgleichen hoben die welken Physiognomien des Friedensrichters und des Beigeordneten des Notars junges Gesicht hervor. Durch diese verschiedenen Gesichter, auf denen sich gleicherweise Zufriedenheit mit sich, mit der Gegenwart und der Glaube an die Zukunft abmalten, schien die Gesellschaft repräsentiert zu werden. Nur Monsieur Tonnelet und Monsieur Janvier, die auf der Lebensbahn noch wenig vorgerückt waren, liebten es, über die Ereignisse der Zukunft, von denen sie fühlten, dass sie ihnen gehörte, Erwägungen anzustellen, während die anderen Gäste der Unterhaltung über die Vergangenheit den Vorzug geben mussten; alle aber fassten die menschlichen Dinge ernst ins Auge, und ihre Meinungen reflektierten eine Melancholie von doppelter Färbung: die eine besaß die Blässe der Abenddämmerung, die beinahe erloschene Erinnerung an Freuden, die nicht wiederkehren sollten, die andere erweckte Hoffnung wie die Morgenröte auf einen schönen Tag.
»Sie müssen heute tüchtig zu tun gehabt haben, Herr Pfarrer,« sagte Monsieur Cambon.
»Freilich,« antwortete Monsieur Janvier; »die Beerdigung des armen Kretinen und die des Vaters Pelletier haben zu verschiedenen Stunden stattgefunden.«
»Wir können jetzt die Hütten des alten Dorfs niederreißen,« sagte Benassis zu seinem Beigeordneten. Durch das Abtragen der Häuser bekommen wir wenigstens einen Arpent Wiesen; und die Gemeinde wird überdies die hundert Franken gewinnen, die uns der Unterhalt des Kretinen Chautard kostete.«
»Diese hundert Franken sollten wir drei Jahre lang für den Bau einer einbogigen Brücke auf der unteren Fahrstraße bei dem großen Bache bewilligen,« sagte Monsieur Cambon. »Die Leute des Fleckens und des Tales haben sich angewöhnt, über Jean-François Pastoureaus Grundstück zu gehen und werden es schließlich so zertreten, dass der arme Biedermann großen Schaden erleidet.«
»Dieses Geld könnte wahrlich nicht besser angewendet werden,« sagte der Friedensrichter. »Meiner Meinung nach ist der Missbrauch von Abkürzern eine der großen Wunden des platten Landes. Jeder zehnte Prozess, der vor die Friedensgerichte kommt, dreht sich um ungerechte Servitute. In einer Menge von Gemeinden frevelt man so, fast ohne nachteilige Folgen, am Eigentumsrecht. Der Respekt vor dem Eigentumsrecht des Grundbesitzers und die Achtung vor dem Gesetze sind in Frankreich zwei nur allzuoft verleugnete Gefühle, und es tut recht Not, sie zu vertiefen. Vielen Leuten scheint es entehrend, den Gesetzen Beistand zu leihen und das: ›Lass dich anderswo aufhängen‹ – eine sprichwörtliche Wendung, die von einem Gefühle löblichen Edelmutes diktiert zu sein scheint – ist im Grunde nur eine scheinheilige Formel, die dazu dient, unseren Egoismus zu verschleiern. Gestehen wir uns nur, es fehlt uns an Patriotismus! Der wirkliche Patriot ist der Bürger, der von der Wichtigkeit der Gesetze hinlänglich durchdrungen ist, um sie, selbst auf seine Rechnung und Gefahr, zur Ausführung zu bringen. Heißt einen Missetäter laufen lassen, nicht, sich seiner künftigen Verbrechen schuldig machen?«
»Alles hat seinen Grund,« sagte Benassis. »Wenn die Bürgermeister ihre Wege ordentlich unterhielten, würde es nicht so viele Abkürzer geben. Ferner würden die Gemeinderäte, wenn sie unterrichteter wären, den Grundbesitzer und den Bürgermeister unterstützen, wenn diese sich der Einbürgerung eines ungerechten Servituts widersetzen; alle würden den unwissenden Leuten begreiflich machen, dass Schloss, Feld, Hütte und Baum in gleicher Weise unverletzlich sind, und dass das Recht sich durch den verschiedenen Wert der Besitztümer weder vermehrt noch vermindert. Solche Verbesserungen aber würden sich nicht schnell durchkreuzen lassen; sie hängen hauptsächlich von der Moral der Bevölkerungen ab, die wir, ohne die wirksame Vermittlung der Pfarrer, nicht vollständig reformieren können. Das geht durchaus nicht an Ihre Adresse, Monsieur Janvier.«
»Dennoch beziehe ich es auf mich,« antwortete lachend der Pfarrer. »Lasse ich es mir nicht angelegen sein, die Dogmen der katholischen Religion mit Ihren administrativen Einsichten in Einklang zu bringen? So habe ich bei meinen pastoralen Belehrungen über den Diebstahl oft versucht, den Bewohnern des Sprengels die nämlichen Ideen, die Sie eben über das Recht aussprechen, einzuschärfen. Tatsächlich wägt Gott den Diebstahl nicht nach dem Werte des gestohlenen Gegenstandes, er richtet den Dieb. Das ist der Sinn der Gleichnisse gewesen, die ich der Intelligenz meiner Pfarrkinder anzupassen versucht habe.«
»Sie haben Erfolg gehabt, Herr Pfarrer,« sagte Cambon. »Ich kann die Veränderungen beurteilen, die Sie in den Gemütern hervorgerufen haben, wenn ich den gegenwärtigen Zustand der Gemeinde mit dem früheren vergleiche. Sicherlich gibt's wenige Bezirke, wo die Arbeiter so gewissenhaft sind wie die unsrigen in Bezug auf die verlangte Arbeitszeit. Die Tiere sind gut bewacht und verursachen nur Zufallsschäden. Die Wälder werden respektiert. Kurz, Sie haben unseren Bauern sehr gut begreiflich gemacht, dass die Muße der Reichen der Lohn eines haushälterischen und arbeitsreichen Lebens ist.«
»Dann werden Sie mit Ihren Soldaten ziemlich zufrieden sein, Herr Pfarrer?« fragte Genestas.
»Herr Rittmeister,« antwortete der Pfarrer, »man muss nicht erwarten, überall hienieden Engel zu finden. Überall, wo's Unglück gibt, gibt's Leiden. Leiden und Unglück sind starke Mächte, die missbraucht werden, wie die Gewalt es wird. Wenn Bauern zwei Meilen zurückgelegt haben, um an ihre Arbeit zu gehen, und abends recht müde zurückkommen und Jäger quer durch Felder und Wiesen gehen sehen, um früher zum Abendtisch zu kommen, glauben Sie, dass sie sich da Gewissensbisse machen, sie nachzuahmen? Wer von denen, die sich so den Pfad treten, über den die Herren sich eben beklagten, wird der Schuldige sein? Der, der arbeitet, oder der sich Amüsierende? Heute fügen uns die Armen und die Reichen gleichviel Schaden zu. Der Glaube muss wie die Macht immer von den himmlischen oder den sozialen Höhen herabsteigen; und sicherlich sind die höheren Stände in unseren Tagen weniger gläubig als es das Volk ist, dem Gott eines Tages den Himmel als Lohn für seine geduldig ertragenen Leiden verspricht. Obgleich ich mich ganz der geistlichen Disziplin und der höheren Einsicht meiner Vorgesetzten unterwerfe, glaube ich, dass wir noch lange Zeit in den Kultfragen weniger anspruchsvoll sein und versuchen müssen, das religiöse Gefühl im Herzen des Mittelstandes, wo man über das Christentum streitet, anstatt seine Maximen anzuwenden, neu zu beleben. Des Reichen Sucht zu philosophieren ist ein recht verhängnisvolles Beispiel für den Armen gewesen und hat zu lange Interregnen in Gottes Königreich verursacht. Der Vorteil, den wir heute über unsere geistlichen Schäflein gewinnen, hängt vollkommen von unserem persönlichen Einflusse ab. Ist es nicht ein Unglück, dass der Glaube einer Gemeinde sich nach dem Ansehen richtet, zu dem ein Mensch dort gelangt? Wenn erst das Christentum die soziale Ordnung von neuem befruchtet hat, indem es alle Klassen mit seinen konservativen Doktrinen sättigt, dann wird sein Kult nicht mehr in Frage gestellt sein.