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Gasse von beiden Seiten ab.

      Die Menge steht auf dem Marktplatz und wirft Steine in die leere Gasse. Die Steine füllen die Straßenmitte. Man hätte sie neu pflastern können.

      Der Polizeioffizier steht mit seinen wildledernen Handschuhen im Eingang. Er hält Zwonimir und mich zurück, als wir hinausgehen wollen.

      Zwonimir schiebt ihn zur Seite. Wir schleichen hart an den Mauern, um von den Steinen nicht getroffen zu werden. Wir passieren den Polizeikordon, drängen uns durch die Menge.

      Zwonimir hat viele Freunde. Sie rufen:

      »Zwonimir!«

      »Freunde«, ein Mann redet auf einem Brunnen, »man erwartet Militär. Heute abend werden sie dasein.«

      Wir gehen durch die Stadt, sie ist still, die Läden sind geschlossen. Ein jüdischer Leichenzug begegnet uns, die Leichenträger rennen mit dem Toten auf den Schultern, und die Frauen hasten schreiend nach.

      Wir wissen, daß wir das Hotel Savoy nicht mehr wiedersehn. Zwonimir lächelt schlau: »Unser Zimmer ist nicht bezahlt!«

      Wir kommen an jenem Tabakladen vorbei, an dem die Treffer der kleinen Lotterie ausgestellt werden. Ich erinnere mich an das Los.

      »Gestern war Ziehung«, sagt Zwonimir.

      Der Laden ist ängstlich und dicht verschlossen, aber die Ziehungen sind neben der grünen Ladentür an der Wand befestigt. Ich sah meine Nummern nicht, vielleicht hat man sie gestern mit Kreide aufgeschrieben – und der Regen hat sie ausgelöscht.

      Abel Glanz treffen wir im Judenviertel. Er hat gar nicht im Hotel geschlafen. Er erzählt Neuigkeiten:

      »Neuners Villa ist zertrümmert, Neuner und seine Familie sind im Auto fortgefahren.«

      »Umbringen!« schreit Zwonimir.

      Wir kommen zum Hotel zurück, die Menge weicht nicht.

      »Vorwärts!« schreit Zwonimir.

      Ein paar Heimkehrer wiederholen den Ruf.

      Ein Mann drängt sich durch die Menge, bleibt vorn. Plötzlich sehe ich, wie er die Hand ausstreckt, es knallt, der Polizeikordon wankt, die Menge wälzt sich in die Gasse.

      Der Polizeioffizier schreit einen schrillen Kommandoruf. Ein paar armselige Schüsse knattern, ein paar Menschen fallen, einige Frauen kreischen.

      »Hurra!« schreien die Heimkehrer.

      »Platz frei!« ruft Taddeus Montag, der Zeichner. Er ist lang und dünn und überragt alle um einen halben Kopf. Er schreit zum erstenmal in seinem Leben.

      Man läßt ihn hinaus, und ihm folgen andere. Viele Bewohner des Hotels drängen durch die Menge dem Marktplatz zu.

      Der Hoteldirektor steht auf dem Marktplatz, unbemerkt ist er hierhergekommen. Er hält beide Hände vor den Mund und ruft und reckt den Kopf angestrengt gegen die Fenster des siebenten Stockwerks empor: »Herr Kaleguropulos!«

      Ich höre ihn rufen und breche eine Bahn zu ihm. Es geschieht so vieles hier. Mich aber geht Kaleguropulos an.

      »Wo ist Kaleguropulos?«

      »Er will nicht fort!« schreit der Direktor, »er will ja nicht!«

      In diesem Augenblick geht oben die Dachluke auf und Ignatz erscheint, der alte Liftknabe. Hat ihn heute sein Fahrstuhl so hoch hinaufgeführt?

      »Das Hotel brennt!« schreit Ignatz.

      »Kommen Sie doch herunter!« ruft der Direktor.

      Da bricht eine helle Stichflamme aus der Dachluke, Ignatz’ Kopf verschwindet.

      »Wir müssen ihn retten«, sagt der Direktor.

      Eine gelbe Flammengarbe bricht aus wie ein Tier.

      Im sechsten Stockwerk brennt es auf, man sieht weiße Lichtbündel hinter den Fenstern.

      Im fünften brennt es, im vierten. Es brennt in allen Stockwerken, während die Menge das Hotel stürmt.

      Ich erblicke Zwonimir im Getümmel und rufe ihn.

      Die Glocken der Stadttürme und Kirchen fallen schwer in den großen Lärm.

      Trommelwirbel erdröhnt, harter Schritt genagelter Stiefel, ein Kommandoschrei zuckt auf.

      XXIX

       Inhaltsverzeichnis

      Früher, als ich gedacht hätte, kommen die Soldaten. Sie schreiten genauso, wie wir auch einmal marschiert sind, in breiten, raumfressenden Doppelreihen, mit einem Offizier an der Spitze und einem Trommler zur Seite. Sie tragen die Gewehre mit den aufgepflanzten Bajonetten in der Hand, sie gehen durch den Regen, der Kot spritzt auf, und die ganze geschlossene Soldatenmasse stampft wie eine Maschine.

      Ein Kommandoruf löst die festgefügte Masse, Doppelreihen lockern sich, die Soldaten stehen da wie ein schütterer Wald in großen Abständen auf dem Ringplatz.

      Sie umringen den ganzen Häuserblock, die Menge ist im Hotel und in der engen Straße eingeschlossen.

      Zwonimir sah ich nicht mehr.

      XXX

       Inhaltsverzeichnis

      Ich wartete die ganze Nacht auf Zwonimir.

      Es gab viele Tote. Vielleicht war Zwonimir unter ihnen? Ich habe seinem alten Vater geschrieben, daß Zwonimir in der Gefangenschaft gestorben ist. Wozu sollte ich dem Alten mitteilen, daß der Tod seinen starken Sohn unterwegs getroffen hat?

      Viele Heimkehrer hat der Tod im Hotel Savoy erreicht. Er hatte ihnen sechs Jahre lang nachgestellt, im Krieg und in der Gefangenschaft – wem der Tod nachstellt, den trifft er auch.

      In den grauenden Morgen ragen halbverkohlte Reste des Hotels. Die Nacht war kühl und windig und hat das Feuer geschürt. Der Morgen bringt grauen, schrägen Regen, er löscht verborgene Gluten.

      Mit Abel Glanz gehe ich zur Bahn. Der nächste Zug soll am Abend abgelassen werden. Wir sitzen im leeren Wartesaal.

      »Wissen Sie, daß Ignatz eigentlich Kaleguropulos war? – und Hirsch Fisch ist auch im Hotel verbrannt.«

      »Schade«, sagt Abel Glanz, »es war ein gutes Hotel.«

      Wir fahren in einem langsamen Zug mit südslawischen Heimkehrern. Die Heimkehrer singen. Abel Glanz beginnt:

      »Wenn ich zu meinem Onkel nach New York komme –«

      Amerika, denke ich, hätte Zwonimir gesagt, nur: Amerika.

       Inhaltsverzeichnis

       I

       II

       III

       IV

       V

       VI

       VII

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