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in Florenz. Köln 1997, S. 56 ff., S. 84 ff.

      DUCCIO DI BUONINSEGNA

      (* Siena um 1255, † ebenda 1318/19)

      Trompeter, Hornisten, Kastagnettenspieler begleiteten den Menschenzug, die Geschäfte Sienas blieben an diesem Tag geschlossen, die Glocken läuteten, die Armen wurden mit Almosen überhäuft. Der Chronist Agnolo di Tura beschrieb das glänzende Schauspiel voller Stolz. Ganz Siena, so schreibt er, betete zu Maria, der »Beschützerin der Stadt«, und flehte sie um ihre Hilfe auf Erden und ihre Fürsprache im Himmel an.

      Das von ihm so beredt geschilderte Fest galt der 1311 erfolgten Überführung eines Altarbildes: des neuen Hochaltar-Retabels in den Dom der toskanischen Kommune. Die Zeremonien gestalteten sich so, als gälten sie nicht einem bemalten Artefakt, sondern der leibhaftigen Himmelskönigin selber. Sie kleideten sich in die aufwendige Form einer vom Bischof verordneten Prozession, an der der gesamte Klerus, die gesamte weltliche Obrigkeit, alle Korporationen einschließlich der Stadtmusik teilnahmen, kurzum die ganze Bevölkerung Sienas. Der Aufzug war ein liturgischer Akt und ein Staatsakt in einem und natürlich die Gelegenheit, weitere Spektakel anzuschließen – schließlich institutionalisierte man damals das bis heute durchgeführte Pferdewettrennen des »Palio«.7

      Sichtbarer Brennpunkt der Festivitäten war indes, noch einmal sei es betont, ein Kunstwerk, die unübertroffene Schöpfung des seinerzeit berühmtesten Malers Sienas.

      1308 hatte der Vorsteher der Dombaubehörde Duccio di Buoninsegna8 den Auftrag zu jenem neuen Hauptaltarbild erteilt, das man kurz und bündig »Maestà« nannte (Siena, Museo dell’Opera del Duomo). Schon die äußeren Dimensionen – über viereinhalb Meter Breite und fast fünf Meter Höhe – sprengten jegliches gewohnte Maß, negierten den intimen Dialog zwischen Bild und Priester am Altar, wie man ihn bislang kannte. Und wahrscheinlich als erstes Hochaltarbild der Kunstgeschichte überhaupt erhielt das Retabel eine Predella, einen hohen Sockel, der seine Fernwirkung noch unterstützte.

      Innovativ war ferner die bildinterne Umgebung der Madonna. Anders als etwa bei Duccios 1285 oder kurz danach vollendeten Ruccellai-Madonna (Florenz, Uffizien) verfügt das wiedergegebene Ambiente zum ersten Mal über eine benennbare Raum- und Zeitdimension. Statt aus jener intimen goldenen Leere, in der außer der Himmelskönigin und einer ausgewählten Zahl kleiner dienender Engel nichts zu existieren scheint, präsentiert die monumentale Tafel hier einen den zentralen Marienthron in langen Spalieren flankierenden, nach Rängen geordneten Hofstaat, wobei die vordere Zone von den knienden sienesischen Stadtpatronen eingenommen wird. Duccios Altarbild richtet sich speziell an die gläubigen Bürger seiner Heimat. Im himmlischen Ordo spiegelt sich die diesseitige Kommune. Die Referenz richtet sich auf die in der riesenhaften Madonna konzentrierte Macht und veranschaulicht in der zeremoniellen Gruppierung den Empfang der himmlischen Patronin Sienas als Staatsakt.

      Es war kein Zufall, dass Duccio di Buoninsegna den repräsentativsten Auftrag erhalten hatte, den seine Vaterstadt damals zu vergeben hatte. War er es doch, der nahtlos Traditionelles mit dem Vorschein des Neuen verband, der das Erbe byzantinischer Malerei in eine veränderte Zeit einbrachte und mit gotischem, linienbetontem Formempfinden, mit kalligraphischer Raffinesse durchsetzte. Dank solcher Stilmittel, mit Hilfe also einer sehr frei gehandhabten, gleichermaßen graphisch stilisierten wie malerisch angereicherten Sprache pointierte er das im Siena des Trecento, ja noch des Quattrocento verbindliche Anliegen, die Symbiose aus religiöser Feierlichkeit und lyrischer Stimmung zum Grundtenor sakraler Bildproduktion zu machen.

      Konsequent tritt diese Symbiose, nach Ausweis der neun bis zehn ihm mit größtmöglicher Sicherheit zuzuschreibenden Bilder, in den Dienst einer vornehmlich spirituellen Ausdruckskraft und wählt zu diesem Zweck ein besonders exquisites Kolorit.

      Duccio darf sich rühmen, ein berauschender Meister der Farbe zu sein. Die Buntwerte leuchten und glühen bei ihm in emaillehafter Faktur, vor allem die lasierend gemalten Rottöne, die sich im Endergebnis zu opaker Kohärenz zusammenfinden. Das Zickzack goldener Gewandsäume konturiert die Farbinseln. Zu den sonoren Tönen treten pastellartig aufgehellte Nuancen, das Inkarnat ist, gemäß den Praktiken byzantinischer Ikonenmalerei, konsequent mit Grün untermalt. Die Weißhöhung spielt eine geringere Rolle als das Herausarbeiten plastischer Werte mittels subtiler Farbmodellierung. Zu den Prinzipien der Flächenhaftigkeit, Ornamentalität, Frontalität der Hauptfiguren tritt eine Fülle von Wirklichkeitsbeobachtungen wie die Vermittlung raumköperlicher Qualitäten durch Farbmodellierung und »Mehransichtigkeit« oder intensivierte Draufsicht, die im Kontrast die geistige Schau des Hauptthemas noch intensiviert.

      Derartige Optionen sollten vor allem in der französischen Buchmalerei des 14. Jahrhunderts ein deutliches Echo finden, wogegen der exklusive und preziöse Stil Duccios in der italienischen Tafelmalerei kaum schulbildend zu wirken vermochte; der künstlerischen Größe dieses Malers und der überwältigenden Wirkung seiner Arbeiten, zumal seines Hauptwerkes, tut dies jedoch nicht den geringsten Abbruch.

      7 Von diesen Vorgängen, ihren staatsymbolischen Implikationen und von Duccios Altarretabel handelt ausführlich: Kempers, Bram: Kunst, Macht und Mäzenatentum: der Beruf des Malers in der italienischen Renaissance. München 1989, S. 126 ff.

      8 Weber, Andrea: Duccio di Buoninsegna. Köln 2001

      GIOTTO DI BONDONE

      (* wohl Vespignano, um 1267[?], † Florenz, 8. 1. 1337)

      Zeitgenossen rühmten Giotto als den Wegbereiter der neuzeitlichen Malerei. Dante (1265–1321), der Dichter der Göttlichen Komödie, lässt einen Bewohner des Fegefeuers über die Vergänglichkeit allen irdischen Ruhms entsprechend sinnieren: »Credette Cimabue nella pittura/ Tener lo campo, ed ora ha Giotto il grido/si che la fama di colui è scura […]« (»Es glaubte Cimabue in der Malerei den Platz zu halten, doch es verdunkelte sich sein Ruhm und Giotto hat nun das Geschrei« – will heißen, den Applaus der Menge).9

      Cimabue und Giotto – davon war bereits in der Biografie des ersteren die Rede gewesen – sollen den von Giorgio Vasari Mitte des 16. Jahrhunderts publizierten Lebensbeschreibungen der berühmtesten Künstler zufolge in künstlerisch engsten Kontakten gestanden und auch in der Franziskusbasilika in Assisi noch zusammengearbeitet haben. Wenn Vasari dem Alteren wenigstens konzediert, er habe sich aus der Stilisierungssucht byzantinischer Bildformeln zu lösen versucht, was dann allerdings erst Giotto gelungen sei, konstruiert er ein viel zu einfaches Entwicklungsmodell und übersieht die innovativen Möglichkeiten der »maniera greca« im 13. Jahrhundert, wie sie etwa die Mosaizierung des Florentiner Baptisteriums anbot.

      Überraschend viel in der Vita Giottos ließ eine Zeit, die den Daten eines Künstlerlebens noch wenig Aufmerksamkeit schenkte, im Dunkeln. Das betrifft schon das Geburtsdatum, das man – anders als Vasari – am besten um das Jahr 1267 herum ansetzt; es betrifft ferner den Geburtsort – Colle di Vespignano nördlich von Florenz (im Mugello-Tal), oder doch Florenz selbst? – und die Frage nach einer möglichen künstlerischen Ausbildung in Rom, wo Ende des 13. Jahrhunderts eine Riege fortschrittlicher Kräfte am Werk war.10

      Leider gewinnt das Bild Giottos auch angesichts der grandiosen Ausschmückung von San Francesco in Assisi noch keine absolut verlässlichen kunstgeschichtlichen Konturen.

      Der heilige Franziskus war am 3. Oktober 1226 gestorben. Mancher geistliche Würdenträger, dessen Bauch sich ebenso wie sein Besitzstand in Ehren gerundet hatte, mochte froh gewesen sein, dass die Kirche jenen Fanatiker der Armut endlich los war. Jetzt galt es, seine Anhänger im Sinne der Kurie wieder zu domestizieren. Die Ausmalung der Mutterkirche des Franziskanerordens sollte dafür Propaganda machen. Die Bilder der Oberkirche erfüllten diesen Zweck seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert. Bis heute ist umstritten, ob und wieweit Giotto an ihnen beteiligt war – auch wenn sich die Waagschale der Forschung inzwischen stark zu seinen Gunsten neigt.

      Mit Sicherheit von Giotto stammen die wunderbaren Fresken in der Arenakapelle in Padua (ca. 1303–1305). Im Anschluss daran entstand sein noch von Theoretikern der Renaissance bewundertes Navicella-Mosaik an der Fassade

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