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Gesammelte Werke. Джек Лондон
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962813475
Автор произведения Джек Лондон
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Das Geräusch von leichten Schritten auf dem trocknen Waldboden näherte sich. Sie sah auf, und St. Vincent stand vor ihr. Er hatte sich völlig erholt, als wären die schrecklichsten Stürme, denen ein Mensch begegnen kann, an ihm abgeglitten. Sein Gesicht war fast heiter und so schön, wie es ihr immer erschienen war. Keine Spur hatte sich in diese frischen knabenhaften Züge gegraben.
»Du bist eine Heldin, Frona!« begann er, und es schien, als wollte er sich vor ihr in die Knie werfen. »Du hast um mich gekämpft, und es gibt kein Wort, mit dem ich dir danken könnte. Vielleicht kann ein ganzes Leben voll Dankbarkeit … Aber ich weiß nicht, ob ich es dir anbieten darf … Nur das weiß ich: ohne deine Tapferkeit, ohne deine Treue, ohne deine Liebe wäre ich nicht mehr. Der schimpflichste Tod war mir gewiss … ohne dich, Frona!«
»Was soll ich sagen?« dachte Frona. »Ich hasse ihn, ich verabscheue ihn!«
Sie hatte die Hände ineinandergepresst, ihre zitternden Hände, und über ihre Wangen liefen Tränen. Dann auf einmal brach sie in ein grelles schluchzendes Lachen aus.
»Du hast furchtbar gelitten, Frona!« flüsterte er mit einer Zärtlichkeit, so weich und gut, wie sie nur ihm gegeben war. »Jetzt erst weiß ich, wie furchtbar du gelitten hast.«
Sie lachte noch heftiger, sie lachte wie eine Kranke.
»Es ist ja alles vorbei, Frona! Ich lebe, du fühlst mich, ich liebe …«
Dabei legte er den Arm um sie. Ganz nahe waren ihr seine Lippen, von denen es kein Entrinnen gab, wenn sie noch einmal die ihren fanden. In einer Todesangst, die sie in den reißenden Strudeln und zwischen den kalbenden Eisbergen nicht empfunden hatte, stieß sie ihn mit beiden Fäusten von sich.
»Du hast mich schmutzig gemacht! Meine Lippen sind schmutzig von deinen Küssen! Nie wieder! Nie wieder!«
Er starrte sie an, er verstand nichts.
»So sprichst du mit mir?«
»Ein Feigling! …« hauchte sie und rieb ihren Mund, rieb ihre Hände. Jeder Fleck ihrer Haut ekelte sie, den er einmal berührt hatte.
»Du nennst mich Feigling? Und das ist alles, was du mir zum Vorwurf machst? Aber diese anderen, die mit Messern und Revolvern aufeinander losgehen, all diese Burschen, in denen ein Henkersknecht steckt und danach brüllt, sich einmal austoben zu dürfen … all diese anderen sind Helden?« Er ließ sich zu ihren Füßen nieder, und jetzt weinte auch er.
»Ich habe ihre Nerven nicht, Frona. Ich kann nicht töten. Ich kann keine Wunden schlagen. Meine Kraft gilt anderen Zielen. Aber ich glaube, dass ich besser lieben kann als diese Helden. Ist das nichts, Frona?«
»Wenn du doch gestorben wärst, Vincent! Wenn du in der Nacht in Borgs Hütte gestorben wärst, meinetwegen vor Angst gestorben wärst, wenn auch nicht im Kampf. Ja selbst, wenn du am Galgen gestorben wärst! Ich hätte dich grenzenlos geliebt. Ich hätte dich für mein ganzes Leben geliebt. Jetzt geh von mir!«
»Und wenn ich jetzt vor deinen Augen sterbe? Dazu bin ich nicht zu feig, Frona! Wirst du mich dann wieder lieben können?«
»Es ist zu spät, Vincent. Einen schwachen, armen, kleinen Menschen hätte ich lieben können. Ich will kein Heldenweib sein. Ich will nie wieder versuchen, etwas anderes zu sein als eine Frau, wie alle Frauen sind. Aber du hast etwas zerstört, und das kann nicht wieder werden.«
»Was hab’ ich zerstört?«
»In dir habe ich den tapfersten aller Männer gesehen! Alle Träume, die ein Mädchen träumt, waren in dir Körper geworden! Und das ist vorbei. Das kommt nie wieder. Aber du würdest mich immer daran erinnern …«
»Geh fort!« schrie sie mit so furchtbarer Energie, mit so hasserfüllten Augen, dass er plötzlich nicht mehr zweifeln konnte: hier war sein Spiel ausgespielt.
»Gut, ich gehe. Du wirst nie wieder von mir hören. Vielleicht wirst du einmal lesen und lernen, dass du einen Menschen von dir gestoßen hast, der mehr wert ist als all deine Eisenfresser. Auch mehr als der, der mich verdrängt hat. Denn das lass dir sagen, als mein letztes Wort: Ich weiß, dass alles gelogen war! Du hättest mich weiter geliebt, du wärst durch Jammer und Elend mit mir gegangen ohne den, der von da drüben kommt.«
Dabei zeigte er auf ein Kanu, in dem Del Bishop mit Corliss herangepaddelt kamen.
»Ich weiß, dass deine Verachtung und dein Heldenglaube nichts ist als Pose! Aber der Mann, mit dem du eine gewisse Nacht, eine ganze Nacht, von der wir nicht sprechen wollen, in Happy Camp verbracht hast, in seinem Zelt, in seinen Decken, der …«
»Vance!« schrie Frona hinaus auf den Fluss: »Komm her und schütze mich!«
Bei diesem Schrei, dessen Echo die Flut widerhallte, verschwand Gregory St. Vincent wie ein Schatten.
ENDE
Erstes Buch
»Hörst du, Saxon? Komm mit! Was schadet es, wenn es Maurer sind. Ich werde ein paar feine Herren treffen, die ich kenne, und du auch. Die Al Vista-Musik soll spielen, und du weißt, sie spielt himmlisch. Und du tanzt ja so gern –«
Zehn Schritte von ihnen entfernt stand eine dicke ältere Frau, die das junge Mädchen in ihrer Unterhaltung störte. Die Frau wandte ihnen den Rücken – einen schlottrigen, runden und missgestalteten Rücken – der plötzlich in Krämpfen zuckte.
»Mein Gott!« schrie sie. »Oh, mein Gott!«
Ihre Augen, die den Ausdruck eines gefangenen Tieres hatten, schweiften wild durch den großen, weißgestrichenen Raum, der zum Ersticken erhitzt und mit nassen Dämpfen von dem feuchten Zeug gesättigt war, das unter den vielen Plätteisen zischte. Die zunächst stehenden Mädchen und Frauen warfen ihr einen schnellen Blick zu, und dann schwangen sie wieder ihre Eisen, aber mit erhöhter Schnelligkeit, hatten sie doch mehrere Dutzend Bewegungen ungleichmäßig oder nicht ganz so ausgeführt, wie sie sollten. Der Schrei der älteren Frau hatte die Angst vor dem Geldverlust erweckt, die sich nervös durch die Reihen der akkordarbeitenden Plätterinnen fortpflanzte.
Sie nahm sich zusammen, ergriff ihr Eisen und ließ es aufs Geratewohl auf das feingekräuselte Kleidungsstück auf dem Brett unter ihren Händen fallen.
»Ich glaubte, sie bekäme es schon wieder – du nicht?« sagte das junge Mädchen.
»Es ist eine Schande, eine Frau in ihrem Alter – und in dem Zustand«, antwortete Saxon, während sie mit einer warmen Tollschere eine Spitzenmanschette kräuselte. Ihre Bewegungen waren leicht, sicher und schnell, und obwohl ihr Gesicht blass vor Müdigkeit und Wärme war, arbeitete sie doch mit unverminderter