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      »Wäh­rend Mary ihre Ge­dan­ken ord­net«, fuhr ihr Va­ter fort, »wol­len wir zu Mr. Bingley zu­rück­keh­ren.«

      »Ich kann den Na­men nicht mehr hö­ren!« rief sei­ne Frau.

      »Das täte mir wirk­lich sehr leid. Aber warum sag­test du es mir nicht eher? Hät­te ich es heu­te Mor­gen schon ge­wusst, wäre mein Be­such bei ihm be­stimmt un­ter­blie­ben. Zu scha­de –, aber nun ist es ein­mal ge­sche­hen, und wir wer­den uns sei­ner Be­kannt­schaft nicht mehr ent­zie­hen kön­nen.«

      Das Er­stau­nen sei­ner Fa­mi­lie war so groß und so leb­haft, wie er es sich ge­wünscht hat­te. Mrs. Ben­net über­traf auch hier­in die an­de­ren, wenn auch nur um ein we­ni­ges. Nichts­de­sto­we­ni­ger er­klär­te sie, nach­dem man sich wie­der et­was be­ru­higt hat­te, sie habe es sich schon die gan­ze Zeit ge­dacht.

      »Das war ein­mal rich­tig nett von dir. Aber ich wuss­te ja, dass ich dich wür­de über­re­den kön­nen. Ich wuss­te ja, dass du dei­ne Kin­der viel zu lieb hast, als dass du eine sol­che Be­kannt­schaft ver­nach­läs­sigt hät­test. Wie ich mich freue! Und wie gut dir dein Scherz ge­lun­gen ist –, heu­te Mor­gen bist du schon bei ihm ge­we­sen, und jetzt er­zählst du uns erst da­von!«

      »So, Kit­ty, jetzt kannst du hus­ten, so viel es dir Spaß macht«, mit die­sen Wor­ten ver­ließ Mr. Ben­net das Zim­mer, of­fen­sicht­lich ziem­lich mit­ge­nom­men von dem Be­geis­te­rungs­aus­bruch sei­ner Frau.

      »Ihr Mäd­chen habt einen ein­zig­ar­ti­gen Va­ter«, sag­te sie, als die Tür sich ge­schlos­sen hat­te. »Ich weiß nicht, wie ihr ihm je sei­ne Güte wer­det dan­ken kön­nen – ich üb­ri­gens auch nicht. In un­se­rem Al­ter ist es kein Ver­gnü­gen, kann ich euch ver­si­chern, täg­lich neue Be­kannt­schaf­ten ma­chen zu müs­sen. Aber für euch tun wir eben al­les. Ly­dia, mein Lieb­ling, du bist zwar sehr jung, aber ich bin fest da­von über­zeugt, dass Mr. Bingley auf dem nächs­ten Ball mit dir tan­zen wird.«

      »Och«, sag­te Ly­dia stolz, »ich hab’ kei­ne Angst. Ich bin wohl die Jüngs­te, aber auch die Größ­te von uns.«

      Den Rest des Abends ver­brach­ten sie auf das an­ge­nehms­te da­mit, zu über­le­gen, wann wohl Mr. Bingleys Ge­gen­be­such zu er­war­ten sei und wann sie ihn dann zum Es­sen la­den könn­ten.

      So sehr sich in­des­sen Mrs. Ben­net, eif­rig von ih­ren fünf Töch­tern un­ter­stützt, dar­um be­müh­te, es war kei­ne auch nur ei­ni­ger­ma­ßen zu­frie­den­stel­len­de Be­schrei­bung des neu­en Nach­barn aus ih­rem Mann her­aus­zu­be­kom­men. Die An­grif­fe er­folg­ten von den ver­schie­dens­ten Sei­ten, ge­ra­de­wegs als Fra­gen oder un­ter Harm­lo­sig­keit ge­tarnt oder wie­der als schein­bar ganz fern-lie­gen­de An­deu­tun­gen, aber er ließ sich in kei­ne Fal­le lo­cken. Zu­letzt muss­ten sie sich mit dem zu­frie­den­ge­ben, was Lady Lu­cas ih­nen aus zwei­ter Hand be­rich­ten konn­te. Sir Wil­liam war ent­zückt ge­we­sen. Er sei noch sehr jung, un­ge­wöhn­lich gut aus­se­hend, au­ßer­or­dent­lich wohl­er­zo­gen, und, als Krö­nung des Gan­zen, er be­ab­sich­ti­ge, an dem nächs­ten Ball mit ei­ner grö­ße­ren Ge­sell­schaft teil­zu­neh­men… Wo konn­te es da noch feh­len! Zwi­schen gern tan­zen und sich ver­lie­ben war nur noch ein klei­ner, ein fast un­ver­meid­li­cher Schritt! Mr. Bingleys Herz wur­de Ge­gen­stand der leb­haf­tes­ten Er­ör­te­run­gen und Er­war­tun­gen.

      »Wenn ich es er­le­ben darf, dass eine mei­ner Töch­ter als Her­rin in Ne­ther­field ein­zieht«, sag­te Mrs. Ben­net zu ih­rem Mann, »und wenn es mir ge­lin­gen soll­te, die an­de­ren eben­so gut un­ter­zu­brin­gen, dann wird mir je­der Wunsch er­füllt sein.«

      Nach ei­ni­gen Ta­gen er­wi­der­te Mr. Bingley Mr. Ben­nets Be­such und blieb mit ihm etwa zehn Mi­nu­ten in der Biblio­thek. Er hat­te die lei­se Hoff­nung ge­habt, we­nigs­tens einen Blick auf die jun­gen Da­men wer­fen zu dür­fen, von de­ren Schön­heit er schon viel ge­hört hat­te; aber der Va­ter war al­les, was er zu se­hen be­kam. Die Da­men selbst wa­ren ein we­nig mehr vom Glück be­güns­tigt; ge­lang es ih­nen doch, von ei­nem Fens­ter im obe­ren Stock fest­zu­stel­len, dass er einen blau­en Man­tel trug und ein schwar­zes Pferd ritt.

      Bald dar­auf wur­de auch die Ein­la­dung zum Es­sen ab­ge­schickt. Mrs. Ben­net war sich schon über alle Ge­rich­te und Gän­ge klar, mit de­nen sie haus­frau­li­che Ehre ein­zu­le­gen ge­dach­te; da kam sei­ne Ant­wort und schob all die schö­nen Plä­ne auf un­be­stimm­te Zeit auf. Mr. Bingley be­dau­er­te sehr, am fol­gen­den Tag nach Lon­don fah­ren und sich da­her des Ver­gnü­gens be­rau­ben zu müs­sen, der Ein­la­dung usw. usw. Mrs. Ben­net war ganz un­glück­lich. Sie konn­te sich gar nicht den­ken, was das für eine An­ge­le­gen­heit sein moch­te, die ihn schon so bald nach sei­ner An­kunft in Hert­fords­hi­re nach Lon­don zu­rück­rief. Der Ge­dan­ke, er kön­ne viel­leicht zu der Sor­te jun­ger Män­ner ge­hö­ren, die stän­dig von ei­nem Ort zum an­de­ren flat­tern, an­statt sich mit ei­nem fes­ten Wohn­sitz zu be­gnü­gen – in die­sem Fall Ne­ther­field –, wie es sich ge­hör­te, be­gann sie ernst­lich zu be­un­ru­hi­gen. Und sie schöpf­te erst wie­der ein we­nig Mut, als Lady Lu­cas ihr ge­gen­über die Mög­lich­keit er­wähn­te, er sei doch viel­leicht nur nach Lon­don ge­fah­ren, um sei­ne große Ball­ge­sell­schaft nach Ne­ther­field zu ho­len. Bald dar­auf ver­brei­te­te sich das aus si­che­ren Quel­len stam­men­de Gerücht, Mr. Bingley wer­de mit zwölf Da­men und sie­ben Her­ren auf dem Fest er­schei­nen. Zwölf Da­men! Die jun­gen Mäd­chen hör­ten die­se Nach­richt mit großer Be­sorg­nis. Aber auch sie fass­ten wie­der Mut, als die Zahl zwölf am Tage vor dem Ball auf sechs – fünf Schwes­tern und eine Cou­si­ne – be­rich­tigt wur­de. Die Ge­sell­schaft, die tat­säch­lich den großen Fest­saal be­trat, war dann schließ­lich nicht zahl­rei­cher als ins­ge­samt nur fünf Per­so­nen: Mr. Bingley, sei­ne bei­den Schwes­tern, der Gat­te der äl­te­ren und ein un­be­kann­ter jun­ger Mann.

      Mr. Bingley sah sehr gut aus und mach­te einen vor­neh­men Ein­druck. Sei­ne gan­ze Hal­tung und Art, sich zu ge­ben, wa­ren na­tür­lich und von ei­ner un­ge­zwun­ge­nen Freund­lich­keit. Die Schwes­tern wa­ren mit gu­tem, ei­ge­nem Ge­schmack nach der letz­ten Mode ge­klei­det und muss­ten zwei­fel­los zu den Schön­hei­ten der Lon­do­ner Ge­sell­schaft ge­zählt wer­den. Mr. Hurst, dem Schwa­ger Mr. Bingleys, war die gute Fa­mi­lie an­zu­se­hen; mehr al­ler­dings auch nicht. Mr. Dar­cy, der jun­ge Freund, da­ge­gen war bald mit sei­ner großen, schlan­ken Fi­gur, sei­nem an­ge­neh­men Äu­ße­ren und sei­nem vor­neh­men Auf­tre­ten Mit­tel­punkt der Auf­merk­sam­keit des gan­zen Saa­l­es. Kein Wun­der, dass in we­ni­ger als fünf Mi­nu­ten die ver­bürg­te Nach­richt ih­ren Lauf über alle Lip­pen nahm, Mr. Dar­cy ver­fü­ge über zehn­tau­send Pfund im Jahr. Die Her­ren ge­stan­den ihm sein un­ge­wöhn­lich statt­li­ches und männ­li­ches We­sen zu, die Da­men ver­si­cher­ten, er sehe noch bes­ser aus als Mr. Bingley, und die Bli­cke von je­der­mann folg­ten ihm be­wun­dernd den hal­b­en Abend lang; dann aber wan­del­te sich die an­fäng­li­che Auf­fas­sung von der Vor­nehm­heit sei­nes Auf­tre­tens voll­stän­dig in das Ge­gen­teil um, wor­auf­hin die Hoch­flut der Ach­tung, die man ihm ent­ge­gen­ge­bracht hat­te, rasch ab­zueb­ben be­gann. Denn man konn­te nicht um­hin, die Fest­stel­lung zu ma­chen, dass Mr. Dar­cy hoch­mü­tig war, auf die an­we­sen­de Ge­sell­schaft her­ab­sah und an nichts An­teil neh­men woll­te. Nichts, nicht ein­mal sein großer Grund­be­sitz

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