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einen Mantel brauche!«

      »Oh, du Arme!« spottete Ilona. »Es ist schade, daß deine naseweise Tochter nicht hier ist und alles mit angehört hat. Die würde das Fräulein bestimmt nach dem Spender der kostspieligen Angelegenheit fragen.«

      »Du bist abscheulich!« fuhr die Schwägerin empört auf, und die Mutter hob flehend beide Hände.

      »Kinder, ich bitte euch, laßt doch den Streit, der ja gar nicht mehr abbricht, seitdem Fräulein Berledes im Hause ist! Vater hat ihr den Mantel bestimmt nicht geschenkt, das nehme ich eher von Philchen an …«

      »Stimmt«, bemerkte der Hausherr ironisch, der soeben eintrat und die letzten Worte gehört hatte. »Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß der Pelz deine Mißgunst erweckt hat, meine Tochter Thea …«

      Weiter kam er nicht, da jetzt Philchen und Silje eintraten. Außerdem noch eine junge Lehrerin, die jeden Tag ins Haus kam, um Anka zu unterrichten. Sie nahm nur am Mittagsmahl teil, dann fuhr sie auf dem Rad ins nächste Dorf, wo ihr Vater Lehrer war, dem sie am Nachmittag beim Unterrichten seiner Schüler half.

      Das Mahl verlief ungemütlich wie gewöhnlich. Das ging nun mal nicht anders in dieser Familie, wo es ebenso viele Köpfe wie Sinne gab. Es fehlte die Harmonie, die ein Familienleben traut und behaglich macht.

      Silje waren diese Mahlzeiten gräßlich. Viel lieber hätte sie mit den anderen Angestellten zusammen in der Werkkantine gegessen, aber das hätte ihr Vormund nie zugegeben, und Philchen auch nicht. Also durfte Sie ihnen damit erst gar nicht kommen. Sie gehörte hier zur Familie, und damit holla!

      Die Hausherrin fürchtete Silje auch gar nicht, die war stets freundlich zu ihr, und der Junior schien sie kaum zu bemerken. Aber Thea mit ihren scheelen Blicken, und Ilona mit ihrer Nichtachtung, die waren ihr höchst unangenehm.

      Sollte das etwa immer so weitergehen, monatelang, womöglich sogar jahrelang? Ach, darüber wollte sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Sie hatte ja den Vormund, der stets für sie eintrat, und dann vor allen Dingen ihr vielgeliebtes Philchen, das ihr wie ein Fels in der Brandung erschien. Und dieser Fels war hart genug, um auch die giftigsten Pfeile an sich abprallen zu lassen.

      *

      Grau lag der Morgen über dem traulichen Gemach, in dem Philchen, deren zierliche Figur ein flauschiger Morgenrock umbauschte, geschäftig hin und her huschte. Mit spitzbübischem Lächeln gab sie sich einer Tätigkeit hin, die ihr viel Freude machte. Dann ging sie auf leisen Sohlen durch die weit geöffnete Flügeltür in das Nebenzimmer, zog dort die Jalousien hoch und trat an das Bett der holden Schläferin.

      »Heraus aus den Federn, der Hahn hat gekräht!« sang sie lustig und sah dabei lachend zu, wie das junge Menschenkind unter den langen, seidigen Wimpern hervorblinzelte, den ranken Körper dehnte und streckte.

      »Ach, Philchen, ist es schon wieder so weit? Ich bin ja noch sooo müde!«

      »Sieht dir ähnlich, du kleine Schlafmütze. Aber nichts da! Ermuntere deinen schwachen Geist, der vor neunzehn Jahren noch von Düsternis umfangen ward. Erst Stunden später wurde es Licht …«

      »Um meine kleine Wenigkeit«, lachte Silje, nun vollständig munter, in die salbungsvolle Rede hinein. »Und was soll nun geschehen?«

      »Aufstehen sollst du, eine Stunde früher als sonst an deinem Ehrentag.«

      Silje tat’s. Und als sie später frisch gewaschen dastand, zog Philchen sie in ihr behagliches Wohnzimmer, wo auf dem Tisch neunzehn Kerzen lustig flackerten und das große Lebenslicht verheißungsvoll leuchtete. Und was außerdem noch auf dem Tisch vorhanden war, ließ die Augen des Geburtstagskindes strahlen.

      Und mit Recht. Denn diese Festtoilette mit allem Drum und Dran konnte schon ein Jungmädchenherz höher schlagen lassen!

      »Oh, Philchen, soll das etwa für mich sein?«

      »Na, für mich doch nicht, du kleines Schaf! Damit sollst du dich schmücken und die weiblichen Wesen ausstechen, die sich in diesem gastlichen Hause heute zur Silvesterfeier zusammenfinden werden. Da wird sich mein Bruder freuen – und die anderen sollen vor Neid platzen!«

      »Netter Wunsch!« lachte Silje hellauf, umarmte das gute Philchen und stattete stürmischen Dank ab.

      »Na also«, schmunzelte das Altjüngferlein, als es wieder frei atmen konnte. »Und nun wollen wir in aller Ruhe unser Frühstück einnehmen. Darum habe ich dich so früh aus den Federn geholt.

      Halt, zuerst muß ich dir ja wohl gratulieren. Komm her, du wonniges kleines Stückchen Mensch, alles Glück sei dir beschieden. Mehr weiß ich nicht…«

      Damit wandte sie sich hastig ab, weil ihr die Augen feucht wurden. Und so was war dem couragierten Philchen immer sehr unangenehm. –

      Wenig später frühstückte man an dem runden Tisch in Philchens Wohnzimmer, wie man es täglich zu tun pflegte. Doch heute tat man es geruhsamer, und der Strauß herrlicher Nelken gab dem Tisch ein festliches Aussehen. Außerdem stand ein Napfkuchen da, den Silje so gern aß.

      »Lang nur tüchtig zu«, ermunterte Philchen. »So gut bekommst du ihn unten nicht.«

      »So wissen sie, daß ich heute Geburtstag habe?«

      »Keine Angst, es ist ihnen unbekannt. Aber heute steigt der gemeinsame Nachmittagskaffee, weil am Silvestertag im Werk mittags Schluß gemacht wird.«

      »Gräßlich!« seufzte das Mädchen. »Und am Abend, was steigt da?«

      Die Silvesterfeier im Kreise von Gästen, die aus Tradition geladen werden.«

      »Und wer sind die? Orientiere mich bitte ein wenig, damit ich nachher nicht zu dumm dastehe.«

      »Na schön. Da ist erst mal das Ehepaar Seifling, das seinen Namen zu recht trägt, denn er ist Seifenfabrikant. Der Sohn Manfred, zärtlich von den vernarrten Eltern Mannerchen genannt, ist bestimmt kein Adonis, glaubt diesen jedoch noch zu übertrumpfen.

      Dann kommt das Ehepaar Balduin mit Tochter Bärbel, einem süßen Mädchen, da die Eltern eine Konfitürenfabrik ihr eigen nennen. Ein nettes Marjellchen, nicht mehr ganz jung, aber hübsch und gescheit. Augenblicklich ist sie Mannerchens Schwarm, aber wenn er dich sieht, wird er mit fliegenden Fahnen zu dir abschwenken. Lach nicht, dummes Ding, sei lieber auf diese rasche Eroberung gefaßt. Gleichfalls auf die des anderen Junggesellen und auf die des Witwers mit Kind. Aber bei dem sei vorsichtig, sonst kratzt dir Thea vor Eifersucht die Augen aus. Bist du jetzt im Bilde?«

      »Noch nicht ganz, Philchen. Du sprachst von drei ledigen Herren.«

      »Oha, der dritte ist ein Mann von Welt«, die zierliche Gestalt setzte sich ordentlich in Positur. »Er ist als Besitzer eines Textilbetriebes schon über die Grenzen seines Vaterlandes hinausgekommen und hat bei der Frauenwelt Erfahrungen gesammelt. Er liebt das Mondäne, das in seinen Augen die pikante Ilona verkörpert. Er umschwärmt sie, allerdings nur bis zu einer bestimmten Grenze, versteht sich, damit er dem Gemahl seines Schwarms nicht auf die eheherrlichen Zehen tritt…«

      »Philchen, hör auf, ich kann nicht mehr!« Silje wollte sich über den todernst vorgebrachten Bericht halbtot lachen.

      Und dieses herzfrohe Lachen lockte die beiden Herren des Hauses an, die gerade den Korridor entlanggingen. Philipp klopfte und steckte den Kopf durch den Türspalt.

      »Schon wieder mal hört man am frühen Morgen dieses goldige Lachen«, schmunzelte er. »Darf man daran teilnehmen?«

      »Bitte sehr, tritt näher«, lud Philchen mit einer großartigen Geste ein. »Ah, da ist ja auch der Herr Neffe. Man immer rein in die gute Stube! Wir feiern hier nämlich Geburtstag.«

      Überrascht schaute man auf den Geburtstagstisch, und der Senior kratzte sich verlegen den Kopf.

      »Ja, aber Philchen, ist es denn mit unserm Geburtstag schon wieder so weit?«

      »Oh, über so einen Kaufmann!« lachte die Schwester ihn aus. »Der hat weiter nichts als seine Geschäftszahlen im Kopf, so daß für private Dinge kein Platz mehr darin bleibt.

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