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Mein Kommen hat tatsächlich einen anderen, einen ganz besonderen Grund.«

      »Na also, was auch immer der Grund ist, ich freue mich. Doch zunächst einmal, kann ich dir etwas anbieten, hast du Hunger? Hier gibt es zwar keine Köchin wie zu Hause, aber ich könnte dir schnell etwas machen.«

      »Nein, danke, Mutter. Ich habe im Hotel gegessen.«

      »Im Hotel? Du wohnst in einem Hotel?«

      »Ja, in München. Und nicht allein. Das ist es, warum ich hier bin.«

      »Jetzt bin ich aber neugierig.« Dorothee setzte sich ihrem Sohn gegenüber. »Also, warum bist du hier?«

      Dorothee saß so, daß das Licht der etwas tiefstehenden Sonne sie voll traf und ihr rotgoldenes Haar förmlich aufleuchten ließ. Sie trug ein schlichtes blaues Leinenkleid und weder Schmuck noch Make-up.

      Hanno schaute sie an und man merkte ihm die Verblüffung förmlich an. »Du siehst richtig toll aus, Mutter«, sagte er spontan. »Ich kenne dich als die bildschöne, gepflegte Herrin unseres Hauses in Santiago, aber so, wie du hier und jetzt aussiehst… Das ist wirklich erstaunlich. Tatsächlich, ich kann nur staunen.«

      »Danke, mein Junge, das ist ein Kompliment, über das ich mich wirklich freue. Mir geht es auch sehr gut, und ich bin mit meinem Leben hier recht zufrieden. Aber du wolltest mit mir über den Grund deines Kommens sprechen.«

      »Richtig, Mutter, und ich will es kurz machen.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Wir haben auch gar nicht so sehr viel Zeit. Wie schon gesagt, ich bin in einem Münchener Hotel abgestiegen, und zwar mit meiner Braut. Ja, du hörst richtig, Mutter, ich bin verlobt. Zwar noch nicht offiziell, das Verlobungsfest wird ein großes gesellschaftliches Ereignis in Santiago werden, aber wir beide, Yvonne und ich, fühlen uns auch so bereits fest miteinander verbunden. Und ich kann dir sagen, Mutter, ich bin nicht nur glücklich, sondern auch unbändig stolz. Denn der Name Veron wird dir bestimmt etwas sagen. Eine der bekanntesten, einflußreichsten Familien in Santiago, und zu dieser Familie werde ich nun bald gehören. Yvonne de Veron – sie wird meine Frau, deine Schwiegertochter, Mutter. Das muß dich doch auch stolz machen.«

      »Stolz?« meinte Dorothee und schüttelte mit leisem Lächeln den Kopf. »Warum sollte ich stolz sein? Aber ich freue mich für dich. Ich freue mich, wenn du glücklich bist, und ich wünsche dir von Herzen, daß du die richtige Wahl getroffen hast. Ja, Hanno, das wünsche ich dir. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt. Dir und deiner Braut, die ich noch nicht kenne.«

      »Darum sind wir ja hier, Mutter. Yvonne ist eine vielbeschäftigte Frau, sie ist in der Modebranche tätig, auf internationaler Ebene sozusagen. Aber sie hat diesen Abstecher nach München ermöglicht, weil ihr etwas daran liegt, dich kennenzulernen. Darum bitte ich dich, mich nach München zu begleiten, damit ich dich heute noch meiner Braut vorstellen kann.«

      Dorothee versuchte erst gar nicht, sich ihr Befremden nicht anmerken zu lassen. »Du willst mich deiner Braut vorstellen?« fragte sie spröde. »Wird das nicht im allgemeinen andersherum gehandhabt?«

      »Ach, nun sei doch nicht so empfindlich, Mutter. Begreifst du denn nicht, was diese Verlobung für mich bedeutet? Daß ich in diese Familie einheiraten soll? Du kennst doch die Verhältnisse in Chile. Du weißt, wie unbändig stolz diese Menschen sind. Und ich werde dort nun akzeptiert, weil Yvonne mich liebt. Darum ist es mir so wichtig, daß du einen guten Eindruck auf meine Braut machst, Mutter. Natürlich ist mir darum nicht bange, überhaupt nicht. Du bist eine fabelhafte Frau, und auch bei Verons ist es bekannt, welche Rolle du in Santiago gespielt hast. Aber… du hast Vater verlassen. Das begreift man in solchen Kreisen vielleicht nicht. Und darum kommt es so sehr auf den persönlichen Kontakt an.«

      »Das ist schon richtig, mein Junge.« Dorothee ließ sich nicht anmerken, ob sie gekränkt war. »Der Name allein zählt nichts, es kommt auf die Person an, die dahinter steht. Darum kannst du mir die Frau, die du heiraten willst, gern bringen. Ich werde sie herzlich und völlig unvoreingenommen empfangen.«

      »Du hast mich nicht richtig verstanden, Mutter. Ich möchte, daß du mich nach München begleitest. Yvonne hat nur diesen einen Abend zur Verfügung. Und ich wußte ja nicht, wie du jetzt hier lebst. Da dachte ich, eine Begegnung im Hotel wäre auf jeden Fall richtig. Yvonne hat diesen Vorschlag gemacht.«

      »So, hat sie das?«

      Nach kurzem Anklopfen steckte Gudrun den Kopf zur Tür herein. »Entschuldige, Dorothee«, sagte sie. »Ich muß jetzt los. Leila schläft, und Annika…«

      Da wurde die Tür ganz aufgestoßen, und Annika hüpfte fröhlich ins Zimmer. »Ich habe ausgeschlafen, Dote«, rief sie munter. »Gehen wir jetzt in den Garten? Wir wollen doch die Blumen gießen, das hast du ja versprochen.«

      Sie war auf Dorothee zugerannt, die sie liebevoll auf den Schoß nahm. »Später gießen wir die Blumen, Annika. Jetzt haben wir Besuch.«

      Annika schien den fremden Mann noch gar nicht bemerkt zu haben. Jetzt machte sie große, staunende Augen. »Wer bist du denn?« fragte sie in ihrer direkten, unbekümmerten Art. »Bist du vielleicht ein Papi? Ich hätte nämlich gern einen, und für Leila könnten wir auch einen Papi gebrauchen.«

      Gudrun war mit raschen Schritten ins Zimmer gekommen. »Annika, du bist unmöglich!« sagte sie tadelnd, wandte sich dann mit einem leicht verlegenen Lächeln an Hanno. »Entschuldigen Sie, Herr Werth. Annika redet halt so, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie dürfen das nicht ernst nehmen.«

      Hanno war sichtlich verwirrt. »Nein, nein, natürlich nicht. Sie ist ja ganz reizend, die Kleine.«

      »Ich bin Annika«, sagte Gudruns Töchterchen wichtig. »Und Leila ist oben in ihrem Bettchen. Das ist nämlich unser Baby. Sie ist ganz süß. Willst du sie mal sehen?«

      »Ja, ich weiß nicht… später vielleicht…«, stotterte Hanno.

      »Nehmen Sie das nicht so ernst, Herr Werth«, lachte Gudrun nun fröhlich. Sie wandte sich Dorothee zu. »Tut mir leid, Dorothee, aber ich muß nun wirklich los.«

      »Ja, ja, mach dich ruhig auf den Weg, Gudrun. Ich kümmere mich schon um die Kinder. Sei unbesorgt.«

      »Wir gießen gleich die Blumen«, erklärte Annika wichtig.

      »Fein, mein Schatz. Die Blumen werden sich freuen.«

      Gudrun wandte sich Hanno zu. »Auf Wiedersehen, Herr Werth. Hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Hoffentlich besuchen Sie uns nun öfter. Tschüs, Dorothee. Und du, Annika, sei brav, hörst du? Sei vor allem nicht zu lästig. Dote hat schließlich Besuch.«

      »Bist du Besuch?« nahm Annika das ihr noch unbekannte Wort, das sie nun zum zweiten Mal hörte, begierig auf. »Was ist das, Besuch?«

      Dorothee lachte. »Besuch ist, wenn jemand kommt, um uns zu sehen und mit uns zu reden. Meistens freut man sich darüber. Und jetzt lauf los und spiel eine Weile allein. Du kannst im Garten ja schon einmal nachsehen, welche Blumen gegossen werden müssen.«

      Das ließ Annika sich nicht zweimal sagen, und sie flitzte durch die offenstehende Terrassentür in den Garten.

      »Mal sehen, wie lange sie nun Ruhe gibt«, lächelte Dorothee. »Ich wette, daß sie rasch wieder hier ist, um zu erzählen, wo gegossen werden muß.«

      Hanno Werth war sichtlich verwirrt. »Kannst du mir das bitte erklären, Mutter? Was sind das für Kinder, und wieso lebst du hier mit ihnen?«

      »Sagte ich das nicht bereits? Das sind Gudruns Kinder. Zwei reizende Mädchen. Annika ist vier Jahre und Leila erst ein paar Monate alt. Gudrun ist… ja, sie ist eine junge Witwe, und ich bin wirklich froh, daß ich ihr helfen kann. Sie studiert Medizin, weißt du. Sie wird Kinderärztin. Sie ist eine äußerst tüchtige Person.«

      »Sie ist eine Witwe? Eine so junge Witwe?«

      »Ja«, nickte Dorothee. Aber ihr war ein bißchen unbehaglich zumute bei dieser Lüge.

      »Und da bist du hier und versorgst ihre Kinder?« fuhr Hanno immer noch ungläubig fort.

      »Nicht

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