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Topf werfen würden und sie dann gemeinsam zu meistern versuchten? Annika hat den Anstoß zu diesem meinem Ideengebäude gegeben, und bis jetzt finde ich dieses Gebäude richtig gut. Nein, sagen Sie noch nichts, Gudrun, ich will den Faden noch weiter spinnen. Also, meine jetzige Wohnung ist absolut nicht geeignet für ein Kind. Ich habe schon geplant, mir etwas anderes zu suchen.

      Wenn ich nun – nicht in der Stadt, ich möchte gern außerhalb Münchens wohnen – wenn ich da nun ein kleines, gemütliches Haus fände, wo auch genug Platz für mein geplantes Übersetzungsbüro wäre, und wenn wir dort gemeinsam einziehen würden. Sie, Gudrun, mit Annika, und ich mit meinem Kind. Wir könnten einen gemeinsamen Haushalt führen, würden unsere Zeit für die Betreuung der Kinder aufteilen, ich würde mich den Übersetzungen widmen, eventuell mit einer oder zwei Hilfskräften, je nachdem, wie sich die Sache entwickelt… und Sie, Gudrun, Sie könnten Ihr Medizinstudium wieder aufnehmen. Das Finanzielle bekämen wir schon geregelt. Ich sagte Ihnen ja schon, das ist nicht mein Problem. Na, was sagen Sie zu dieser Idee?«

      Gudrun blieb erst ganz still. »Das ist wirklich eine atemberaubende Idee«, sagte sie schließlich, nachdem sie sich erst hatte räuspern müssen.

      »Atemberaubend – ja«, wiederholte Dorothee. »Aber machbar. Wirklich machbar, Gudrun. Wenn wir es beide wollen.«

      »Ich glaube nicht, daß ich nicht will«, sinnierte Gudrun leise. »Aber ich kann unmöglich Ihre finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen. Daß ich nicht mehr studieren kann, damit habe ich mich ja schon längst abgefunden. Aber ich könnte vielleicht wieder arbeiten. Wieder als Sprechstundenhilfe. Dann könnte es vielleicht gehen. Aber nein, das ist unmöglich. Bei einem solchen Job habe ich meine festen Arbeitszeiten, Sie wären dann den ganzen Tag mit den Kindern allein, wie wollten Sie dann Ihre eigene Arbeit erledigen? Nein, das ist nicht zumutbar.«

      »Als Studentin sind Sie freier, Gudrun. Natürlich müssen Sie auch dann viel arbeiten, wenn Sie etwas erreichen wollen, aber das können Sie zu einem großen Teil zu Hause und auch in den Abendstunden. Dann hätten wir beide mehr Freiheiten.«

      »Ja, so gesehen ist das natürlich richtig, aber…«

      »Wie gesagt, Gudrun, wir wollen nicht die finanzielle Frage in den Vordergrund stellen, das kriegen wir schon irgendwie noch geregelt.«

      Unwillkürlich stand Dorothee auf, begann eine Wanderung durchs Zimmer. Das war eine Angewohnheit von ihr, das machte sie immer, wenn sie ganz konzentriert nachdachte. »Mir geht da noch etwas durch den Kopf, Gudrun«, sagte sie leise. »Das ist vielleicht ein ganz besonders ungeheuerlicher Gedanke, und ich wage kaum, ihn auszusprechen.«

      »Nur zu«, ermunterte Gudrun. »Was sollte denn jetzt noch so Ungeheuerliches kommen?«

      »Gut, ich will es sagen. Aber, und das müssen Sie mir bitte glauben, ich werde es Ihnen in keiner Weise verübeln, wenn Sie diesen Teil meiner Idee zurückweisen. Das alles ist ja überhaupt erst einmal nur ein Denkanstoß.«

      Dorothee atmete noch einmal tief, schien noch einmal kurz nachzudenken, und sagte dann entschlossen: »Mein Problem habe ich Ihnen ja bereits eingestanden. Das Problem, das ich mit meinem Alter habe und damit, mich zu meiner späten Mutterschaft bekennen zu müssen. Irgendwann werde ich das wohl überwinden, aber ganz sicher nicht heute und morgen, und auch nicht bis zum Zeitpunkt der Geburt. Ich werde dieses Problem ernsthaft zu bekämpfen haben und weiß noch nicht wie. Und da ist mir nun diese andere Idee gekommen, gerade eben erst. Wenn wir einen gemeinsamen Haushalt führen würden, mit zwei Kindern, Sie sind die Mutter des älteren Mädchens, ich die Mutter des Säuglings… Wir würden irgendwo wohnen, wo man uns beide noch nicht kennt… und wenn wir dann einfach sagen würden, nur nach außen hin, verstehen Sie… daß Sie die Mutter beider Kinder sind, Gudrun… Das ist verrückt, ich weiß, mehr als verrückt, und ich weiß auch nicht, ob mir die Idee morgen noch gefallen wird… aber im Augenblick finde ich eine solche Vorstellung gar nicht schlecht.«

      »Das würde aber auch einen Verzicht für Sie bedeuten, Frau Werth.«

      »Nur nach außen hin, Gudrun, nur nach außen hin. Ich weiß ja, daß ich die Mutter bin, und Sie wissen es auch. Und bis meine Kleine Mama sagen kann, bin ich vielleicht vernünftig geworden. Ich hoffe es sehr. Aber im Augenblick… Sie haben noch gar nicht gesagt, daß Sie das als ungeheure Zumutung empfinden, Gudrun.«

      »Nein, ich empfinde es auch nicht als Zumutung. Zumindest könnte man über alles nachdenken. Wie ja überhaupt über die ganze Idee erst sehr gründlich nachgedacht werden muß. Das sehen Sie doch auch so, Frau Werth, nicht wahr?«

      »Natürlich, Gudrun. Wir müssen sehr gründlich nachdenken. Aber sollten wir nicht einen ersten Anfang damit machen, daß Sie mich nicht mehr Frau Werth, sondern Dorothee nennen? Und vielleicht könnten wir auch zum Du übergehen. Ich würde mich sehr darüber freuen, Gudrun.«

      »Ich auch«, nickte Gudrun. Sie lächelte zwar, wirkte aber trotzdem ernst. »Ja, ich freue mich auch. Und wir werden über alles nachdenken, nicht wahr? Ehe ein Entschluß gefaßt werden muß.«

      »Ja, Gudrun, das werden wir. Wir werden sehr gründlich nachdenken. Aber ich… ja, wirklich, ich habe jetzt schon ein gutes Gefühl.«

      *

      Es war eine ganz spontane Idee gewesen, die Dorothee da entwickelt hatte, aber diese Idee setzte sich fest. Sie war da und ließ sich nicht einfach wieder fortwischen. Auch am nächsten Tag besaß sie noch den gleichen Charme wie in den ersten Minuten ihres Entstehens.

      Und als Dorothee daraufhin mit Gudrun telefonierte, spürte sie erfreut, daß auch die so wesentlich jüngere Frau noch dabei war, die Idee von verschiedenen Seiten und Gesichtspunkten aus zu überprüfen, daß sie sie durchaus noch nicht als Hirngespinst abgetan und einfach abgeschrieben hatte.

      Die beiden Frauen trafen sich dann noch einige Male, sie beredeten alle Fragen und Probleme, die sich auftaten, sie entwickelten neue, erweiterte Ideen und gerieten so unversehens schon ins Pläneschmieden. Jedenfalls gab es bei diesen vorbereitenden Gesprächen keine negativen Aspekte, und mehr oder weniger erstaunt stellten sowohl Dorothee als auch Gudrun fest, daß ein solcher Weg tatsächlich gangbar war, daß man es wirklich so machen könnte. Zumal ihre gegenseitige Sympathie ein starkes Band war und sicher bei eventuell auftretenden Belastungen eine zuverlässige Stütze sein würde.

      Und so gingen die beiden Frauen nach verhältnismäßig kurzer Zeit daran, ihre Pläne in die Tat umzusetzen.

      In einer Kleinstadt in der unmittelbaren Umgebung Münchens fand Dorothee ein Haus, das so ziemlich ihren Vorstellungen entsprach. Es lag in einer ruhigen Seitenstraße, hatte einen hübschen kleinen Vorgarten und einen wesentlich größeren Garten hinter dem Haus. Der Hausbesitzer, ein netter älterer Herr, der in eine kleinere, für ihn bequemere Wohnung umgezogen war, liebte diesen Garten, und er erbot sich, ihn weiterhin zu pflegen. Womit Dorothee natürlich gern einverstanden war.

      »Vorausgesetzt, die Kinder dürfen darin spielen«, machte sie zur Bedingung, »und ich möchte viele Blumen haben.«

      »Die sollen Sie bekommen, Frau Werth«, versprach Paul Nettelbeck. »Und daß Sie Kinder mit ins Haus bringen, freut mich besonders. Meine Ehe ist leider kinderlos geblieben, und folglich habe ich nun auch keine Enkel. Dabei wäre ich so gern ein Opa. Wie alt sind Ihre Kinder denn, Frau Werth?«

      Dorothee schluckte unwillkürlich. Jetzt mußte sie zum ersten Mal ihren Schwindel an den Mann bringen. Bisher war ja alles nur zwischen ihr und Gudrun besprochen, nun aber mußten sie auch nach außen hin zu ihrem Plan stehen.

      »Ich habe nur einen erwachsenen Sohn«, sagte sie ganz ruhig, zumal dieser Teil der Erklärung ja auch noch der Wahrheit entsprach. »Mein Sohn lebt aber in Santiago in Chile. Hier bei mir wird meine Nichte wohnen. Sie hat ein Töchterchen, Annika, die bald vier Jahre alt wird, und das zweite Kind wird bald zur Welt kommen. Meine Nichte studiert noch, sie wird Ärztin, und ich werde hier im Haus als Übersetzerin arbeiten. Ich denke, die örtlichen Gegebenheiten sind ideal für uns.«

      »Das will ich meinen, Frau Werth«, nickte Herr Nettelbeck herzlich. »Und wenn Sie mal einen Opa für die Kinder brauchen, mir würden Sie damit eine große Freude

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