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Klang.

      »Wirst du mir das schriftlich geben?« hört sie ihn weitersprechen.

      Sie kann nur nicken. Dann ist sie wirklich am Ende.

      »Geh, bitte geh«, fleht sie, und sie macht eine Bewegung ins Leere. »Laß mich zur Ruhe kommen. Ich – ich kann nicht mehr.«

      Mit ein paar raschen Schritten ist er bei ihr, faßt nach ihr, und sie sinkt haltlos gegen ihn. Ihr Kopf mit den geschlossenen Augen lehnt schwer an seiner Schulter.

      »Nur eines möchte ich dir noch sagen, Marion. Du hast dich schwer versündigt gegen einen Mann, der dich aufrichtig, bis zur Selbstaufgabe geliebt hat. Denke an Frank Bendler. Er liebt dich auch wahrhaftig. Es könnte dir einen Halt geben, zu wissen, irgendwo ist ein Mensch, zu dem du dich flüchten kannst, später, wenn du gebüßt hast für das, was du anderen zufügtest. Willst du daran denken?«

      Sie sieht ihn verständnislos, aus beinahe irren Augen an

      Frank Bendler! Wie weit liegt das zurück. Was gilt ihr das alles noch?

      Verstummt ist sie, als sei ihr Mund versiegelt. Nicht für sich, für andere bittet er.

      »Leb’ wohl, Marion.« Wie aus weiter, weiter Ferne hört sie seine Stimme. Jetzt, da er sich von ihr gelöst hat, wankt sie vorwärts, sinkt in den nächsten Sessel.

      Ich habe mein Leben, ich habe die Liebe eines William Reincke verspielt – kann sie nur denken.

      *

      Als William Reincke zu Eva-Maria Harris ins Geschäft tritt, ist sie ganz allein. Sie vermißt sein unbekümmertes, jungenhaftes Lächeln und erschrickt tief. Seltsam verändert ist er.

      Schnell geht sie auf ihn zu. »Ist etwas mit – mit Karsten?« fragt sie ängstlich.

      »Kann ich Sie ungestört sprechen?« Er sieht sich um, nickt befriedigt und zieht sie zu einer Eckbank. »Fräulein Harris, Sie müssen mich zu Rechtsanwalt Rauh begleiten. Karstens Fall muß schleunigst aufgerollt werden. Ich habe die Wahrheit erkundet. Können Sie sich sofort freimachen?«

      »Und – wer hat John Unger nun wirklich erschossen?« zittert die Frage von ihren Lippen.

      »Marion Wendland!«

      Danach bleibt es still. Sie sitzt vollkommen unbeweglich.

      »Ich habe es geahnt«, flüstert sie erschauernd. »Ich habe es geahnt.«

      »Kommen Sie, Eva-Maria«, drängt er, und ihm kommt gar nicht zum Bewußtsein, daß er sie beim Vornamen genannt hat.

      *

      Am 20. April wird die Verhandlung gegen Ulrich Karsten im Wiederaufnahmeverfahren begonnen.

      Diesmal sitzt Ulrich Karsten in der Zeugenbank und Marion Wendland hinter der hölzernen Barriere.

      Ein Raunen, ja, eine Welle der Entrüstung geht durch die sensationslüsterne Menge, als sie dumpf erklärt:

      »Ich habe John Unger erschossen, weil ich mich von einem lästigen Liebhaber befreien wollte.«

      Ulrich Karstens Gesicht ist unbewegt. Hin und wieder spielen seine Backenmuskeln. Und dieser Frau hat er grenzenlos vertraut? Diese Frau hat er wahnsinnig geliebt? War er nicht normal – oder war sie wirklich ein Teufel mit einem Engelsgesicht?

      Was wissen die vielen Menschen, die dieser Verhandlung beiwohnen, was dieses Geständnis für ihn bedeutet? Niemals wieder wird er an die Liebe einer Frau glauben können. Niemals!

      Auch Eva-Maria Harris ist anwesend, doch diesmal nicht als Geschworene, sondern sie sitzt unter den Zuschauern.

      Diese Verhandlung dauert nicht solange wie die erste. Der Tatbestand ist geklärt. Die Angeklagte ist geständig, und das Gericht und die Geschworenen sind von ihrer Schuld überzeugt.

      Ihre kalte, fast zynische Art hat ihr jede Sympathie verdorben. Sie wird hart bestraft, zumal sie ohne Reue ist.

      Als endlich der Gerichtshof erscheint und das Urteil verkündet:

      »Lebenslänglich!«

      Da ist jeder im Saal befriedigt. Nur einer nicht. Er leidet Höllenqualen, Frank Bendler ist es, der mit verzerrten Zügen, zusammengesunken auf seinem Platz hockt und immerzu auf die Frau blicken muß, die teilnahmslos, als sei sie bereits gestorben, alles über sich ergehen läßt.

      Ich werde verrückt – denkt er – das kann doch nicht möglich sein. Stöhnend birgt er das Gesicht in den Händen. Marion! Oh, Marion!

      Er drängt sich durch die Menschen, bahnt sich rücksichtslos seinen Weg und steht keuchend vor Doktor Rauh, den vollste Befriedigung erfüllt.

      Erstaunt mustert er Frank Bendler. »Sie wünschen?«

      »Sie müssen mir eine kurze Unterredung mit Marion Wendland verschaffen. Ich bitte Sie darum. Nur ganz kurze Zeit, ein paar Minuten nur.«

      »Das ist jetzt ganz unmöglich. Ich kann Ihnen nur einen Rat geben. Warten Sie am Ende des Ganges. Vielleicht gelingt es Ihnen, ein paar Worte mit der Verurteilten zu sprechen.«

      »Danke«, stottert Bendler und hastet davon.

      An Doktor Rauhs Seite verläßt Ulrich Karsten das Gerichtsgebäude und atmet tief auf, als er neben seinem Anwalt, den er außerordentlich schätzengelernt hat, im Wagen sitzt. Sie warten auf William Reincke, für den er eine so tiefe Dankbarkeit empfindet, daß er sie nicht in Worte zu fassen vermag.

      Er ist endgültig frei von der Vergangenheit. Aber in seinem Innern ist es leer. Dort hat ein Kampf gewütet, der alles verbrannte, was in Gefühlen darin war.

      William Reincke tritt an den Wagen heran. Er scheint um Jahre gealtert. Die immer so lustig in die Welt blickenden braunen Augen liegen tief und umschattet in den Höhlen. Karsten hat ihn selten so gesehen.

      Wortlos reichen sie sich die Hände. Wie gut das tat, zu wissen, es gibt einen guten, ehrlichen und selbstlosen Freund.

      Hinter Reinckes breitem Rücken tritt eine gertenschlanke Frauengestalt hervor. Zwei leuchtende Augen in einem zarten, blassen Gesicht strahlen ihn an und ein weicher Mund lächelt ihm halb glücklich, halb verlegen zu.

      »Vergessen Sie Milli Bothe nicht«, sagt sie, während er sich über ihre Hand neigt.

      »Und Sie selbst?« forscht er, aber da schweift ihr Blick ab. »Gehöre ich denn zu Ihren Freunden?« Das klingt mutlos und sehr traurig.

      »Freundschaft ist ein so köstlicher Besitz«, sagt er aus tiefstem Herzen heraus. »Es würde mich glücklich machen, Sie zu meinen Freunden zählen zu dürfen.«

      Sie nickt nur stumm. Neben Reincke geht sie zu dessen Wagen. Sie ist ganz stumm, und auch Reincke ist ein stiller Begleiter.

      Keiner ahnt, wie es in seinem Herzen aussieht. Er hat sie doch geliebt, diese faszinierende Frau, die mit der Liebe gespielt hat und nun an ihr zugrunde gehen muß.

      Wenn er sie in dieser trostlosen Haltung vor sich sieht, weiß er, daß sie niemals zurück ins Leben kehren wird. Sie wird dahinwelken wie eine berauschend schöne, aber giftige Blume.

      Aber es kommt doch anders – und irgendwie sind sie, ohne es sich gegenseitig einzugestehen, von schwerem Druck befreit.

      Die Zeitungen bringen es schon am nächsten Tag in großen Schlagzeilen.

      »Marion Wendland hat sich vergiftet.«

      Doktor Rauh schweigt und lächelt wissend. Er sieht den jungen Mann mit den hilfesuchenden Augen vor sich, sieht ihn davonhasten. Er mag wohl die Frau seiner Liebe lieber tot gesehen haben, als zu einem langsamen Dahinvegetieren verdammt.

      *

      Nun ist es doch Frühling geworden. Mit seiner Blutenpracht, einem seidigen blauen Himmel, alles erwärmenden Sonnenstrahlen und bunten Krokussen, die wie Tupfen die weiten Wiesen beleben, hat er seinen Einzug gehalten.

      Alles erneuert er, der nach einem so langandauernden, strengen

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