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zu unserer Bequemlichkeit beigetragen hätte? . . . Und glauben Sie, daß wir von einem Menschen – Mann oder Weib – irgend etwas zurückfordern dürften, das wir ihm geschenkt hatten? Ich meine keine Perlenschnur und keine Rente und keine wohlfeile Weisheit, sondern ein Stück von unserm Wesen – eine Stunde unseres Daseins, das wir wirklich an sie verloren hätten, ohne uns gleich dafür bezahlt zu machen, mit welcher Münze immer. Mein lieber Julian, wir haben die Türen offen stehen und unsere Schätze sehen lassen – aber Verschwender sind wir nicht gewesen. Sie so wenig als ich. Wir können uns ruhig die Hände reichen, Julian. Ich bin etwas weniger wehleidig als Sie, das ist der ganze Unterschied. – Aber ich erzähle Ihnen ja da nichts neues. Sie wissen das alles gerade so gut wie ich. Es gibt ja für uns gar keine Möglichkeit, uns nicht zu kennen; wir geben uns wohl zuweilen redliche Mühe, uns über uns selbst zu täuschen, aber es gelingt uns nicht. Andern mögen unsere Torheiten, unsere Niederträchtigkeiten verborgen bleiben – uns selber nie. In unserer tiefsten Seele wissen wir immer, woran wir mit uns sind. – Es wird kühl, Julian, gehen wir ins Zimmer. Sie beginnen hinaufzugehen.

      Julian. All das mag wahr sein, Sala. Aber Sie werden mir zugeben: Wenn es einen auf der Welt gibt, der uns die Fehler unseres Lebens nicht dürfte entgelten lassen, so ist es gewiß der, der uns selbst das Dasein verdankt.

      Sala. Von entgelten ist hier gar nicht die Rede. Ihr Sohn hat den Sinn für das Wesentliche, Julian, Sie selbst haben es gesagt. Und er fühlt es, daß man sehr wenig für einen Menschen getan hat, wenn man nichts tat, als ihn in die Welt zu setzen.

      Julian. So soll es wenigstens werden wie vorher, da er noch nichts wußte. Ich will wieder ein Mensch für ihn sein wie jeder andere. So darf er nicht von mir gehen . . . Ich ertrag' es nicht. Verdien' ich denn, daß er vor mir flieht? . . . Und wenn auch alles, was ich bis heute in mir für gut und wahr gehalten – am Ende auch die Neigung für diesen jungen Menschen, der mein Sohn ist –, nichts gewesen ist als Selbstbetrug – jetzt lieb' ich ihn . . . Verstehen Sie mich, Sala? Ich liebe ihn und verlange nichts anderes mehr, als daß er es glaube, eh' ich ihn für immer verlieren muß . . .

      Dunkelheit. – Beide über die Terrasse hinauf, durch den Salon ab. – Bühne eine Weile leer. Der Wind ist etwas stärker geworden.

      Neunte Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Johanna kommt von rechts durch die Allee, langsam am Teich vorbei bis zur Terrasse. – Die Fenster des Gartensaals sind erleuchtet. Sala hat sich an den Tisch gesetzt; der Diener ist gekommen und schenkt ein Glas Wein ein. – Johanna bleibt stehen. Sie scheint in großer Erregung und geht zwei Stufen der Terrasse hinauf. Sala hört ein Geräusch und wendet flüchtig den Kopf. Johanna bemerkt es, eilt wieder die Treppe hinunter und bleibt am Teiche stehen. Sie blickt ins Wasser.

      Vorhang.

      Fünfter Akt

       Inhaltsverzeichnis

      Garten bei Wegrat.

      Erste Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Doktor Reumann und Julian.

      Doktor Reumann sitzt an einem kleinen Tischchen und schreibt etwas in sein Notizbuch.

      Julian kommt rasch über die Veranda. Ist es wahr Herr Doktor?

      Doktor Reumann steht auf. Ja, es ist wahr.

      Julian. Verschwunden?

      Doktor Reumann. Ja, sie ist verschwunden. Seit gestern nachmittag ist sie fort. Sie hat keine Nachricht zurückgelassen, sie hat nichts mit sich genommen – sie ist einfach fortgegangen und nicht mehr zurückgekommen.

      Julian. Ja, was kann denn geschehen sein?

      Doktor Reumann. Darüber haben wir nicht einmal eine Vermutung. Vielleicht hat sie sich verirrt und kommt wieder. Oder es ist irgend ein plötzlicher Entschluß . . . Wüßte man nur, wozu.

      Julian. Wo sind die andern?

      Doktor Reumann. Wir wollten um zehn Uhr alle hier wieder zusammentreffen. Ich war in den verschiedenen Spitälern und an andern Orten, wo die Möglichkeit vorlag, eine Spur zu finden . . . Der Professor dürfte wohl jetzt die Anzeige erstattet haben.

      Zweite Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Doktor Reumann und Julian. Felix kommt rasch.

      Felix. Nichts?

      Doktor Reumann. Nichts.

      Julian gibt Felix die Hand.

      Doktor Reumann. Woher kommen Sie?

      Felix. Ich war bei Herrn von Sala.

      Doktor Reumann. Wie?

      Felix. Es schien mir doch nicht unmöglich, daß er irgend welche Vermutung haben, daß er uns irgend eine Richtung angeben könnte. Aber er weiß nichts. Offenbar. Wenn er etwas wüßte – etwas Bestimmtes wüßte, hätte er es mir gesagt. Dessen bin ich sicher. Er lag noch zu Bette, als ich mich bei ihm melden ließ. Er meinte wohl, es handle sich um unsere Angelegenheit. Als er hörte, daß Johanna verschwunden sei, wurde er sehr blaß . . . Aber er weiß nichts.

      Dritte Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Julian, Doktor Reumann und Felix. Wegrat kommt.

      Wegrat. Nichts? . . .

      Die andern schütteln den Kopf. Julian drückt ihm die Hand.

      Wegrat setzt sich nieder. Man hat nähere Daten, man hat Anhaltspunkte von mir verlangt. Gibt es welche? . . . Ich habe keine . . . Mir ist es vollkommen rätselhaft. Zu Julian gewendet. Nachmittag ist sie fort, zu einem kleinen Spaziergang wie manchmal . . . Zu Felix gewendet. Konnte man ihr das Geringste anmerken? . . . Es erscheint mir vollkommen unmöglich, daß sie schon an irgend etwas dachte, als sie das Haus verließ, . . . daß sie schon wußte – sie geht auf immer fort.

      Felix. Vielleicht doch.

      Wegrat. Verschlossen war sie wohl – und besonders in der letzten Zeit, seit ihre Mutter tot ist. – Ob es das sein könnte? . . . Halten Sie es für möglich, Herr Doktor?

      Doktor Reumann zuckt die Achseln.

      Felix. Wer hat sie denn gekannt von uns allen? Wer kümmert sich denn überhaupt um die andern?

      Doktor Reumann. Es ist wahrscheinlich gut so, sonst würden wir alle toll vor Mitleid oder Ekel oder Angst. Pause. Ich muß jetzt zu meinen Kranken; ich habe einige unaufschiebbare Besuche. Zu Mittag bin ich wieder da. Auf Wiedersehen. Ab.

      Vierte Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Julian, Felix und Wegrat.

      Wegrat. Da hat man nun so ein Geschöpf heranwachsen sehen, aus einem Kinde ein Mädchen werden, eine junge Dame, – und hunderttausend Worte zu ihr gesprochen . . . Und eines Tages steht sie vom Tisch auf, nimmt Hut und Mantel und geht . . . geht ohne Abschied, und man hat keine Ahnung, wohin sie entschwebt ist, ob ins Nichts, ob in ein neues Leben.

      Felix. Aber was immer geschehen sein mag, Vater – sie wollte von uns fort. Und

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