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      Julian. Und wenn sie gesprochen hätte –?

      Felix. O, ich begreife, daß sie es nicht getan hat. Sie hätte niemandem damit genützt. So hat sie geschwiegen. Geschwiegen, als sie von der Trauung heimkam, – geschwiegen, als das Kind geboren wurde, – geschwiegen, als der Geliebte das Haus ihres Gatten nach zehn Jahren wieder betrat, – geschwiegen bis zum letzten Tag . . . Solche Schicksale gibt es allerorten, und man muß nicht einmal . . . verworfen sein, um sie zu erleben oder um sie zu verschulden.

      Julian, Und es gibt wenige, denen es zusteht, zu richten – oder zu verurteilen.

      Felix. Ich maße es mir nicht an. Es will mir nicht einmal ein, daß ich nun Betrüger und Betrogene vor mir sehen soll, wo mir bis vor einer Stunde Menschen, die mir wert sind, in so reinen Beziehungen zu einander erschienen. Und völlig unmöglich ist es mir, mich selbst als einen andern zu empfinden als den, für den ich mich bis heute gehalten habe. Es ist eine Wahrheit ohne Kraft . . . Ein lebhafter Traum wäre zwingender als diese Geschichte aus verflossenen Tagen, die Sie mir erzählt haben. Es hat sich nichts verändert . . . nichts. Das Andenken meiner Mutter ist mir so heilig als zuvor. Und der Mann, in dessen Haus ich geboren und auferzogen bin, der meine Kindheit und meine Jugend mit Sorgfalt und Zärtlichkeit umgeben hat und der meine Mutter – geliebt hat, gilt mir gerade so viel, als er mir bisher gegolten – und beinahe mehr.

      Julian. Und doch, Felix, so kraftlos dir diese Wahrheit scheint, – eines weißt du schon in diesem Augenblick des Zweifels: Als meinen Sohn hat deine Mutter dich geboren . . .

      Felix. Zu einer Zeit, da sie Sie verfluchte.

      Julian. . . . auferzogen als meinen Sohn . . .

      Felix. In Haß gegen Sie.

      Julian. Zuerst. Später in Verzeihung, und endlich – vergiß es nicht – in Freundschaft für mich. – Und an jenem letzten Abend, woran hat sie sich erinnert? . . . Wovon mit dir gesprochen? . . . Von jenen Tagen, in denen sie das größte Glück erlebte, das einer Frau beschieden sein kann.

      Felix. Und das tiefste Elend.

      Julian. Denkst du, es war Zufall, daß ihr am letzten Abend gerade jene Tage wieder durch den Sinn gingen? . . . Glaubst du, sie wußte nicht, daß du zu mir kommen und jenes Bild von mir verlangen würdest? . . . Und denkst du, dein Wunsch bedeutete etwas anderes als den letzten Gruß deiner Mutter an mich? – Verstehst du es, Felix? . . . Und in dieser Sekunde – wehre dich nicht – steht es vor deinen Augen, – das Bild, das du gestern in deiner Hand hieltest; und deine Mutter sieht dich an. – Und der gleiche Blick ruht auf dir, Felix, der damals auf mir geruht hat, an dem glühenden und heiligen Tag, da sie in meine Arme sank und dich empfing. – Und was immer dich jetzt bewegt, Zweifel und Verwirrung, du weißt nun einmal die Wahrheit, deine Mutter selbst hat es gewollt, und es gibt für dich keine Möglichkeit mehr, zu vergessen, daß du mein Sohn bist.

      Felix. Ihr Sohn . . . – Es ist nichts als ein Wort. Es klingt ins Leere. – Ich sehe Sie an, ich weiß es, aber ich erfass' es nicht.

      Julian. Felix! –

      Felix. Sie sind mir ein Fremder geworden, seit ich es weiß. Er wendet sich ab.

      Vorhang.

      Vierter Akt

       Inhaltsverzeichnis

      Garten im Hause des Herrn von Sala. Links das weiße ebenerdige Haus, mit breiter Terrasse, von der sechs Steinstufen in den Garten herabführen. Von der Terrasse führt eine breite Glastüre in den Salon. Im Vordergrund ein kleiner Teich, im Halbkreis herum eine kleine Baumanlage. Eine Allee läuft von hier aus schief nach rechts bin. Am Beginn dieser Allee, dem Teich nahe, zwei Säulen. Auf diesen Säulen die Marmorbüsten von zwei römischen Kaisern. Eine steinerne Bank mit Lehne halbkreisförmig, rechts vom Teich, unter Bäumen. Rückwärts schimmert das Gitter durch das dünn gewordene Gesträuch. Hinter dem Gitter Wald, rötlich belaubt, mäßig ansteigend. Blaßblauer Herbsthimmel. Stille. – Die Szene einige Augenblicke leer.

      Erste Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Von der Terrasse aus treten auf Sala und Johanna. Johanna schwarz gekleidet, Sala in grauem Anzug, dunklen Überzieher um die Schulter geworfen. – Sie gehen langsam die Treppe hinab.

      Sala. Es wird dir ein wenig kühl sein. Er macht ein paar Schritte ins Zimmer zurück, nimmt ein Cape, das dort bereit lag, legt es Johanna um die Schultern. Sie kommen allmählich in den Garten herab.

      Johanna. Weißt du, was ich mir einbilde? . . . Daß dieser Tag heute unser Tag ist – uns gehört, uns ganz allein. Wir haben ihn gerufen, und wenn wir wollten, könnten wir ihn halten . . . Die andern Menschen wohnen heute nur wie zu Gast in der Welt. Nicht wahr? . . . Es kommt wohl daher, daß du einmal von diesem Tag gesprochen hast.

      Sala. Von diesem –?

      Johanna. Ja . . . als die Mutter noch lebte . . . Und nun ist er wirklich da. Die Blätter sind rot, der goldene Dunst liegt über den Wäldern, der Himmel ist blaß und fern, – und der Tag ist noch viel schöner und trauriger, als ich ihn je hätte ahnen können. Und ich erlebe ihn in deinem Garten und spiegle mich in deinem Teich. Sie steht dort und blickt hinab. Und doch werden wir ihn so wenig halten können, diesen goldenen Tag, als das Wasser hier mein Bild behalten wird, wenn ich gehe.

      Sala. Sonderbar, in dieser klaren, lauen Luft weht doch schon eine Ahnung von Winter und Schnee.

      Johanna. Was kümmert's dich? Wenn diese Ahnung hier Wahrheit wird, bist du längst in einem andern Frühling.

      Sala. Wie meinst du das?

      Johanna. Nun, dort wo ihr hingeht, gibt's doch wohl keinen Winter wie bei uns.

      Sala nachdenklich. Nein, keinen Winter wie bei uns. Pause. Und du?

      Johanna. Ich –?

      Sala. Ich meine, wenn ich nun fort bin, was wirst du tun?

      Johanna. Wenn du fort bist –? Sie betrachtet ihn. Er schaut in die Ferne. Warst du nicht lange fort von mir? Und bist du's nicht am Ende auch in diesem Augenblick?

      Sala. Was sprichst du denn da? Ich bin bei dir . . . Was wirst du tun, Johanna?

      Johanna. Ich habe dir's ja schon gesagt: Fortgehen – wie du.

      Sala schüttelt den Kopf.

      Johanna. So bald als möglich. Jetzt hab' ich noch den Mut dazu. Wer weiß, was später aus mir wird, wenn ich hierbleibe.

      Sala. Solang man jung ist, stehen alle Türen offen, und vor jeder Türe fängt die Welt an.

      Johanna. Aber erst, wenn man an niemandem hängt, ist die Welt weit und der Himmel unendlich. Und darum will ich fort.

      Sala. Fort – das sagt sich so leicht. Dazu braucht es doch Vorbereitungen aller Art und irgend einen Plan. Du sprichst aber dieses Wort aus, als wenn du dir nur Flügel anzulegen brauchtest, um in die Ferne zu fliegen.

      Johanna. Entschlossen sein – heißt auch Flügel haben.

      Sala. Hast du gar keine Angst, Johanna?

      Johanna. Eine Sehnsucht ohne Angst, das wäre eine wohlfeile Sehnsucht, der man gar nicht wert wäre.

      Sala. Wohin wird sie dich führen?

      Johanna. Ich werde meinen Weg finden.

      Sala. Man kann sich den Weg wählen, aber nicht die Menschen, denen man begegnet.

      Johanna. Denkst du, ich weiß nicht, daß es mir nicht bestimmt sein kann, nur Schönes zu erleben? Auch Häßliches, auch Gemeines steht mir bevor.

      Sala. Und wie wirst du es tragen? . . . Wirst du es ertragen können?

      Johanna.

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