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      Snow zog die Sturmhaube über sein Gesicht und wartete eine weitere Minute. Stille. Kein Licht, keine Hunde, keine Rufe, keine Schüsse. Vorsichtig schlich er an der Wand entlang, bis er um die Ecke spähen konnte. Er schloss seine Hand um den Griff seiner SIG und zog sie aus der Tasche. Snow holte mehrmals tief Luft, füllte seine Lunge mit Sauerstoff und überquerte geräuschlos den Hof. An der Scheune angelangt drückte er gegen die Tür. Sie öffnete sich ein Stückchen und er trat hinein. Die Beobachter hätten ihn informiert, wenn jemand in der Scheune gewesen wäre, aber Snow ging kein Risiko ein. Mit beiden Händen schwang er seine SIG von links nach rechts, während seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Er konnte Umrisse erkennen, ein paar Heuballen lagen quer über den Boden verstreut und an der Rückwand der Scheune.

      Dann wurde es plötzlich laut. In seinem Ohr erklang eine Warnung, als zwei Paar Füße auf dem Beton trappelten. Snow hatte lediglich Sekunden, um zu reagieren. Er stürzte hinter einen Heuballen und machte sich auf dem Boden lang. Seine SIG war in seiner rechten Hand, die linke auf den Boden gestützt, um sich wegrollen zu können.

      »Kelly! Kelly! Würd’st du mal zurückkommen?«

      Die Scheunentür ging auf und eine Gestalt stand an der Schwelle. Eine zweite Person erschien daneben und sprach mit schwerer Zunge. »Ich fand’s nur fair, weißt du, Kelly. Ich mein’, wenn rauskommt, was wir hier aufbewahren. Unser Ruf wär’ total im Eimer!«

      »Wir sollten diese SAS-Schweine einfach in ‘ne Falle locken.«

      Kellys Atem war laut und unregelmäßig. »Ich will nur nochmal nachsehen.«

      »Würd’st du mal aufhören, wegen des Plans rumzupiensen? Die Eisen sind sicher, die laufen schon nicht weg. Komm zurück ins Haus, trink noch einen.«

      Die Tür ging wieder zu und beide Männer stolperten davon. Snow wartete bewegungslos. Etwas zischte in seinem Ohr: »Sauber.«

      Snow rappelte sich auf und ging in die Hocke. Er wartete und lauschte, bevor er die Scheune weiter durchsuchte. Er steckte seine SIG weg, zog die Maglite hervor und leuchtete in der Dunkelheit umher. Das Klebeband über der Linse sorgte für einen schmalen, konzentrierten Lichtstrahl. Plötzlich erspähte er die Reflexion der glänzenden Plane. Mit Schweiß in den Augen suchte er die Umgebung sorgfältig nach Stolperdrähten und anderen Fallen ab. Nach kurzer Vergewisserung hob er die Abdeckung und sah drei Pakete, zwei lange und ein ziegelsteingroßes, jedes davon in schweres Tuch gewickelt. Der unverwechselbare Geruch von Waffenöl lag in der Luft. Langsam wickelte er ein Päckchen aus, bis er sich sicher war, dass es sich um ein AK-47 Sturmgewehr handelte. Snow fotografierte die Waffe, bevor er sie wieder einwickelte, und wiederholte die Prozedur mit dem zweiten Päckchen. Es hatte den gleichen Inhalt. Als er das dritte Päckchen öffnete, attackierte der verräterische marzipanähnliche Geruch von Semtex seine Nase.

      Minuten später waren alle drei Pakete wieder unter der Plane und sahen aus, als wären sie nie berührt worden. Snow fotografierte den Rest der Scheune, um die Position der Plane zu dokumentieren, bevor er seine Sendetaste dreimal betätigte.

      »Alles frei zum Abzug«, antwortete eine Stimme.

      Snow drückte die Taste einmal als Antwort und ging denselben Weg zurück und aus der Scheune heraus. Nun konnte er ein schwaches Licht aus dem tiefen Inneren des Hauses erkennen, das unter einem Fensterrollo in der Küche hervordrang.

      Mit Blick auf die Hintertür ergriff er seine SIG und überquerte den Hof. Er erreichte die Schatten an der Hauswand, blieb kurz stehen, um seine Sturmhaube abzunehmen, und schwang sich wieder über die Mauer. Zurück auf dem Zufahrtsweg begab er sich bergauf zum Auto. Er fühlte sich ungeschützt wie eine leuchtende Zielscheibe, aber es passierte nichts. Der Wind nahm langsam zu, und als er die Hügelkuppe erreichte, hatte es angefangen zu nieseln. Er hörte einen Pfiff und sah nach rechts, wo Paddy Fox zwischen den Bäumen am Straßenrand hervortrat.

      »Ein Kinderspiel, Junge. Babyleicht.«

       Palace Kaserne, Holywood, Nordirland

      Das Besprechungszimmer der Vierzehnten beinhaltete mehrere Stuhlreihen, die vor einem Whiteboard angeordnet waren. Snow und Fox saßen vorn, Gord und Napp, die beiden Männer aus dem Sierra, eine Reihe dahinter. Snow nippte an seinem Kaffee aus dem Automaten. Er war lauwarm und schmeckte ganz leicht nach Rinderbrühe.

      Der Raum erinnerte ihn an ein Klassenzimmer, aber anstelle eines Lehrers sahen sie sich Mary O’Connor gegenüber, einer Offizierin des Vierzehnten, und eines SAS-Captains namens Lancing. Er war prinzipiell ihr Vorgesetzter, aber O’Connor hatte klargestellt, dass sie das Sagen hatte, solange sie für ihre geheime Spezialeinheit arbeiteten. Man hatte O’Connor den Spitznamen »Maggie« verpasst, in Anlehnung an dir frühere Premierministerin und aufgrund ihrer fehlenden Sozialkompetenzen.

      An diesem Morgen jedoch konnte ihre eiserne Maske nicht die roten Augen und den blassen Teint verbergen. Unter dem Eindruck, dass etwas nicht in Ordnung war, blieb das Team ungewöhnlich ruhig und wartete darauf, dass sie sprach.

      »Unsere Operation letzte Nacht hat ein Resultat erzielt. Wir konnten die Existenz des Waffenlagers bestehend aus zwei AK-47 und Semtex bestätigen und vermuten eine lybische Herkunft.« Sie griff nach einem Glas Wasser. Es zitterte leicht in ihrer Hand, als sie daraus trank. »Als die RUC zwecks Durchsuchung und Festnahmen anrückte, war alles verschwunden.«

      »Na toll!« Fox rollte mit den Augen.

      »Paddy, nicht jetzt«, sagte Lancing mit fester Stimme. »Bitte fahren Sie fort, Lieutenant.«

      O’Connor räusperte sich. »Die RUC wurde beschossen und das Feuer wurde erwidert. Ein Verdächtiger wurde verwundet, zwei weitere sind entkommen. Schlimmer war jedoch, was man in der Scheune gefunden hat.« Sie hielt inne und nahm einen weiteren Schluck. »Statt der Kalaschnikows war eine Leiche unter der Plane. Er war einer unserer Informanten. Sein Name war Sean Fannon. Ich war sein Führungsoffizier. Es waren Seans Informationen gewesen, die zur Entdeckung der Waffen geführt haben. Er war unser hochrangigster Informant in der South Armagh Brigade und unser Spitzel in McCrackens Gruppe.« O’Connor senkte den Blick und füllte zitternd ihr Glas auf.

      Es herrschte respektvolle Stille, die Lancing schließlich durchbrach. »Fannon war einer der vier im Haus, neben McCracken, Grew und dem verwundeten Verdächtigen – Kelly Dermott.«

      »Die gesamte Operation war von vornherein gefährdet. Wir hätten einfach die Waffen und den Sprengstoff einsacken und selbst einliefern sollen«, stellte Gord mit seinem cornischen Akzent fest.

      »Seh’ ich auch so.« Fox war unverblümt. »Hat Dermott schon gesungen?«

      O’Connor schüttelte den Kopf.

      »Lass mich fünf Minuten mit ihm allein.«

      »Paddy!«, ermahnte Lancing. »So nicht. Abgesehen davon wird er noch operiert.«

      Fox ignorierte Lancings Ton. »Was hat Fannon verraten? Wo ist die undichte Stelle?«

      »Wir wissen nicht, ob es eine gibt.« O’Connor hatte ihre Fassung zurückerlangt. »Es könnte alles Mögliche sein. Wir haben allerdings neue Informationen. Ein Anruf zu einer Nummer, die überwacht wurde, bestätigte, dass McCrackens Gruppe die Waffen in einem Mordversuch an Liam Taylor benutzen wollte.«

      »Fantastisch.« Napp schloss die Augen und seufzte.

      »Wer?«, fragte Snow ahnungslos.

      »Taylor ist ein Aktivist der Loyalisten. Er hat die IRA herausgefordert, um etwas zu beweisen.«

      »Danke.« Snow nickte dem Lieutenant zu.

      O’Connor fuhr fort. »Taylor ist sich der Situation nicht bewusst und dabei wollen wir es belassen. Angesichts seiner Position würde er an die Öffentlichkeit gehen. Wir alle wissen, dass die zusätzliche Medienberichterstattung beiden Seiten nur mehr Freiwillige einbrächte.«

      »Wir sollten an Taylors Frau und Kinder denken und nicht an die verdammten Medien«, knurrte Fox.

      »Wissen wir, wo und wann sie es auf Taylor abgesehen haben?«,

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