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schon nach dem Süden gezogen waren.

      »Dort ist eine nie zufrierende Stelle,« flüsterte Jagienka, »wo sich Enten aufhalten. Aber auch der See gefriert selbst bei der größten Kälte nur längs des Ufers. Sieh nur, welch ein Dunst hier aufsteigt.«

      Zbyszko schaute durch das Gestrüpp. Sein Blick fiel auf eine graue Nebelwand, die den See vor ihren Blicken verbarg.

      Abermals legte Jagienka den Finger auf den Mund; schon nach wenigen Sekunden hatten sie ihr Ziel erreicht. Behutsam kroch das Mädchen unter eine alte Weide, deren Aeste fast in das Wasser hingen. Zbyszko folgte dem Beispiele Jagienkas. Geraume Zeit hindurch verhielten sich die beiden völlig still. Durch den dichten Nebel vermochten sie nichts zu unterscheiden, nur über ihren Köpfen ertönte in regelmäßigen Zwischenräumen das klagende Piepen der Kiebitze. Schließlich jedoch erhob sich ein Wind; die Gesträuche, das gelb gefärbte Laub der Weiden rauschten, der Nebelschleier senkte sich langsam und die leicht bewegte, völlig verödete Oberfläche des Sees ward sichtbar.

      »Ist nichts zu sehen?« flüsterte Zbyszko.

      »Nichts. Verhalte Dich ruhig!«

      Der Luftzug ließ jedoch bald wieder nach, eine tiefe Stille trat ein. Da mit einem Male zeigte sich auf der Oberfläche des Wassers ein dunkler Kopf, ein zweiter ward sichtbar und endlich, endlich tauchte ganz in der Nähe der Lauernden ein großer Biber, einen frischgebrochenen Zweig im Maule, vom Ufer ins Wasser. Die Schnauze in die Höhe haltend, den Zweig mit sich ziehend, schwamm er zwischen den Wasserlinsen und den Enten umher. Zbyszko, der näher am Stamm lag als Jagienka, bemerkte plötzlich, wie diese vorsichtig den Arm hob und das Haupt weit vorsteckte: augenscheinlich zielte sie auf das Tier, welches, die Gefahr nicht ahnend, die es bedrohte, kaum einen Pfeilschuß von dem kahlen Ufer entfernt, hin und her schwamm.

      Da schwirrte die Sehne einer Armbrust und gleichzeitig ertönte der Ruf Jagienkas: »Wir haben ihn, wir haben ihn!«

      Zbyszko fuhr blitzesschnell empor und blickte durch die Aeste auf das Wasser: der Biber tauchte unter, erschien wieder auf der Oberfläche und zeigte, sich überschlagend, seinen hellen glänzenden Bauch.

      »Gut getroffen! Bald wird es aus sein!« sagte Jagienka.

      Und sie hatte Recht, die Bewegungen des Tieres wurden immer matter und matter, so daß es nach Verlauf eines Vaterunsers leblos auf dem Rücken lag.

      »Ich hole ihn!« rief nun Zbyszko.

      »Nein, das geht nicht. Hier am Ufer ist der Morast unermeßlich tief. Wer die gangbaren Stellen nicht genau kennt, versinkt unrettbar.«

      »Wie sollen wir aber das Tier bekommen?«

      »Schon am Abend wird es in Bogdaniec sein. Zerbrich Dir Deinen Kopf nicht darüber. Für uns aber ist es Zeit zur Heimkehr.«

      »Du hast aber gut gezielt!«

      »Bah, das ist nicht der erste!«

      »Andere Mädchen fürchten sich sogar davor, die Armbrust anzusehen, aber mit Dir möchte ich mich das ganze Leben hindurch im Walde umhertreiben!«

      Als Jagienka dies Lob vernahm, errötete sie vor Freude, allein sie erwiderte nichts, sondern schlug sofort den Rückweg durch das Gestrüpp ein. Zbyszko stellte allerlei Fragen über die Baue der Biber, Jagienka aber erzählte ihm, daß sowohl in Moczydoly wie in Zgorzelic unendlich viele Biber seien und wie diese Tiere auf den Hügeln, auf allen Wegen herumschwärmten.

      Plötzlich griff sie mit der Hand an die Seite. »Ach!« rief sie, »nun habe ich meine Pfeile an jener Weide zurückgelassen. Warte einen Augenblick!«

      Und ehe er antworten konnte, daß er zurückgehen wolle, sprang sie wie ein Reh davon, so daß sie in wenigen Minuten seinen Augen entschwunden war. Der junge Ritter wartete und wartete; er vermochte sich nicht auszudenken, weshalb sie solange nicht zurückkehrte.

      »Vielleicht hat sie einen Pfeil nach dem andern verloren und muß jeden einzelnen suchen,« sagte er sich, »doch am besten ist’s, ich folge ihr nach. Es könnte ihr etwas zugestoßen sein.«

      Kaum war er indessen einige Schritte gegangen, als das Mädchen vor ihm stand, die Armbrust in der Hand, lachend, mit geröteten Wangen, den Biber über den Schultern.

      »Um Gottes willen!« rief Zbyszko. »Wie hast Du das Tier herausgezogen?«

      »Wie? Ich kroch ins Wasser, das ist alles! Für mich ist dies nicht das erste Mal gewesen; Dich aber wollte ich es nicht thun lassen, weil Du die gangbaren Stellen nicht kennst.«

      »Und ich wartete hier wie ein rechter Tölpel! Welch schlaues Mädchen Du bist!«

      »Nun, was hätte ich sonst thun sollen?«

      »So hast Du die Pfeile gar nicht liegen lassen?«

      »Ach nein, ich wollte Dich nur vom Ufer fern halten.«

      Aber um dem Gespräche eine andere Wendung zu geben, sagte sie gleich: »Winde meine Zöpfe aus, denn ich fühle die Nässe, bis auf die Haut.«

      Der Jüngling ergriff mit der einen Hand die Zöpfe, mit der andern preßte er das Wasser heraus, indem er sagte: »Am besten wäre es, sie aufzuflechten, dann würde sie der Wind rasch trocknen.«

      Davon wollte sie jedoch nichts wissen. Sie fürchtete das Gestrüpp, durch welches ihr Weg führte. Zbyszko trug jetzt den Biber über der Schulter, Jagienka schritt voraus.

      »Nun wird Macko rasch gesunden,« erklärte sie. »Es giebt nichts Besseres, als das Bärenfett als innerliches Heilmittel und das Biberfett, um es auf die Wunden zu legen. Schon nach zwei Wochen wird er wieder zu Pferde steigen können.«

      »Das gebe Gott!« entgegnete Zbyszko. »Darauf harre ich schon längst wie auf eine Erlösung. Den Kranken wollte ich nicht verlassen, und doch verdrießt es mich, hier sitzen zu müssen.«

      »Es verdrießt Dich, hier sitzen zu müssen?« fragte Jagienka. »Weshalb denn?«

      »So hat Dir Zych nichts von Danusia gesagt?«

      »Wohl hat er mir von ihr erzählt. Ich weiß, sie hat Dich mit ihrem Schleier umhüllt. Ich weiß es. Er sagte mir auch, jeder Ritter müsse gewisse Gelöbnisse erfüllen, wolle er seiner Herrin in Treue dienen. Doch er behauptete, das sei von keiner Bedeutung … ein solches Gelöbnis … weil zuweilen sogar verheiratete Männer irgend einer Herrin dienen. Und mit Danusia, Zbyszko, wie ist’s mit ihr? Sprich! Wie ist’s mit Danusia?«

      Bei diesen Worten trat sie ganz nahe auf ihn zu und schaute ihm mit großen, angstvollen Augen prüfend in das Antlitz. Ohne sich jedoch irgend welchen Gedanken über die zaghafte Stimme des Mädchens, über dessen erschreckten Blick zu machen, entgegnete der junge Ritter: »Danusia ist nicht nur meine Herrin, sondern sie ist mir die Liebste auf der ganzen Welt. Noch mit keinem Menschen habe ich darüber gesprochen, Dir aber sage ich es, denn Dich betrachte ich wie meine Schwester, kennen wir uns doch von Kindheit auf. Um Danusias willen ginge ich über neun Flüsse und über neun Meere, zu den Deutschen und zu den Tataren, denn eine zweite wie sie giebt es nicht mehr auf der ganzen Welt. Möge der Ohm in Bogdaniec bleiben, mich treibt es zu ihr … Was ist mir Bogdaniec ohne die Geliebte, was gilt mir aller Viehstand, Hab und Gut, was gilt mir der Reichtum des Abtes ohne sie? Das Roß besteige ich nun und ziehe in den Krieg, und so mir Gott beisteht, erfülle ich mein Gelöbnis, es sei denn, daß ich zuvor selbst darniedergeworfen werde.«

      »Das alles wußte ich nicht …« warf Jagienka fast tonlos ein.

      Zbyszko aber begann ihr nun zu erzählen, wie er in Tyniec zum ersten Male Danusia gesehen und wie er sich sofort ihrem Dienste geweiht habe. Alles berichtete er dann, was hierauf geschehen war, er sprach von seiner Gefangennahme, von seiner Rettung durch Danusia, von Jurands abweisendem Ausspruch, von dem Abschiede, von der ihn verzehrenden Sehnsucht und schließlich von der unaussprechlichen Freude darüber, daß ihn nach Mackos Gesundung nichts mehr davon abhalte, zu der Geliebten zu wandern und das Gelöbnis zu erfüllen, das er abgelegt hatte. Mittlerweile waren sie wieder an dem Waldessaum und an der Stelle angelangt, wo der Knecht mit den Pferden ihrer harrte.

      Jagienka

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