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Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд
Читать онлайн.Название Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde
Год выпуска 0
isbn 9788027225644
Автор произведения Оскар Уайльд
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Mit irgendeiner kleinen Schauspielerin.«
»Ich kann's nicht glauben. Dorian ist viel zu verständig.«
»Dorian ist viel zu klug, um nicht von Zeit zu Zeit verrückte Sachen zu begehen, lieber Basil.«
»Heiraten ist kaum eine Sache, die man von Zeit zu Zeit tun kann, Harry.«
»Außer in Amerika«, erwiderte Lord Henry nachlässig. »Aber ich habe ja nicht gesagt, daß er verheiratet sei. Ich sagte, er sei verlobt. Das ist ein großer Unterschied. Ich erinnere mich ganz deutlich, verheiratet zu sein, aber ich kann mich nicht erinnern, verlobt gewesen zu sein. Ich glaube fast, daß ich mich nie verlobt habe.«
»Aber überlege doch Dorians Geburt, seine Stellung, sein Vermögen. Es wäre sinnlos, wenn er so tief unter seinem Stande heiraten würde.«
»Wenn du willst, daß er dies Mädchen heiratet, so brauchst du ihm das nur zu sagen, Basil. Dann tut er's gewiß. Wenn ein Mann etwas auserlesen Dummes tut, tut er's immer aus den edelsten Beweggründen.«
»Ich hoffe, es ist ein gutes Mädchen, Harry. Ich möchte Dorian nicht an irgendein gewöhnliches Wesen gefesselt sehen, das ihn herabzieht und seinen Geist verdirbt.«
»Oh, sie ist mehr als gut – sie ist schön«, sagte Lord Henry und nippte an einem Glas Wermut mit Pomeranzen. »Dorian sagt, sie ist schön, und in Dingen dieser Art irrt er nicht häufig. Sein Bild von ihm hat sein Urteil über die äußere Erscheinung anderer Menschen geschärft. Es hat unter anderem diesen glänzenden Erfolg gezeigt. Wir sollen sie heute abend sehen, wenn der Junge seine Abmachung nicht vergißt.«
»Ist das dein Ernst?«
»Vollständig, Basil. Es würde schlimm für mich sein, wenn ich je im Leben ernsthafter sein müßte als jetzt.«
»Aber billigst du es denn, Harry?« fragte der Maler, der im Zimmer auf und ab ging und sich auf die Lippen biß. »Du kannst es doch ganz unmöglich billigen. Es ist eine törichte Verblendung.«
»Ich billige oder mißbillige nie wieder etwas. Sowas bringt einen in eine ganz verrückte Stellungnahme zum Leben. Wir sind nicht in die Welt geschickt worden, um unsere moralischen Vorurteile glänzen zu lassen. Ich nehme nie Notiz von dem, was gewöhnliche Leute sagen, und ich mische mich nie in Dinge, die reizende Leute vorhaben. Wenn mich eine Persönlichkeit fesselt, dann ist jede Ausdrucksform, die sich diese Persönlichkeit aussucht, für mich erfreulich. Dorian Gray verliebt sich in ein schönes Mädchen, das die Julia spielt, und will sie heiraten. Warum nicht? Wenn er Messalina heiraten wollte, würde er nicht weniger interessant sein. Du weißt, ich bin kein Eheapostel. Der eigentliche Nachteil der Ehe ist, daß man selbstlos wird. Und selbstlose Menschen sind farblos. Sie werden unpersönlich. Jedoch gibt es gewisse Temperamente, die durch die Ehe komplizierter werden. Sie behalten ihren Egoismus und erweitern ihn durch eine Reihe anderer Ichs. Sie sehen sich gezwungen, mehr als ein einzelnes Leben zu führen. Sie werden feiner organisiert, und feiner organisiert zu werden, scheint mir der Zweck des menschlichen Lebens. Überdies hat jede Erfahrung ihren Wert, und was man auch gegen die Ehe sagen kann, eine Erfahrung ist sie sicher. Ich hoffe, Dorian Gray wird dies Mädchen heiraten, wird sie sechs Monate hindurch leidenschaftlich anbeten, und dann wird ihn plötzlich eine andere anziehen. Es wäre prachtvoll, das zu beobachten.«
»Du glaubst kein einziges Wort von alledem, Harry; und das weißt du auch. Wenn Dorian Grays Leben zerstört würde, wäre kein Mensch trauriger als du. Du bist viel besser, als du vorgibst.«
Lord Henry lachte. »Der Grund, weshalb wir alle so gut von anderen denken, ist der, daß wir alle Angst vor uns selber haben. Die Grundlage des Optimismus ist nichts als Furcht. Wir halten uns für großherzig, weil wir unserem Nachbar Tugenden zuschreiben, aus denen für uns ein Nutzen erwachsen könnte. Wir rühmen den Bankier, damit wir unser Konto überschreiten können, und finden im Buschklepper gute Eigenschaften in der Hoffnung, daß er unseren Geldbeutel verschonen wird. Ich glaube jedes Wort, das ich gesprochen habe. Ich habe die größte Verachtung für den Optimismus. Was das zerstörte Leben betrifft, so ist kein Leben zerstört, dessen Wachstum nicht gehemmt wird. Wenn man eine Persönlichkeit verderben will, braucht man sie nur zu verbessern. Die Ehe allerdings ist eine Narretei, aber es gibt andere und interessantere Bande zwischen Mann und Frau. Natürlich würde ich dazu eher raten. Sie haben den Reiz, fashionabel zu sein. Aber da ist Dorian selbst. Er wird dir mehr sagen, als ich es kann.«
»Lieber Harry, lieber Basil, ihr müßt mir beide Glück wünschen«, sagte der Jüngling, während er den Abendmantel mit den atlasgefütterten Flügeln abwarf und den Freunden die Hand schüttelte. »Ich war niemals so selig. Natürlich ist alles plötzlich gekommen; alles Entzückende kommt plötzlich. Und doch scheint es das einzige gewesen zu sein, wonach ich mein Leben lang auf der Suche war.« Er glühte vor Aufregung und Freude und sah außerordentlich hübsch aus.
»Ich hoffe, du wirst immer sehr glücklich sein, Dorian,« sagte Hallward, »aber ich kann es dir nicht ganz verzeihen, daß du mir deine Verlobung nicht mitgeteilt hast. Harry hast du es mitgeteilt.«
»Und ich kann es dir nicht verzeihen, daß du zu spät kommst«, fiel Lord Henry lächelnd ein und legte seine Hand auf die Schulter des jungen Mannes. »Komm, wir wollen uns setzen und versuchen, was der neue Chef hier kann, und dann erzählst du uns, wie alles gekommen ist.«
»Da ist wirklich nicht viel zu erzählen!« rief Dorian, als sie sich um den kleinen Tisch gesetzt hatten. »Was geschah, war einfach so. Als ich dich gestern abend verließ, Harry, zog ich mich an, aß in dem kleinen italienischen Restaurant in Rupert Street, das ich durch dich kennengelernt habe, und ging um acht Uhr ins Theater. Sibyl spielte die Rosalinde. Natürlich war die Dekoration greulich und der Orlando zum Lachen. Aber Sibyl! Ihr hättet sie sehen sollen. Als sie in ihren Knabenkleidern auftrat, war sie einfach wunderbar. Sie trug ein moosgrünes Samtwams mit zimtbraunen Ärmeln, eine kurze, braune, überm Knie kreuzweise geschnürte Hose, ein reizendes grünes Barett mit einer Falkenfeder, die von einem funkelnden Stein gehalten wurde, und war in einen dunkelrot gefütterten Kapuzenmantel gehüllt. Sie war mir nie schöner vorgekommen. Sie hatte all die zarte Grazie der Tanagrafigur, die du in deinem Atelier hast, Basil. Das Haar schlang sich um ihr Gesicht wie dunkles Laub um eine blasse Rose. Und ihr Spiel – nun, ihr werdet sie heute abend sehen. Sie ist eben eine geborene Künstlerin. Ich saß ganz verzaubert in der schmierigen Loge. Ich vergaß, daß ich in London war und im neunzehnten Jahrhundert lebte. Ich war mit meiner Geliebten weit fort in einem Wald, den noch kein Menschenauge gesehen hatte. Nach der Vorstellung ging ich hinter die Bühne und sprach mit ihr. Als wir nebeneinander saßen, trat plötzlich ein Ausdruck in ihre Augen, den ich nie vorher gesehen hatte. Meine Lippen fühlten sich zu ihr hingezogen. Wir küßten uns beide. Ich kann euch nicht beschreiben, was ich in dem Augenblick gefühlt habe. Mir schien, daß all mein Leben in einen vollkommenen Moment rosenfarbiger Wonne zusammengepreßt wäre. Sie zitterte am ganzen Leibe und bebte wie eine weiße Narzisse. Dann warf sie sich auf die Knie und küßte meine Hände. Ich weiß, ich sollte euch das alles nicht erzählen, aber ich kann mir nicht helfen. Natürlich ist unsere Verlobung tiefstes Geheimnis. Sie hat nicht einmal zu ihrer Mutter davon gesprochen. Ich weiß nicht, was meine Vormünder dazu sagen werden. Lord Radley wird sicher wütend sein. Ist mir ganz gleich. In weniger als einem Jahre bin ich volljährig und kann dann machen, was ich will. Hatte ich nicht recht, Basil, meine Geliebte aus dem Reich der Dichtung wegzuholen und meine Frau in Shakespeares Stücken zu finden? Lippen, die Shakespeare reden gelehrt hat, haben mir ihr Geheimnis ins Ohr geflüstert. Rosalindens Arme lagen um meinen Hals, und ich habe Julia auf den Mund geküßt.«
»Ja, Dorian, ich glaube, du tatest recht«, sagte Hallward langsam.
»Hast du sie heute schon gesehen?« fragte Lord Henry.
Dorian Gray schüttelte den Kopf. »Ich verließ sie im Ardennenwald und werde sie in einem Garten von Verona wiederfinden.«
Lord Henry schlürfte nachdenklich seinen Champagner. »In welchem Augenblick hast du von Heirat gesprochen, Dorian? Und was erwiderte sie darauf? Vielleicht hast du das schon ganz vergessen.«
»Lieber Harry, ich habe es nicht als Geschäft behandelt