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Sie mir eine Moralpredigt halten?«

      »Das könnte nichts schaden!«

      Sie wurde feig und legte sich aufs Bitten. Dabei ging sie so weit, daß sie den Händler mit ihrer schmalen weißen Hand berührte.

      »Lassen Sie mich zufrieden!« wehrte er ab. »Am Ende wollen Sie mich gar noch verführen!«

      »Sie sind ein gemeiner Mensch!« rief sie aus.

      »Na, na!« lachte er. »Werden Sie nur nicht gleich ungnädig!«

      »Ich werde allen Leuten erzählen, was für ein Mensch Sie sind! Ich werde meinem Manne sagen….«

      »Und ich werde Ihrem Manne was zeigen….«

      Er entnahm seinem Geldschranke Emmas Empfangsbestätigung der Summe für das verkaufte Grundstück.

      »Glauben Sie, daß er das nicht für einen kleinen Diebstahl halten wird, der arme gute Mann?«

      Sie brach zusammen, wie von einem Keulenschlage getroffen. Lheureux lief zwischen seinem Schreibtisch und dem Fenster hin und her und sagte immer wieder:

      »Jawohl, das zeig ich ihm … das zeig ich ihm….«

      Plötzlich trat er vor Emma hin und sagte in wieder friedlichem Tone:

      »‘s ist grade kein Vergnügen – das weiß ich wohl! – aber es ist noch niemand dran gestorben, und da es der einzige Weg ist, der Ihnen bleibt, um mich zu bezahlen….«

      »Aber wo soll ich denn das viele Geld hernehmen?« jammerte Emma und rang die Hände.

      »Na, wenn man Freunde hat wie Sie!«

      Er sah sie scharf und so tückisch an, daß ihr dieser Blick durch Mark und Bein ging.

      »Ich will Ihnen einen neuen Wechsel geben….«

      »Danke! Habe genug von den alten!«

      »Könnte ich nicht was verkaufen?«

      »Was denn?« fragte er achselzuckend. »Sie besitzen doch gar nichts!« Dann rief er durch das kleine Schiebfensterchen in seinen Laden hinein: »Anna, vergiß nicht die drei Stück Tuch Nummer vierzehn!«

      Das Mädchen trat ein. Emma begriff, was das heißen sollte. Sie machte einen letzten Versuch.

      »Wieviel Geld wäre dazu nötig, die Zwangsvollstreckung aufzuhalten?«

      »Es ist schon zu spät!« antwortete Lheureux.

      »Wenn ich nun aber ein paar Tausend Franken brächte? Ein Viertel der Summe?… Ein Drittel?… Und noch mehr?«

      »Das hätte alles keinen Zweck!«

      Er drängte sie sanft dem Auslange zu.

      »Ich beschwöre Sie, bester Herr Lheureux! Nur ein paar Tage Zeit!«

      Sie schluchzte.

      »Donnerwetter! Gar noch Tränen!«

      »Sie bringen mich zur Verzweiflung!« jammerte sie.

      »Mir auch egal!«

      Er machte die Türe zu.

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Mit stoischem Gleichmut empfing Emma am andern Tage den Gerichtsvollzieher Hareng und seine zwei Zeugen, als sie sich einstellten, um das Pfändungsprotokoll aufzusetzen.

      Sie begannen in Bovarys Sprechzimmer. Den phrenologischen Schädel schrieben sie indessen nicht mit in das Sachenverzeichnis. Sie erklärten ihn als zur Berufsausübung nötig. Aber in der Küche zählten sie die Schüsseln, Töpfe, Stühle und Leuchter, und in ihrem Schlafzimmer die Nippsachen auf dem Wandbrette. Sie durchstöberten ihren Kleidervorrat, ihre Wäsche. Sogar der Klosettraum war vor ihnen nicht sicher. Emmas Existenz ward bis in die heimlichsten Einzelheiten – wie ein Leichnam in der Anatomie – den Blicken der drei Männer preisgegeben. Der Gerichtsvollzieher, der einen fadenscheinigen schwarzen Rock, eine weiße Krawatte und Stege an den straffen Beinkleidern trug, wiederholte immer wieder:

      »Sie erlauben, gnädige Frau! Sie erlauben!«

      Mitunter entfuhren ihm auch Worte wie:

      »Wunderhübsch! Sehr nett!«

      Gleich darauf aber schrieb er von neuem an seinem Verzeichnis, wobei er seinen Federhalter in sein Taschentintenfaß aus Horn tauchte, das er in der linken Hand hielt.

      Als man in den Wohnräumen fertig war, ging es hinauf in die Bodenkammern. Als der Gerichtsvollzieher ein Schreibpult bemerkte, in dem Rudolfs Briefe aufbewahrt waren, ordnete er an, daß es geöffnet werde.

      »Ah! Briefe!« meinte er, geheimnisvoll lächelnd. »Sie erlauben wohl! Ich muß mich nämlich überzeugen, ob nicht sonst noch was drinnen steckt!«

      Er blätterte die Bündel flüchtig durch, als sollten Goldstücke herausfallen. Emma war empört, als sie sah, wie seine plumpe rote Hand mit den molluskenhaften Fettfingern diese Blätter anfaßte, bei deren Empfang ihr Herz einst höher geschlagen hatte.

      Endlich gingen sie. Felicie kam zurück. Sie hatte den Auftrag gehabt, aufzupassen und Bovary vom Hause fernzuhalten. Den Beamten, der zur Beaufsichtigung der gepfändeten Gegenstände zurückblieb, quartierten sie hurtig in einer Bodenkammer ein.

      Karl schien an diesem Abend ernster denn sonst zu sein. Emma beobachtete ihn ängstlich. Es kam ihr vor, als stünden in den Falten seiner Stirn stumme Anklagen wider sie. Aber wenn ihre Blicke den chinesischen Ofenschirm streiften oder die breiten Gardinen oder die Lehnsessel, kurz alle die Dinge, mit denen sie sich die Armseligkeit ihres Lebens verschönt hatte, fühlte sie kaum einen Moment Reue, hingegen ein grenzenloses Mitleid mit sich selber, das ihre Wünsche eher noch anfachte als unterdrückte.

      Karl saß friedlich am Kamin und fühlte sich höchst behaglich. Einmal rumorte der Gerichtsdiener, der sich in seinem Käfige langweilte.

      »Ging da nicht oben einer?« fragte Karl.

      »Nein!« beschwichtigte sie ihn. »Da war wahrscheinlich ein Dachfenster offen, und der Wind hat es zugeschlagen.«

      Am andern Tag, einem Sonntag, fuhr sie früh nach Rouen, wo sie alle Bankiers aufsuchte, die sie dem Namen nach kannte. Die meisten waren auf dem Lande oder auf Reisen. Aber sie ließ sich nicht abschrecken und ging die Anwesenden um Geld an, indem sie beteuerte, sie brauche es und wolle es pünktlich zurückzahlen. Einige lachten ihr ins Gesicht. Alle wiesen sie ab.

      Um zwei Uhr lief sie zu Leo und klopfte an seiner Türe. Es öffnete niemand. Endlich kam er von der Straße her.

      »Was führt dich her?«

      »Störe ich dich?«

      »Nein … aber….«

      Er gestand, sein Wirt sähe es nicht gern, wenn man »Damen« bei sich empfinge.

      »Ich muß dich sprechen!« sagte sie.

      Da nahm er den Schlüssel, aber sie hinderte ihn am Aufschließen.

      »Nein! Nicht hier! Bei uns!«

      Sie gingen nach dem Boulogner Hof in ihr Zimmer.

      Emma trank zunächst ein großes Glas Wasser. Sie war ganz bleich. Dann sagte sie:

      »Leo, du wirst mir einen Dienst erweisen!«

      Sie faßte seine Hände, drückte sie fest und fügte hinzu:

      »Hör mal: ich brauche achttausend Franken!«

      »Du bist verrückt!«

      »Noch nicht!«

      Nun erzählte sie ihm rasch die Geschichte der Pfändung und klagte ihm ihre Notlage. Karl wisse von nichts; mit ihrer Schwiegermutter

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