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– he?«

      Das Mädchen auf dem Lager fuhr ruckhaft auf; Ni-kun-tha sah in ein Paar schreckgeweitete Augen.

      »Hört mich Johns Schwester?« fragte er wieder, gedämpft, mit kaum wahrnehmbarer Stimme.

      »Wer«, flüsterte das Mädchen, »wer spricht da?«

      »Freund!« raunte Ni-kun-tha, »Freund Johns vom Genesee.«

      Das Mädchen stieß einen leisen Schrei aus und schlug sich gleich darauf vor den Mund. Was war das? Unzweifelhaft war es ein Indianer, der da mit ihr sprach; sie hörte es an der Aussprache des Englischen. Eine List? Eine Falle?

      »Weiße Rose sehr vorsichtig«, flüsterte Ni-kun-tha. »Wenn die Ottawa erfahren, daß John und ein Freund hier – alles verloren.«

      Jetzt hatte das Mädchen – tatsächlich war es Mary Burns – erkannt, woher die Stimme kam. Sie schickte sich an, vom Lager herunterzuklettern. Ni-kun-tha zischte: »Weiße Rose dableiben, hinlegen, Hände vor das Gesicht legen und hören, was Freund sagt.«

      Wäre das denn möglich? Wäre es wirklich möglich? dachte Mary Burns. Aber sie folgte mehr instinktiv als bewußt den Anweisungen der Stimme, die jenseits der Zeltwand zu ihr sprach.

      »Kommen in der Nacht – Weiße Rose holen«, flüsterte die Stimme.

      »Wer – John?« flüsterte Mary zurück, »John Burns? Ist es wirklich wahr?«

      »Ganz wahr. John in der Nähe versteckt. Kommen später, Schwester holen.«

      »Mein Gott! Es wäre zu schön, es wäre –«; die Stimme ging in ein wildes Schlucken und Schluchzen über.

      »Weiße Rose hinlegen – tun als ob schlafen, aber wachen«, sagte von der Tipiwand her die ruhige Stimme. »Hören, wenn Eule schreit. Dann John da. – Pst!« zischte er gleich darauf; er hatte Schritte gehört.

      Mary, an allen Gliedern vor Aufregung bebend, sank auf das Lager zurück und bedeckte das Gesicht mit den Händen.

      Die alte Indianerin betrat das Tipi, sie hatte eine Rumflasche in der Hand. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die ihrer Wachsamkeit Anbefohlene und kauerte sich im Vordergrund nieder.

      Ni-kun-tha schlich davon. Im Dorf schien alles zu schlafen; nur an einem etwas abseits brennenden Feuer saßen zwei alte Männer vor einer Hütte und ließen den Rumbecher kreisen. Sie mochten das Feuerwasser bei ihrem Zuge nach dem Genesee erbeutet haben. Im weiten Bogen umging der Miami das Feuer. Er wollte eben den Umkreis des Dorfes verlassen, als er eine auf ihn zu torkelnde Gestalt bemerkte. An dem phantastisch aufgeputzten Kopfschmuck und an dem mit allerlei geheimnisvollen Zeichen bedeckten Mantel, der ihm über die Schulter hing, erkannte er, daß er den Medizinmann des Dorfes vor sich habe. Der weise Mann hatte offenbar dem brennenden Wasser zu reichlich zugesprochen, denn er schwankte erheblich, fuchtelte mit den Armen und fiel schließlich zu Boden, wo er regungslos liegen blieb. Ni-kun-tha, dicht an ihn herantretend, hörte ihn gleich darauf schnarchen. Vorsichtig nahm er dem Schlafenden Kopfputz und Mantel ab und versteckte beides in einem Gebüsch, dann verließ er mit hastigen Sprüngen das Dorf, um John aufzusuchen.

      Es mochte schon bald Mitternacht sein, als die in Unruhe und Erwartung schlaflos auf ihrem Lager liegende Mary einen leisen Eulenschrei vernahm, der so täuschend nachgeahmt war, daß sie zunächst glaubte, den Vogel selbst zu hören. Der fast abgebrannte Kienspan verbreitete ein unheimlich düsteres Licht. Mary richtete sich hastig auf und lauschte. Die alte Frau schien, betäubt von dem wahrscheinlich lange entbehrten Rum, fest zu schlafen. Ein leises Geräusch von der hinteren Zeltwand her lenkte die Aufmerksamkeit des Mädchens dorthin; mit heimlichem Grauen erblickte sie in einer Öffnung der Fellwand einen dunklen Kopf. Gleich darauf stand ein junger, schlanker Indianer aufgerichtet im Tipi, das blanke Messer in der Hand.

      Mary wagte sich nicht zu regen. Der Indianer winkte ihr nur kurz zu und schlich mit katzenhaften Bewegungen zu dem Lager der Alten, wo er einen Augenblick reglos lauschend verharrte. Der starke Rumgeruch mochte ihm sagen, daß hier nichts zu befürchten sei.

      Und nun hätte Mary doch beinahe aufgeschrien. Denn in der Öffnung der Tipiwand erschien jetzt Johns Kopf. Sekunden später lag sie fassungslos schluchzend in den Armen des jungen Mannes. Der Indianer löschte den Kienspan; völlige Dunkelheit herrschte im Raum.

      »Vater? Wo ist der Vater?« flüsterte Mary.

      »Komm erst, du wirst alles hören«, antwortete John.

      »Zeit jetzt zu gehen«, mahnte der Miami.

      Sie verließen das Tipi durch den dafür vorgesehenen Eingang. Ni-kun-tha hing dem Mädchen eine Decke über, die er in der Hütte aufgegriffen hatte. Er selbst hatte den Mantel und den Kopfschmuck des Medizinmannes aus dem Versteck geholt und legte beides jetzt an. John nahm die wiederholt strauchelnde Mary wie ein Kind auf den Arm und folgte mit ihr dem Voranschreitenden.

      Plötzlich tauchte vor ihnen ein Indianer auf. Der Mann stutzte; als er indessen die Schellen des Medizinmannes hörte und schattenhaft die riesenhaft aufragende Gestalt hinter ihm gewahrte, wankte er mit einem Schreckensruf davon; auch er schien nicht mehr nüchtern.

      Unbehelligt gelangten alle drei in den Wald und setzten noch in der Dunkelheit unter Aufbietung aller Vorsichtsmaßregeln ihren Weg fort.

       Inhaltsverzeichnis

      In Gewaltmärschen durchzogen die Franzosen das Shenandoatal. Die Streitmacht war nicht sonderlich groß, aber für die Verhältnisse der Kolonien immerhin beachtlich. An die zwei- bis dreitausend Mann mochten es immerhin sein, die der General Dieskau, ein alter, erprobter Haudegen deutscher Abstammung, zusammengebracht hatte. Dazu kamen etwa achthundert Mann indianischer Hilfstruppen. Die von der schwer beweglichen Truppe mitgeführten sechs Kanonen wurden von Mauleseln gezogen. Die Vorhut bildeten Indianer, auch beide Flanken wurden durch weit ausgeschwärmte rote Spähtrupps gesichert. Unsere Freunde marschierten in der Formation eines Bataillons, dessen Schutz Oberst Clermont sie anvertraut hatte.

      Nachdem die Truppen das Tal durchzogen hatten, wandten sie sich westwärts und nahmen den Weg über eine wellige, blumenübersäte Prärie. Die Bewegungen wurden durch den mitgeführten starken Train erheblich behindert.

      Dieskaus Befehl ging, wie unsere Freunde richtig vermutet hatten, dahin, im taktischen Zusammenwirken mit den vom Eriesee herabstoßenden Truppenverbänden, den Vorstoß in das Ohiotal zu führen und alles, was sich ihm dabei in den Weg stellte, rücksichtslos niederzuwerfen. Einstweilen hatte man allerdings noch nicht einmal Fühlung mit dem Gegner, und auch von den aus dem Norden kommenden Abteilungen hatte man bisher nichts gehört und gesehen.

      Der beim Regiment Clermont weilende Edmund Hotham hatte übrigens inzwischen ein schmähliches Ende gefunden. Oberst Clermont hatte dem General den jungen Lord Somerset vorgestellt und ihm dessen Geschichte erzählt. Dieskau hatte den erbschleicherischen Mordgesellen daraufhin kurzerhand zum Troß verwiesen und ihm ankündigen lassen, daß er bei der geringsten verdächtigen Bewegung erschossen würde. Eines Tages war Hotham verschwunden. Knapp vierundzwanzig Stunden später fand man im Wald seine skalpierte Leiche; vermutlich war er von seinen gedungenen Freunden, den Huronen, umgebracht worden, da diese sich um ihren Lohn geprellt sahen.

      Der alte Burns bewegte sich nur mühsam vorwärts. Er war in den letzten Tagen um Jahre gealtert; die Sorge um das Ungewisse Schicksal seiner beiden Kinder und der Farm am Genesee nagte unaufhörlich an ihm. Der bärenhafte Bob versuchte ihn immer wieder auf seine Weise zu trösten, obgleich er sich mit seinen massigen Gliedern selbst nur mit großer Anstrengung vorwärtsbewegte. Way-te-ta, der sonderbar schweigsam geworden war, wich kaum noch von seiner Seite.

      Eben kam Richard Waltham, der eine Zeitlang neben dem weiter vorn marschierenden Leutnant de Brissac gegangen war, zu den Gefährten zurück. »Es sieht so aus, als würden wir bald Kanonendonner hören, Mr. Burns«, sagte er.

      »Sind die Unseren in der Nähe?«

      »Man

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