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als Ottawa gehören dieser Sprachgruppe an – machten seine Worte den Häuptlingen ohne weiteres verständlich. In den Blicken der beiden Alten war leises Mißtrauen zu lesen. Der Miami trug keine Kriegsfarben und hatte wohlweislich auch die erbeuteten Skalpe zurückgelassen. »Wie kommt der Miami, noch dazu von Norden her, zu den Wigwams der Ottawa?« fragte der ältere der beiden.

      »Ma-ho-ri ist der Läufer seines Stammes«, antwortete Ni-kun-tha; »er war ausgesandt, den Kriegswampun zu den Pottawatomi zu tragen, der sie zu den Miami an den Ohio laden soll, um Skalpe der Yengeese zu nehmen.«

      »Mein Bruder hat dann einen großen Umweg gemacht.«

      »Er traf bei den Pottawatomi zwei Lenni-Lenape vom Totem Schildkröte, die den Friedenswampun trugen, der die Pottawatomi zu Weibern machen soll; ihnen schloß er sich auf dem Rückweg an. Wir haben uns erst heute getrennt.«

      Das trug um so mehr den Anschein der Wahrheit, als die beiden delawarischen Sendboten auf ihrer Fahrt nach Norden in diesem Dorf gerastet hatten.

      »Und«, fragte der Ottawa wieder, »haben die Pottawatomi sich durch die süßen Reden der Delawaren einschläfern lassen?«

      »Nein, meine Väter. Die Pottawatomi haben den Wampun der Miami genommen und das Beil ausgegraben. Sie sind auf dem Wege, um gegen die Inglis zu kämpfen.«

      »Das ist gut.« Der alte Ottawa nickte. »Die Delawaren sind Weiber.«

      Das Mißtrauen der Ottawa schien beschwichtigt, denn der Miamistamm, als dessen Angehöriger Ni-kun-tha sich ausgegeben hatte, war, wie jener wußte, zu den Franzosen übergegangen. Nach kurzem Schweigen sagte der ältere Ottawa: »Der Miami ist an den Feuern der Ottawa willkommen. Man wird ihm zu essen geben und ihm einen Wigwam anweisen.«

      Nachdem die Pfeife ihren Kreis gegangen war, wurde Ni-kun-tha durch einen herbeigerufenen Knaben zu einem unweit gelegenen Wigwam geführt, der leer stand. Der Miami ließ sich vor dem Eingang des Tipis nieder und sah sich mit ruhigen Blicken um. Rechts und links lagen in regellosem Durcheinander die spitzen Fellhütten; viele von ihnen waren gänzlich vereinsamt, da die Krieger sich auf dem Marsch befanden, andere waren nur von Weibern und Kindern bewohnt. Ihm fast gegenüber erhob sich eine etwas größere und solider gebaute Hütte. Ihre Fellwände waren mit Tier- und Menschengestalten kunstvoll bemalt; augenscheinlich war dies der Wigwam eines großen Häuptlings. Vor der Hütte loderte ein Feuer, über dem ein kupferner Kessel hing, dem Dampf entstieg. Während Ni-kun-tha, anscheinend ermattet vom langen Weg, nur blicklos vor sich hinzustarren schien, entging seinem scharfen Auge nichts von dem, was im Dorf vorging.

      Aus dem Wigwam gegenüber trat jetzt eine ältere Frau heraus. Sie kam über die Dorfgasse zu ihm herüber und brachte ihm auf großen Blättern angeordnet, gebratenes Fleisch und geröstetes Korn. Höflich erhob sich der Miami, ging der Frau ein paar Schritte entgegen und nahm ihr die Gabe ab.

      Die alte Ottawasquaw schien ein derartiges Benehmen von Männern nicht gewöhnt zu sein; ihr häßliches Gesicht verzog sich zu einem freundlichen Grinsen; sie sagte: »Der Miami ist ein guter Sohn. Er ist höflich.«

      »Unsere Väter lehrten uns, einer Squaw ehrerbietig zu begegnen«, versetzte Ni-kun-tha.

      »Das ist gut. Ich wollte, die Männer der Ottawa dächten ebenso.« Sie überließ ihm die Speisen und watschelte über die Dorfgasse zurück. Ni-kun-tha sah ihr nach und ging dann ein paar Schritte hinter ihr her. Sich umwendend, fragte die Frau: »Willst du noch etwas?«

      »Würde die gute Mutter mir eine Schale mit Wasser reichen?« sagte der Miami, »Ma-ho-ri ist durstig.«

      »Warte«, sagte die Frau und trat, das Eingangsfell beiseiteschiebend, in den Wigwam mit den Figuren auf den Fellwänden.

      Sekundenlang durchdrang Ni-kun-thas Falkenblick das Halbdunkel der Hütte; er glaubte im Hintergrund das blonde Haar einer weißen Frau zu erkennen. Gleichgültig wandte er sich ab. Als die Frau wieder erschien und ihm eine Kürbisschale mit Wasser reichte, sah er in eine ganz andere Richtung. Er setzte die Schale an den Mund, löschte seinen Durst und reichte sie der Alten zurück. »Dein Mann nimmt Skalpe der Inglis?« sagte er.

      »Mein Mann weilt bereits in den seligen Jagdgründen«, entgegnete die Alte, »ich sorge für Me-kon-tah, den Häuptling.«

      »Ich hörte, Me-kon-tah ist ein gewaltiger Krieger.«

      »Das ist er«, versicherte die Squaw, »sein Tomahawk trieft noch vom Blut der Yengeese im Geneseetal.«

      Ni-kun-tha war überzeugt, sich vorhin nicht versehen zu haben. In diesem Wigwam weilte eine weiße Frau, sicherlich war es eine der Frauen vom Genesee; vielleicht war es Johns Schwester.

      Da die Alte, von Ni-kun-thas Höflichkeit bestochen, zu plaudern begann, fragte der Miami weiter: »Der große Häuptling der Ottawa hat keine Squaw?«

      Das Gesicht der Frau verfinsterte sich; sie sagte: »Meine Tochter war seine Squaw. Sie ist tot, und jetzt will er das heulende Blaßgesicht zum Weibe nehmen.«

      »Oh, das ist nicht gut«, sagte Ni-kun-tha. »Kein roter Mann sollte eine weiße Squaw nehmen. Der Stamm der Kinder Manitus trägt süße und duftende Blüten.«

      »Nana-bosch weiß, daß du recht hast.«

      »Der große Häuptling wird es bedenken. Ich will ruhen, Mutter, ich bin müde vom langen Lauf. Ich danke dir für deine Gaben.« Er legte mit einer anmutigen Gebärde die Hand auf das Herz, verneigte sich höflich und schritt zu dem ihm angewiesenen Wigwam zurück, während die alte Frau das Tipi mit den aufgemalten Figuren betrat.

      Ni-kun-tha legte sich nieder und lugte durch einen Spalt nach dem großen Wigwam hinüber. Nach einiger Zeit kam einer der alten Indianer, die ihn bei seiner Ankunft begrüßt hatten, und rief die Frau an. Sie trat unverzüglich aus dem Tipi heraus.

      »Weint die Weiße Rose noch?« fragte der Alte.

      »Sie weint«, antwortete die Frau, »sie ringt die Hände und spricht mit dem Großen Geist.«

      »Hat sie Speise und Trank zu sich genommen?«

      »Sehr wenig.«

      Der Alte brummte etwas vor sich hin, was selbst die vor ihm stehende Squaw nicht verstehen mochte, dann sagte er: »Ist der Miami in dem Wigwam dort?« Er wies auf die gegenüberliegende Hütte, in der Ni-kun-tha lauerte.

      Die Frau bejahte.

      »Hat er die weiße Frau gesehen?«

      »Nein.«

      »Gut. Er soll sie auch nicht sehen.«

      »Er wird sie nicht sehen.«

      Ni-kun-tha hinter seinem Fellvorhang sprang blitzschnell zurück; der Alte hatte sich umgewandt und war auf sein Tipi zugekommen. Der Miami konnte sich eben noch ausstrecken, als der Vorhang schon zurückgeschlagen wurde. Ni-kun-tha atmete tief und regelmäßig. Der Alte nickte befriedigt, ließ den Fellvorhang fallen und trat zurück.

      Der Miami blieb auf seiner Matte liegen, bis völlige Dunkelheit eingetreten war, dann erhob er sich und lugte durch den Spalt zu dem gegenüberliegenden Tipi hinüber. Das Feuer davor war niedergebrannt, aber innerhalb des Wigwams mußte ein Kienspan brennen. Matter Lichtschimmer drang heraus. Ni-kun-tha horchte; nichts war zu hören. Einer Schlange gleich kroch er unter der Tipiwand hinweg ins Freie. Und wieder lag er reglos und lauschte. Unhörbar, sich zentimeterweise am Boden vorarbeitend, kroch er zu dem Wigwam hinüber, bis er sich an dessen Rückseite befand. Hier wartete er, reglos lauschend, geraume Zeit. Er glaubte nach einer Weile schnelle, unregelmäßige Atemzüge zu hören, dann und wann von einem leisen Seufzer unterbrochen. Er meinte, nur eine Person atmen zu hören. War die Alte fort?

      Da er keinen Spalt fand, um hineinsehen zu können, schnitt er mit dem Messer eine Öffnung. Und nun sah er in dem von einem Kienspan erzeugten rötlichen Dämmerlicht auf einer Matte aus Maisstroh eine Frau liegen, eine Weiße. Die Frau hatte die Hände vor dem Gesicht; ihre Schultern zuckten zuweilen wie im Krampf; ihr Kopf wurde von langem, blondem Haar umflattert. Von der Alten war nichts zu sehen. Ni-kun-tha überlegte, wie er die Aufmerksamkeit

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