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die Hand und wandte ihm einen freundlichen Blick zu.

      »Wir müssen eilen!« rief die princessse palatine, die im Wagen gewartet hatte. »Die Sonne neigt sich schon zum Niedergange.«

      Als die Grenze Frankreichs überschritten war, sank Charlotte in die Polster des Wagens zurück. »Jetzt ist's geschehen!« rief sie, »Gott, laß mich nur den Heimweg finden!«

      Die Prinzessin zog ein Gesicht, als wollte sie sagen: »Ich sollte nur an deiner Stelle sein, unvernünftiges Mädchen, wie ganz anders würde ich handeln!«

      Ein Weib ging des Weges, die Blumen im Korbe trug; Charlotte rief sie an. Sie ergriff durch das Kutschenfenster den Blumenstrauß und warf ihr ein Stück Geld hin. »Kommt, kommt, meine lieben pfälzischen Blumen; wir wollen miteinander welken!«

      Georg kam an den Wagenschlag und fragte nach Befehlen. Charlotte schüttelte mit dem Kopfe. Die Tränen standen ihr nahe, sie konnte und wollte nichts sagen. Georg wandte sich ab und ritt rasch fort. –

      Dies waren jedoch die letzten Zeichen ihres tief verwundeten Innern, die die Prinzessin merken ließ; von jetzt an nahm sie sich männlich zusammen und ging den ihr vorgeschriebenen Weg fest und sicher weiter.

      In Metz empfingen sie die französischen Behörden und geleiteten sie zu dem Palaste des Erzbischofs, der ihr auf der Treppe entgegenkam, um sie in die für sie bestimmten Gemächer zu führen. Hier wurde die Reise auf einige Zeit unterbrochen, die man für nötig erachtete, um die Wichtigkeit des Schrittes zu überlegen, den die Fürstentochter zu tun sich entschlossen hatte. Es galt nämlich die katholische Religion anzunehmen, ohne welche es keiner Fürstin erlaubt war, den Thron von Frankreich einzunehmen, wieviel weniger eine Stellung neben ihm. Charlotte wußte das. Mit ihrem guten Katechismus von Martin Luther in der Tasche, mit dem dazu gehörigen Gesangbuche, von dem sie viel auswendig wußte, glaubte sie allen Einflüssen der Katholiken trotzen zu können, besonders da ihr das Ganze nur wie eine Art Schauspiel vorkam, gehörig zu ihrer Stellung.

      Während ihr Gefolge, die princesse palatine an der Spitze, sich die Sehenswürdigkeiten von Metz ansah und die Ehren empfing, die eigentlich ihr zugedacht waren, befand sich Charlotte in den Gemächern des erzbischöflichen Palastes, der religiösen Betrachtung hingegeben. Religion, das heißt die öffentliche, auf ein bestimmtes Bekenntnis begründete, war nie ihre Sache; sie besaß die einfachen Wahrheiten, die den Grund geben zu einem ehrlichen, offenen und rechtlichen Leben, und die sich in wenige Sätze zusammenfassen lassen, was darüber ging, in protestantischer wie in katholischer Weise, hielt sie für ein besonderes Eigentum der Priester, womit diese sich ihre Existenz und ihren Lebenszweck gründeten und dadurch bekanntlich Händel und Streitigkeiten in die Welt brachten, die das Ganze der christlichen Lehre befleckten, ohne imstande zu sein, dem Glanze derselben irgendetwas beizufügen. Es war ihr demnach so ziemlich gleichgültig, ob sie zu dieser oder jener Konfession zählte, ihre Religion im Herzen, konnte sie des äußern Beifalls und der Zustimmung ganz wohl entbehren.

      Als die Zeit der Absperrung für sie beendet war, wurden ihr drei Bischöfe vorgestellt, die sie in den Pflichten des Glaubens unterweisen sollten. Alle drei waren voneinander sehr verschieden. Der eine, ein Weltmann, näherte sich ihr unter den Formen der Gesellschaft, brachte die Religion wenig oder gar nicht in Betracht und legte, ehe er schied, der Prinzessin ein Glaubensbekenntnis vor, das im allgemeinen die Grundzüge der apostolischen Lehre des heiligen Stuhls enthielt. Die Prinzessin nahm das Blatt aus seiner Hand und gab ihm statt dessen eins, das sie mit dem Bekenntnisse des Luthertums ebenso oberflächlich angefüllt hatte, dem sie entsagte. Damit war die Bekehrung vollendet. Die beiden anderen, auf dem Zeugnis der Prinzessin fußend, gingen nunmehr auf die innere Wahrheit der Weltreligion des Katholizismus über und sagten bei dieser Gelegenheit vieles, was Charlotten, bei ihrer Lebhaftigkeit und ihrem Triebe, im Felde des Geistes zu forschen, Gelegenheit gab, nachzudenken und sich manches für die Folgezeit zu merken. Die Klugheit der Jesuiten spielte eine große Rolle. Es wurde ihr mit halben Worten gesagt, daß den Fürsten so ziemlich alles erlaubt sei, was für den Untertan eine Sünde sei und bleibe, nur eins nicht – sich dem Einfluß der Väter zu entziehen. Dies empörte den offenen, freien Sinn des Beichtkindes; sie wußte es schon, seitdem sie in Hannover dem Gespräch der geistreichen Tante zugehorcht, sie fand jedoch nicht für nötig, hierüber irgendeine besondere Meinung auszusprechen, und der Bischof war von ihrer Fügsamkeit oder, wie er es bei sich nannte, ihrem lenksamen Indifferentismus völlig befriedigt. Der dritte Bekehrer brachte nebst diesem jesuitischen Beisatz auch noch ein mönchisches Element ins Spiel, dem zufolge es ihm wünschenswert erschien, daß die Prinzessin, wenn sie diese Ehe geknüpft hätte, sie alsbald wieder trennen lassen möchte, um in der Stille der Klausur Klöster und fromme Stiftungen zu bedenken. Charlotte dankte dem alten Manne für seinen guten Rat, gab ihm jedoch zu bedenken, daß die Schließung einer Ehe eine zu wichtige Sache sei, um sie sofort wieder anderen Zwecken aufzuopfern. »Freilich«, sagte der Bischof mit Salbung, »ist die Ehe ein Sakrament, mit dem sich nicht spielen läßt und das völlig unlösbar ist, doch gibt es Mittel, zwangvollen Verhältnissen zu entgehen, um Gott zu dienen.«

      Der Tag der Aufnahme war erschienen. In die Hände des Erzbischofs legte die Prinzessin ihr neues Glaubensbekenntnis nieder. Die Kirche war gedrängt voll von Menschen. In den Augen vieler sah sie eine Freude leuchten, die ihr unbegreiflich schien. Für sie war dies der erste Schritt in lästigen zeremoniellen Pflichten, auf dem Wege, den sie sich zu gehen entschlossen hatte.

      Am Abend dieses Tages erquickte sie ihren lieben Vetter Georg und die Rathmannshausen mit dem alten Lutherschen Spruche:

      »Soll's ja so sein,

       daß Straf' und Pein

       auf Sünden folgen müssen,

       so fahre fort

       und schone dort,

       und laß mich hier, wohl büßen.«

      23.

       Ankunft in St. Germain

       Inhaltsverzeichnis

      Auf dem ganzen Wege waren Neugierige verteilt, die das Gerücht herbeigerufen hatte, daß eine deutsche Prinzessin käme, um sich mit Monsieur, dem Bruder des Königs, zu vermählen. Man war neugierig, sie zu sehen. Charlotte, die das wußte, aber keine Lust hatte, den neugierigen Blicken standzuhalten, hatte sich in die Tiefe der Kutsche zurückgezogen und überließ den ihr zukommenden Platz der princesse palatine, die ihn mit allem Stolz und aller Würde einer königlichen Braut ausfüllte, manchmal aber doch etwas zu hören bekam, was ihr nicht ganz wohl behagte.

      »Ei, man sehe«, rief eine alte Frau ziemlich nahe an der Kutsche, »wie diese Prinzessin alt ist! Diese soll noch nicht zwanzig Jahre sein? Nimmermehr! Sie ist über vierzig.«

      »Die Unglückliche!« rief eine heisere Stimme ganz in der Nähe, »da geht sie hin, und was wird ihr Los sein? Ach, der Giftbecher! Es ist kein Glück für die deutschen Fürstentöchter auf dem Boden Frankreichs.«

      »Teufel, wie sie alt ist!« rief ein junger Bursche, fast unwillig und beleidigt, und bewirkte dadurch das zeitweise Verschwinden der Dame vom Kutschenfenster.

      Charlotte bog sich in ihrer Ecke zusammen, um das Lachen zu verbeißen.

      »Hast du bemerkt,« rief ein junges Mädchen ihrer Gefährtin zu, »es ist noch eine bei ihr, ein junges Ding; sie liegt in der Tiefe des Wagens, ob die wohl die deutsche Kammerjungfer ist? Wenn ich an des Prinzen Stelle wäre, ich schickte beide zurück nach Hause.«

      Die Bemerkungen wurden immer leiser und immer spärlicher, je näher die Kutsche und ihre Umgebung der Stadt kam, zuletzt hörten sie gänzlich auf und machten den Beifallsrufen Platz, die von allen Seiten erschollen.

      »Das ist Frankreichs Erde!« rief die princesse palatine begeistert. »Himmel, wie glücklich sind alle diese Menschen! Wie selig muß es sein, unter ihnen zu leben und hier zu sterben! O, glückliche Cousine! Womit haben Sie all diesen Schimmer, diesen Glanz verdient?«

      »Mit nichts!« entgegnete diese trocken, »und Gott weiß es,

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