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(des races humaines12) hat den Menschen l’animal méchant par excellence13 genannt, welches die Leute übel nehmen, weil sie sich getroffen fühlen. Er hat aber recht. Denn der Mensch ist das einzige Tier, welches anderen Schmerz verursacht ohne weiteren Zweck als eben diesen. Die anderen Tiere tun es nie anders, als um ihren Hunger zu befriedigen, oder im Zorn des Kampfes. Wenn dem Tiger nachgesagt wird, er töte mehr, als er auffresse, so würgt er alles doch nur in der Absicht, es zu fressen, und es liegt bloß daran, dass, wie die französische Redensart es ausdrückt, ses yeux sont plus grands que son estomac14. Kein Tier jemals quält, bloß um zu quälen, aber dies tut der Mensch, und dies macht den teuflischen Charakter aus, der weit ärger ist als der bloß tierische. Von der Sache im Großen ist schon geredet, aber auch im Kleinen wird sie deutlich, wo denn jeder sie zu beobachten täglich Gelegenheit hat. Zum Beispiel wenn zwei junge Hunde miteinander spielen, so friedlich und lieblich anzusehen – und ein Kind von drei bis vier Jahren kommt dazu, so wird es sogleich mit seiner Peitsche oder seinem Stock heftig dareinschlagen, fast unausbleiblich, und dadurch zeigen, dass es schon jetzt l’animal méchant par excellence ist. Sogar auch die so häufige zwecklose Neckerei und der Schabernack entspringen aus dieser Quelle. Zum Beispiel hat man etwa über irgendeine Störung oder sonstige kleine Unannehmlichkeit sein Missbehagen geäußert, so wird es nicht an Leuten fehlen, die sie gerade deshalb zuwege bringen: l’animal méchant par excellence! Dies ist so gewiss, dass man sich hüten soll, sein Missfallen an kleinen Übelständen zu äußern, sogar auch umgekehrt sein Wohlgefallen an irgendeiner Kleinigkeit. Denn im letzteren Fall werden sie es machen wie jener Gefängniswärter, der, als er entdeckte, dass sein Gefangener das mühsame Kunststück vollbracht hatte, eine Spinne zahm zu machen, und an ihr seine Freude hatte, sie sogleich zertrat: l’animal méchant par excellence! Darum fürchten alle Tiere instinktmäßig den Anblick, ja die Spur des Menschen – des animal méchant par excellence. Der Instinkt trügt auch hier nicht: Denn allein der Mensch macht Jagd auf das Wild, welches ihm weder nützt noch schadet. […]

      Wirklich also liegt im Herzen eines jeden ein wildes Tier, das nur auf Gelegenheit wartet, um zu toben und zu rasen, indem es andern wehe tun und, wenn sie gar ihm den Weg versperren, sie vernichten möchte: Es ist eben das, woraus alle Kampf- und Kriegslust entspringt; und eben das, welches zu bändigen und einigermaßen in Schranken zu halten die Erkenntnis, sein beigegebener Wächter, stets vollauf zu tun hat. Immerhin mag man es das radikale Böse nennen, womit wenigstens denen, welchen ein Wort die Stelle einer Erklärung vertritt, gedient sein wird. Ich aber sage: Es ist der Wille zum Leben, der, durch das stete Leiden des Daseins mehr und mehr erbittert, seine eigene Qual durch das Verursachen der Fremden zu erleichtern sucht. Aber auf diesem Wege entwickelt er sich allmählich zur eigentlichen Bosheit und Grausamkeit. Auch kann man hierzu die Bemerkung machen, dass, wie – nach Kant – die Materie nur durch den Antagonismus der Expansions- und Kontraktionskraft besteht, so die menschliche Gesellschaft nur durch den des Hasses, oder Zorns, und der Furcht. Denn die Gehässigkeit unserer Natur würde vielleicht jeden einmal zum Mörder machen, wenn ihr nicht eine gehörige Dosis Furcht beigegeben wäre, um sie in Schranken zu halten; und wiederum diese allein würde ihn zum Spott und Spiel jedes Buben machen, wenn nicht in ihm der Zorn bereit läge und Wache hielte.

      Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit eng verwandt ist, ja eigentlich von dieser sich nur wie Theorie und Praxis unterscheidet, überhaupt aber da eintritt, wo das Mitleid seine Stelle finden sollte, welches, als ihr Gegenteil, die wahre Quelle aller echten Gerechtigkeit und Menschenliebe ist. In einem andern Sinne dem Mitleid entgegengesetzt ist der Neid, sofern er nämlich durch den entgegengesetzten Anlass hervorgerufen wird: Sein Gegensatz zum Mitleid beruht also zunächst auf dem Anlass, und erst infolge hiervon zeigt er sich auch in der Empfindung selbst. Daher eben ist der Neid, wenngleich verwerflich, doch noch einer Entschuldigung fähig und überhaupt menschlich, während die Schadenfreude teuflisch und ihr Hohn das Gelächter der Hölle ist. Sie tritt, wie gesagt, gerade da ein, wo Mitleid eintreten sollte; der Neid hingegen doch nur da, wo kein Anlass zu diesem, vielmehr zum Gegenteil desselben vorhanden ist; und eben als dieses Gegenteil entsteht er in der menschlichen Brust, mithin so weit noch als eine menschliche Gesinnung: Ja, ich befürchte, dass keiner ganz frei davon befunden werden wird. Denn dass der Mensch beim Anblick fremden Genusses und Besitzes den eigenen Mangel bitterer fühle, ist natürlich, ja unvermeidlich; nur sollte dies nicht seinen Hass gegen den Beglückteren erregen. Gerade hierin aber besteht der eigentliche Neid. […]

      Wenn man nun aber, wie hier geschehen, die menschliche Schlechtigkeit ins Auge gefasst hat und sich darüber entsetzen möchte, so muss man alsbald den Blick auf den Jammer des menschlichen Daseins werfen und wieder ebenso, wenn man vor diesem erschrocken ist, auf jene: Da wird man finden, dass sie einander das Gleichgewicht halten, und wird der ewigen Gerechtigkeit inne werden, indem man merkt, dass die Welt selbst das Weltgericht ist, und zu begreifen anfängt, warum alles, was lebt, sein Dasein abbüßen muss, erst im Leben und dann im Sterben. So nämlich tritt das malum poenae15 mit dem malum culpae16 in Übereinstimmung. […]

      § 117 Man hat die Frage aufgeworfen, was zwei Menschen, die in der Wildnis, jeder ganz einsam, aufgewachsen wären und sich zum ersten Male begegneten, tun würden: Hobbes, Pufendorf, Rousseau haben sie entgegengesetzt beantwortet. Pufendorf glaubte, sie würden sich liebevoll entgegenkommen; Hobbes hingegen, feindlich; Rousseau, schweigend aneinander vorübergehen. Alle drei haben recht und unrecht: Gerade da würde sich die unermessliche Verschiedenheit angeborener moralischer Disposition der Individuen in so hellem Lichte zeigen, dass hier gleichsam der Maßstab und Gradmesser derselben wäre. Denn Menschen gibt es, in denen der Anblick des Menschen sogleich ein feindliches Gefühl aufregt, indem ihr Innerstes den Ausspruch tut: „Nicht-Ich!“ – Und andere gibt es, bei welchen jener Anblick sogleich freundliche Teilnahme erregt; ihr Inneres sagt: „Ich noch einmal!“ – Dazwischen liegen unzählige Grade. – Aber dass wir in diesem Hauptpunkt so grundverschieden sind, ist ein großes Problem, ja ein Mysterium. […]

      § 119 Das Beispiel wirkt zunächst entweder hemmend oder befördernd. Ersteres, wenn es den Menschen bestimmt, zu unterlassen, was er gern täte. Er sieht nämlich, dass andere es nicht tun, woraus er im Allgemeinen abnimmt, dass es nicht rätlich sei, also wohl der eigenen Person, oder dem Eigentum, oder der Ehre Gefahr bringen müsse: Daran hält er sich und sieht sich gern eigener Untersuchung überhoben. Oder er sieht gar, dass ein anderer, der es getan hat, schlimme Folgen davonträgt: Dies ist das abschreckende Bespiel. Befördernd hingegen wirkt das Beispiel auf zweierlei Weise: nämlich entweder so, dass es den Menschen bewegt, zu tun, was er gern unterließe, jedoch ebenfalls besorgt, dass die Unterlassung ihm irgendwelche Gefahr bringen oder ihm in der Meinung anderer schaden könne; oder aber es wirkt so, dass es ihn ermutigt, zu tun, was er gern tut, jedoch bisher aus Furcht vor Gefahr oder Schande unterließ: Dies ist das verführerische Beispiel. Endlich kann auch noch das Beispiel ihn auf etwas bringen, das ihm sonst gar nicht eingefallen wäre. Offenbar wirkt es in diesem Fall zunächst nur auf den Intellekt. Die Wirkung auf den Willen ist dabei sekundär und wird, wenn sie eintritt, durch einen Akt eigener Urteilskraft oder durch Zutrauen auf den, der das Beispiel gibt, vermittelt werden. – Die gesamte, sehr starke Wirkung des Beispiels beruht darauf, dass der Mensch in der Regel zu wenig Urteilskraft, oft auch zu wenig Kenntnis hat, um seinen Weg selbst zu explorieren, daher er gern in die Fußstapfen anderer tritt. Demnach wird jeder dem Einfluss des Beispiels umso mehr offenstehen, je mehr es ihm an jenen beiden Befähigungen gebricht. Diesem gemäß ist der Leitstern der allermeisten Menschen das Beispiel anderer, und ihr ganzes Tun und Treiben, im Großen wie im Kleinen, läuft auf bloße Nachahmung zurück: Nicht das Geringste tun sie aus eigenem Ermessen. Die Ursache hiervon ist ihre Scheu vor allem und jedem Nachdenken und ihr gerechtes Misstrauen gegen das eigene Urteil. Zugleich zeugt dieser so auffallend starke Nachahmungstrieb im Menschen auch von seiner Verwandtschaft mit dem Affen. Nachahmung und Gewohnheit sind die Triebfedern des allermeisten Tuns der Menschen. Die Art der Wirkung des Beispiels aber wird durch den Charakter eines jeden bestimmt: Daher dasselbe Beispiel auf den einen verführerisch, auf den andern abschreckend wirken kann. Dies zu beobachten geben gewisse gesellschaftliche Unarten, welche, früher nicht vorhanden, allmählich einreißen, uns leicht Gelegenheit. Beim ersten Wahrnehmen einer solchen wird einer denken: „Pfui, wie

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