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aus der geschilderten Konstruktion des Herrschaftsvertrages die Rechtmäßigkeit des Widerstandes und auch des Tyrannenmordes abgeleitet (vgl. Ritter u. a., Bd. 3, 476 f.).

      Typisches Kennzeichen echter Herrschaftsverträge ist ein grundsätzlich anerkanntes, normiertes und institutionalisiertes Widerstandsrecht für den Fall der Rechtsverletzung seitens des Souveräns. Das idealtypische Beispiel eines Herrschaftsvertrages ist bis heute die Britische Magna Charta Libertatum von 1215 geblieben. Dort werden in 54 Artikeln die vom König zu respektierenden Sonderrechte der Kirche, der Barone und Grafen und anderer Vasallen festgelegt. Von besonderer Bedeutung sind aber auch die verschiedenen Bestimmungen am Schluss des Dokumentes. So werden in Artikel 61 Kontroll- und Beschwerderechte der Barone gegenüber der Krone im Detail geregelt, was im Falle der einseitigen Vertragsverletzung seitens des Monarchen gegebenenfalls auch eine rechtliche Erlaubnis und Verpflichtung zum organisierten Widerstand gegen den König einschließt.

      Noch bei Gottfried Achenwall (1719–1772), dessen berühmtester Schüler Immanuel Kant war, muss ein besonderer Übertragungsvertrag vom Vereinigungsvertrag abgegrenzt werden, wobei jener zugleich als Unterwerfungsvertrag gedacht ist, der noch deutliche Züge des bipolaren Herrschaftsvertrages in der Tradition der Magna Charta Libertatum aufweist: Jedes Recht des obersten Herrschers beruht auf dem Unterwerfungsvertrag und auf dem Willen des Volkes, darüber hinaus hat er keines, und deshalb […], binden den Herrscher die dem Vertrag beigefügten Bedingungen […]. Was einen Vertrag im allgemeinen wahr, rechtmäßig und wirksam, oder nichtig, unrechtmäßig und unwirksam macht, das hat diese Wirkung auch für den Unterwerfungsvertrag. Schließlich […] allgemein müssen der Herrscher und das Volk in Bezug auf den Unterwerfungsvertrag wie zwei Personen betrachtet werden, die im Naturzustand einen Vertrag schließen (§ 669, 21).

      Untrügliches Kennzeichen eines Herrschaftsvertrages ist demnach die positivrechtliche Vertragsgarantie eines mithin legalen Zwangsrechtes (Kant) gegen den vertragsbrüchigen Herrscher. Demnach handelt es sich beim Herrschaftsvertrag definitiv nicht um einen allseitigen Vertrag zwischen sich zum Staat zusammenschließenden Individuen, die einen Souverän einsetzen, sondern um einen bipolaren Vertrag zwischen dem faktischen Inhaber souveräner Herrschaftsgewalt und seinen Untertanen, der explizit die Bedingungen nennt, unter denen Widerstand rechtlich erlaubt bzw. geboten wäre. Dann träte der Fall ein, dass der legitime und gegebenenfalls auch legale Meta-Souverän gegen den De-Facto-Souverän aufträte, dessen Herrschaftsanspruch von diesem Augenblick an als lediglich usurpiert erschiene. Die Revolution wird damit legalisiert.

      Zusammenfassend lässt sich sagen: Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Typ des Herrschaftsvertrages und dem des Gesellschaftsvertrages besteht demnach darin, dass gemäß dem ersten Modell Herrscher und Volk vorfindliche Vertragssubjekte sind, während im zweiten Modell sowohl das Staatsvolk als auch der Souverän durch (allseitigen) Vertragsschluss allererst konstituiert werden. Eine zweite fundamentale Differenz zwischen beiden Kontraktualismen liegt darin, dass nach herrschaftsvertraglichem Denken das Recht des (monarchischen) Souveräns als ursprünglich gilt, während die Rechte der Untertanen einer zusätzlichen Verschriftlichung bedürfen, um zu gelten. In Gesellschaftsvertragstheorien dagegen ist das Volk der ursprüngliche Eigner aller Souveränität, während die Befugnisse des faktischen Herrschers nicht als gegeben gelten, sondern als Sekundärrechte aus dem Willen des Volkes abgeleitet werden, für die (in der Regel) eine schriftliche Kodifizierung erforderlich ist. Die Befugnisse des Souveräns werden als repräsentative Ausübung der Gesetzgebungsrechte des Volkes angesehen, das diese Kompetenzzuweisung jederzeit widerrufen und entweder sein Souveränitätsrecht selbst in Anspruch nehmen oder einen anderen Stellvertreter an die Stelle des ersten setzen kann. Da in Gesellschaftsverträgen nur die (jederzeit reversible) stellvertretende Ausübung der Souveränität, nicht aber das Souveränitätsrecht selbst übertragen oder entäußert wird, bedarf es keines kodifizierten Widerstandsrechtes, während dieses im Herrschaftsvertrag Residualrechte des Untertanenvolkes gewährleisten soll. Schließlich enthalten Herrschaftsverträge in der Regel lediglich materiale Limitationen in Hinblick auf die legitime Herrschaftsausübung, während Gesellschaftsverträge vor allem organisatorische Vorgaben hinsichtlich der Staats- und Regierungsform enthalten (zum mittelalterlichen Herrschaftsvertrag vgl. Kielmannsegg, 16 ff.; zur Unterscheidung der Herrschaftsvertragstheorie englischer Provenienz und der französischen Volkssouveränitätstheorie Maus 1992, 79 ff.; vgl. auch Kersting 1984, 215 ff.).

      3.2. GESELLSCHAFTSVERTRAG

      Die Begriffe Herrschaftsvertrag und Gesellschaftsvertrag bezeichnen Idealtypen, die in der ideengeschichtlichen wie in der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung überwiegend als Mischformen auftreten. Die theoriegeschichtliche Entwicklung lasse sich im Großen dahingehend bestimmen, dass die Anfänge im Altertum zu suchen sind, dass im Mittelalter erst vereinzelt vor das nunmehr in den Vordergrund gerückte pactum subjectionis ein besonderer Vereinigungsvertrag gelegt wird, dass sodann die Naturrechtslehre in dem Maße, in dem sie ihren individualistischen Grundzug entfaltet, den juristischen Ausbau des Gesellschaftsvertrages als Quelle der Einheit der den Herrschaftsvertrag abschließenden Volksgesamtheit vollzieht, dass endlich bei den Vorkämpfern der Volkssouveränität dieser Sozialkontrakt mehr und mehr den Unterwerfungsvertrag zurückdrängt, ihn bei Locke fast zu einem Schatten verflüchtigt und zuerst bei Rousseau völlig verschlingt (von Gierke, 380).

      Eines der ersten historischen Vertragsdokumente, das ohne Abstriche dem Typus des Gesellschaftsvertrages zugerechnet werden muss, ist nach Reibstein die am 23.1.1579 unterzeichnete Union von Utrecht, auf deren Grundlage sich die sieben nördlichen Provinzen Spaniens zu den heutigen Niederlanden vereinigten. Während noch das Groot Privilegie von 1477 eindeutig herrschaftsvertragliche Grundzüge in der Tradition der Magna Charta Libertatum aufweise, werde im Unionsvertrag von 1579 interessanterweise nicht nur die Tätigkeit des Fürsten selber [als] eine übertragene, nicht eine eigenständige Autorität dargestellt, sondern dasselbe treffe für die rechtliche Stellung der Provinzialstände und der Generalstaaten innerhalb der Union zu; die Kompetenzen des Fürsten wie der Volksvertretung gelten nicht als Souveränität, sondern [als] von der Souveränität, die im strikten naturrechtlichen Sinne, nur das Volk haben kann, abgeleitet (Reibstein, Bd. 1, 199 ff.).

      Ich möchte mich im Folgenden auf die mit Bodin und Hobbes einsetzende moderne Geschichte der Gesellschaftsvertragstheorie konzentrieren und dabei Theorien der Konstituierung staatlicher Herrschaft in besonderer Weise berücksichtigen. Theorien der Etablierung politischer Herrschaft werden also danach unterschieden, ob und wie sie das Problem der Kodifizierung der Staatsorganisation in Form geschriebenen Verfassungsrechts behandeln. Dabei stehen besonders profilierte Theorien des Gesellschaftsvertrages einerseits und der verfassunggebenden Gewalt andererseits im Vordergrund. Doch deren theoretische Rivalen dürfen darüber keinesfalls unbeachtet bleiben, zumal sie sich insbesondere in der deutschen Verfassungsgeschichte immer wieder als die gewichtigeren erwiesen haben.

      So lassen sich zahlreiche Autoren identifizieren, die eine Theorie der Legitimität des Staates vertreten, die dem Vertragsdenken geradezu feindlich gegenübersteht. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie Gesellschaftsvertragstheorien deswegen zurückweisen, weil diese nicht in der Lage seien, die Souveränität des Staates bzw. der Staatsgewalt hinreichend zu begründen. Der Kardinaleinwand, den diese im weiteren Sinne ‚etatistischen‘ Theoretiker immer wieder erheben, lautet: Den Staat aus einem (realen oder ideellen) Vertrag von Individuen hervorgehen zu lassen, bedeute, ihn dem subjektiven Belieben und der vorbehaltlichen ‚Nachachtung‘ der Bürger auszusetzen.

      Als Gegenentwürfe zum Kontraktualismus kommen einerseits sittlichkeitstheoretische Konzepte in Betracht, die von Platon über Hegel bis zum heutigen Kommunitarismus reichen. Gemeinsam ist ihnen der Einwand, der Vertrag sei kein tauglicher Ansatz, um die Frage nach den Legitimationsgründen politischer Herrschaft erschöpfend zu beantworten. Der Staat und seine Rechtsordnung würden nämlich durch den Kontraktualismus in etwas nur relativ Gültiges verwandelt, dessen Bestand vom schwankenden Willen der Privatpersonen abhängig erklärt

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