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Sie hat­te sich ganz in sei­ne Hän­de ge­legt. »Da hast du mich, ma­che et­was Glück­li­ches dar­aus.« Die­ser Au­gen­blick im Le­ben ei­nes Jüng­lings ist im­mer er­he­bend, und Am­bro­si­us ver­stand ihn voll zu wür­di­gen.

      Nach­läs­sig in dem großen Sor­gen­stuhl der Jü­din hin­ge­gos­sen, nahm er die schlaf­fe, me­lan­cho­li­sche Hal­tung ei­nes mü­den Her­zens­kö­nigs an und träum­te von den schö­nen Klei­dern, die er Rosa kau­fen, von den präch­ti­gen Sa­chen, die er ihr zei­gen woll­te. Sie soll­te die Welt se­hen; aber die Welt soll­te auch Rosa se­hen, soll­te sie und ihn be­wun­dern. Wie wird das klein­städ­ti­sche Mäd­chen über all die Pracht stau­nen, wie wird es zu ihm auf­bli­cken, wenn er sich ele­gant und si­cher in der Groß­stadt zu­recht­fin­det – wie wird es ihn dann lie­ben! Also nach Wien, das stand fest.

      Eine lus­ti­ge Zeit in ei­ner großen Stadt mit Rosa zu­brin­gen, sei­ne Lie­be in die Zim­mer ei­nes ers­ten Ho­tels ein­quar­tie­ren, sie mit dem Lu­xus ele­gan­ter Lä­den schmücken, mit ihr in Thea­ter­lo­gen pa­ra­die­ren – eine Wei­le den rei­chen jun­gen Ehe­mann auf der Hoch­zeits­rei­se spie­len – das war jetzt der Ku­chen, den Am­bro­si­us um je­den Preis ha­ben muss­te. Der Ge­dan­ke ei­ner Hei­rat tauch­te auch mit­un­ter in sei­nen Phan­tasi­en auf – aber un­klar und ver­schwom­men. O ja, warum nicht? Man wür­de ja se­hen! Heu­te er­schi­en ihm al­les mög­lich, nur ging er die­sen Be­we­gun­gen gern aus dem Wege – fer­tig­te sie kurz ab. Ein an­de­rer Ge­dan­ke aber ließ sich nicht so ohne wei­te­res ab­wei­sen und mach­te Am­bro­si­us Sor­ge. Er hat­te Geld nö­tig, viel Geld; ge­nug, um ei­ni­ge Wo­chen auf großem Fuß le­ben zu kön­nen. Merk­wür­dig war es, wie sich Am­bro­si­us’ Vor­sor­ge nur im­mer auf ei­ni­ge Wo­chen er­streck­te. Spä­ter? Ach was, das wird sich fin­den. Die El­tern ta­ten ihm ja al­les zu Wil­len; er wür­de sie schon zu et­was Ge­eig­ne­tem be­stim­men. Aber wo­her das Geld für den Au­gen­blick neh­men? Am­bro­si­us hat­te zwar ges­tern Geld von den El­tern er­hal­ten; das reich­te je­doch nicht hin. Nur ei­ner konn­te hel­fen – der Tröd­ler. Er war reich und Wu­che­rer, kann­te au­ßer­dem die Ver­hält­nis­se der Tel­le­r­ats und hat­te so­mit kei­nen Grund, das Geld nicht her­zu­ge­ben. Seuf­zend er­hob sich Am­bro­si­us. Galt es ein Ver­gnü­gen zu er­ja­gen, das er sich in den Kopf ge­setzt hat­te, so konn­te er zur Not auch eine Unan­nehm­lich­keit mit in den Kauf neh­men; sie durf­te nur nicht zu groß sein. Er ging in den Tröd­ler­la­den hin­aus.

      Von der De­cke hing eine Pe­tro­le­um­lam­pe nie­der, de­ren trüb­gel­be Flam­me un­ru­hig fla­cker­te. Die Türe zur Stra­ße hin stand of­fen, laut klat­schend schlu­gen die Re­gen­trop­fen auf die Stein­schwel­le, und der enge Raum war voll des küh­len, feuch­ten Duf­tes, den ein Som­mer­re­gen zu ver­brei­ten pflegt. Wulf saß hin­ter sei­nem La­den­tisch, eine Bril­le auf der Nase, und schrieb. Ida kau­er­te auf der Tür­schwel­le, sah, die Hän­de um die Knie schlin­gend, in den Re­gen hin­aus und sang. Bei Am­bro­si­us’ Ein­tre­ten schau­te Wulf auf, lä­chel­te und frag­te: »Der Vo­gel schon aus­ge­flo­gen?«

      Ida hielt im Sin­gen inne, um Am­bro­si­us mit blan­ken, neu­gie­ri­gen Au­gen zu be­trach­ten. – »Ja – hm«, er­wi­der­te Am­bro­si­us und lach­te dis­kret: »Was ma­chen Sie denn da, Wulf? Rech­nen, im­mer rech­nen. Ja, wenn man so reich ist –«

      »Reich – ge­rech­ter Gott!« rief der Tröd­ler und schlug sein Buch zu. »Wenn Sie, jun­ger Herr, so reich wä­ren wie ich, dann wär es aus mit dem hüb­schen Le­ben. Im­mer Spaß – fei­ne Klei­der – hüb­sche Fräu­leins – das kann ich nicht.«

      »Ach was! Sie ha­ben ge­nug«, scherz­te Am­bro­si­us und droh­te mit dem Fin­ger. Dann griff er nach dem wa­cke­li­gen Rohr­stuhl, der in der Ecke stand, und setz­te sich. Es mach­te ihm Ver­gnü­gen, selbst vor Wulf den Mann zu spie­len, der matt von Lie­bes­tri­um­phen ist. Lang­sam strich er sich mit der Hand über die Stirn und bat Ida um ein Glas Was­ser.

      Als Ida fort war, schwieg Am­bro­si­us; er konn­te sich nicht ent­schlie­ßen, mit sei­nem An­lie­gen her­aus­zu­rück­en, er beug­te sich über den Tisch, mus­ter­te die Glas­rin­ge, nahm einen her­aus und hielt ihn ge­gen das Licht: »Für die Leu­te vom Lan­de«, er­klär­te Wulf.

      »Hm – nicht übel«, be­merk­te Am­bro­si­us, kniff ein Auge zu und schau­te durch das bun­te Glas. »Wulf«, sag­te er plötz­lich, im­mer noch den Ring am Auge hal­tend, »ich brau­che Geld.« Der Jude ant­wor­te­te nicht so­gleich, blick­te auch nicht auf, son­dern tat, als wär das eine un­wich­ti­ge Mit­tei­lung, die nicht ernst­ge­nom­men sein woll­te.

      Erst nach ei­ner Wei­le sag­te er – so oben­hin: »Ja – Geld, das braucht ei­ner bald.«

      »Nein, im Ernst, Wulf«, ver­setz­te Am­bro­si­us leb­haft, »ich brau­che viel Geld, und Sie sol­len’s mir ge­ben.«

      »Ich?« Wulf lach­te. Herr von Tel­le­r­at spaß­te wohl. Wo soll­te er – Wulf – Geld her­neh­men? Er brauch­te selbst wel­ches.

      »Sei­en Sie kein Narr. Sie wis­sen doch, dass es ein si­che­res Ge­schäft ist, Sie ver­die­nen ja da­bei.«

      »Frei­lich, wer das hät­te, wür­de was ver­die­nen – aber ich…«

      »Kei­ne Flau­sen, Wulf. Sie ha­ben ge­nug im Kas­ten lie­gen. Ich stel­le Ih­nen einen Wech­sel aus. Mor­gen brau­che ich das Geld.«

      »Es ist kei­nes da, lie­ber jun­ger Herr. Wie­viel soll es denn sein?«

      »Acht­hun­dert.«

      »Das ist hübsch viel. Auf wie lan­ge denn?«

      »Auf kur­ze Zeit – ein – zwei – oder drei Mo­na­te.«

      »Wer das hät­te, könn­te das Ge­schäft ma­chen«, mein­te Wulf und ließ sei­nen dün­nen, ab­ge­tra­ge­nen Bart nach­denk­lich durch die Fin­ger glei­ten. »Ich habe nichts – Ehren­wort. – Wer ka­viert denn auf dem Wech­sel?«

      »Wozu ist denn ein Ka­vent nö­tig?« fuhr Am­bro­si­us auf. »Bin ich Ih­nen nicht si­cher ge­nug?«

      »Ich sage nicht nein, Gott be­wah­re!« be­sänf­tig­te ihn der Tröd­ler: »Si­cher ist schon ein Pa­pier, wo Sie dar­auf­ste­hen; das ist wie ba­res Geld. Wer das Geld hat, gibt es auf Ihre Un­ter­schrift al­lein.«

      »Sie ha­ben’s doch, sa­gen Sie doch nicht sol­che Din­ge.«

      »O Gott, nein! Und dann – ich wür­de Ih­nen das Geld von Her­zen gern ge­ben, aber mei­ne Alte er­laubt es nicht, sie hat es. Ja, wenn ich es hät­te!«

      »Wie­der et­was Neu­es!«

      »Wer­den Sie nicht böse, jun­ger Herr. Wir spre­chen ja nur über die Sa­che. Wenn die Alte will, so ist’s gut, re­den Sie mor­gen mit ihr.«

      »Ab­ge­macht. Mor­gen hole ich das Geld.«

      Der Jude sah den jun­gen Mann aus sei­nen klei­nen gel­ben Au­gen miss­trau­isch an: »Zwei sind im­mer si­che­rer als ei­ner«, be­merk­te er.

      »Sie im­mer mit Ihrem Zwei­ten«, rief Am­bro­si­us ent­rüs­tet. »Es ist wirk­lich un­ver­schämt. Wo soll ich denn einen Zwei­ten her­neh­men!«

      »Gott, wenn Sie nur woll­ten«, mein­te Wulf lä­chelnd.

      Är­ger­lich und ner­vös nag­te Am­bro­si­us an sei­ner Un­ter­lip­pe; es war zu wi­der­wär­tig, so in den al­ten Schelm drin­gen zu müs­sen. Ida

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