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nach der Gerte und ging erst einmal nach dem Schlafzimmer des Onkels, öffnete die Tür und lugte durch den Spalt. Lächelnd winkte ihm die Pflegerin zu, er trat näher und fand den Kranken friedlich schlafend. Leise gingen sie ins Nebenzimmer, wo Detlef hastig fragte:

      »So geht es meinem Onkel gut, Schwester Agathe?«

      »Erfreulich gut, Herr Graf. Er hat die Nacht durchgeschlafen.«

      »Gott sei Lob und Dank! Da wird der liebe Onkel Doktor schmunzeln, wenn er sein Sorgenkind in Augenschein nimmt.«

      Damit ging er zu den Ställen hinüber, wo ihm der Pferdepfleger, der schon sein Pony betreute, lachend über das ganze faltige Gesicht entgegensah.

      »Guten Morgen, Kilian. Immer noch in alter Frische?«

      »Muß ja woll so sin. Aber daß der Herr Graf jetzt wieder hier sind, na ja.«

      Hastig wandte er sich ab, ging in den Stall, wo er sich verstohlen über die Augen wischte und dann mit einem gesattelten Rappen erschien, bei dessen Anblick es in den Augen Detlefs aufleuchtete.

      »Aber das ist ja mein guter alter Witold!«

      Als er dann später das Frühstückszimmer betrat, war es nun wieder Jan, der seine geschulte Dienermiene heute so gar nicht in der Gewalt hatte. Die guten Augen leuchteten, das Gesicht zuckte.

      »Daß der Herr Graf nun wieder zu Hause sind! Es war so gar kein Leben hier, so ohne unseren jungen Herrn. Jetzt wird der Herr Graf bestimmt gesund werden.«

      »Gottlob, Alter. Aber wie ist es, muß ich allein frühstücken?«

      »Sehr wohl, Herr Graf. Unser Komteßchen schläft noch.«

      »Schön, laß ich es mir eben allein gut schmecken.«

      Nachdem er mit gutem Appetit sein Frühstück verzehrt hatte, ging er wieder ins Krankenzimmer und fand diesmal den Onkel wach vor. Die Schwester war gerade dabei, ihren Pflegling zu füttern, der alles willig schluckte, was ihm gereicht wurde.

      »Junge, da bist du ja«, klang die Stimme des Kranken dem Eintretenden entgegen. »Ich konnte es noch gar nicht fassen, glaubte geträumt zu haben, daß du nach Hause zurückgefunden hast. Wohl zwanzigmal mußte Schwester Agathe das beteuern. Komm, tritt näher. Wie geht es dir, mein Junge?«

      »Das möchte ich in erster Linie dich fragen, Onkel Rasmus«, war die lachende Erwiderung. »Denn schließlich bist du ja der Kranke. Gut geschlafen?«

      »Sehr gut sogar. Der lange Schlaf hat mich so erquickt, daß ich am liebsten aufstehen möchte.«

      »Wollen und können dürfte immer noch zweierlei sein, Herr Graf«, meinte die Pflegerin trocken, während sie den Kranken bequem bettete. »Dazu wird noch manches erquickende Schläfchen nötig sein.«

      »Na schön, Sie sollen recht behalten, Schwester Agathe. Laß ich mich eben von Ihnen tyrannisieren.«

      In dem Moment öffnete sich die Tür, und ein goldbraunes Köpfchen lugte durch den Spalt. Dann schob sich das grazile Persönchen nach und stand vor dem Bett des Vaters.

      »O Paps, ich bin ja so glücklich.«

      Dabei kullerten die hellen Tränen über die Wangen, die in den Tagen der Angst und Not blaß und schmal geworden waren.

      »Ist ja schon gut, mein Röslein«, beschwichtigte der Vater gütig. »Deine Äuglein dürfen nun wieder strahlen, die so viele heiße Tränen vergossen. War es schlimm, mein Kleines?«

      »Es ging an, Paps«, kam die Antwort mit einer Sanftmut, die bei dem sonst so temperamentvollen Persönchen eigen anmutete. »Aber das ist ja gewesen. Du wirst ganz gesund werden, und Detlef ist wieder da.«

      *

      Es war zwei Wochen später. Der November schickte sich an, sein launisches Regiment aufzugeben und dem Dezember Platz zu machen. Schon lag es wie ein Ahnen des kommenden eisigen Zepters über der Natur. Blutrot versank die Sonne hinter der See und deutete damit klaren Frost an.

      Die letzten, schon müden Strahlen huschten durch das trauliche Gemach, in dem Onkel und Neffe am prasselnden Kaminfeuer saßen. Ersterer war immer noch ein wenig schwach, obwohl er das nicht zugeben wollte. Die gefährliche Wunde, die ihm fast das Leben gekostet hatte, war schon vernarbt, aber immer noch empfindlich. Quer darüber klebte ein breites Pflaster.

      »Reich mir mal bitte die Zigarrenkiste, Detlef«, klang die Stimme des Älteren durch das behagliche Schweigen. »Zwei der beliebten Dinger sind vom Doktor erlaubt.«

      Einige hastige Züge aus der Zigarre, dann die verlegene Frage:

      »Du weißt doch hoffentlich, worum es sich handelt?«

      »Keine Ahnung, Onkel Rasmus.«

      »Junge, seit wann bist du denn so begriffsstutzig? Sitz nicht da wie die personifizierte Gelassenheit? Wenn ein anderer sich mit etwas herumplagt, was ausgesprochen werden muß.«

      Da lachte der andere auf, tief und klangvoll schwang dieses sonore Lachen durch den Raum.

      »Warum quälst du dich mit Dingen herum, die schon längst entschieden sind, Onkel Rasmus?«

      »Weil das nun hinfällig geworden ist, was du einem Todkranken versprachst. Und die sind allemal egoistisch, Detlef. Die denken nur daran, alles das, was ihnen lieb und wert ist, in treuen Händen zurückzulassen. Daher mein quälendes Verlangen, Rosita in deiner Hut zu wissen. Aber jetzt bin ich wieder gesund – oder beinahe.«

      »Und dieses Verlangen besteht nicht mehr, Onkel Rasmus?«

      »Doch, Detlef, nach wie vor. Mein ungeahnter, eigentlich lächerlicher Unfall hat mir nämlich bewiesen, wie leicht sterblich der Mensch ist, wie er im Augenblick dahin sein kann. Man muß eben sein Haus bestellt haben, verstehst du mich?«

      »Ja. Daher werde ich mein Wort einlösen und Rosita heiraten. Nun hast du es klipp und klar ausgesprochen. Was noch mehr?«

      »Junge, deine Gelassenheit möchte ich haben! Es handelt sich doch hier um dein Lebensglück, um deine Zukunft. Rosita wäre dir doch nur eine aufgezwungene Frau.«

      »Seit wann gibst du dich mit Phrasen ab, Onkel Rasmus?« fragte der Neffe ruhig. »Wenn ich Rosita heirate, geschieht es von meiner Seite aus aus freiem Willen. Wollen wir nicht lieber zu ergründen suchen, wie sie selbst darüber denkt?«

      »Sie liebt dich, Detlef.«

      »Was weiß dieses Kind von Liebe. Die ist ihr, wenigstens jetzt noch, ein unbekannter Begriff. Du hast Rosita eben zu weltfremd erzogen, das macht sich jetzt bemerkbar. Denn ein neunzehnjähriges Mädchen dürfte eigentlich nicht mehr so unbekümmert in den Tag hinein leben, müßte reifer, nicht mehr so kindlich sein.«

      »Na gut, ich stecke mir deinen Vorwurf als berechtigt ein, mein Sohn. Doch glaube mir, ich kenne mein Kind am besten. Es liebt dich, wenn auch vorläufig unbewußt.«

      »Somit wäre ja alles in schönster Ordnung.«

      Und dann trat Rosita ein. Wirr hingen die kastanienbraunen Locken über Gesicht und Nacken bis zur Schulter hinab, die Augen blitzten gleich kostbaren Saphiren.

      Die Hand, die nach einer Zigarette griff, ließ an Sauberkeit zu wünschen übrig, von einer Maniküre ganz zu schweigen. Der flauschige Pullover, den sie über der Bluse trug, zeigte ein Loch, die Hose war befleckt, die Reitstiefelchen bespritzt.

      Doch all das schien die kleine Amazone, die sozusagen auf dem Pferd zur Welt gekommen war, nicht zu stören.

      *

      Am Weihnachtsabend fand in der kleinen Schloßkapelle die Trauung statt, ganz poetisch unterm Weihnachtsbaum. Unbekümmert, wie sie alles tat, trat Rosita auch an den Altar, anzuschauen wie ein Weihnachtsengel in dem duftenden, schneeigen Hochzeitsstaat. Der Mund lachte, die Augen strahlten, doch der elegante, distinguierte Mann an ihrer Seite war tiefernst, gleichfalls der Brautvater, der sich bange Sorge machte. Wie würde diese Ehe sich gestalten, die ja nur auf seinen Wunsch hin geschlossen wurde? Es war ein heißes Flehen

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