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nicht unbegründete Zweifel. Nach heutigem Stand der Forschung handelte es sich tatsächlich um einen „falschen“ Zaren. Die Konfliktlage zwischen katholisch geprägter, polnischlitauischer Adelsrepublik und orthodoxem Moskauer Zarentum sowie wirtschaftliche Nöte spitzten sich in der sogenannten Zeit der Wirren jedoch so zu, dass es dem vermeintlichen Nachfolger möglich war, sein Recht auf den Zarenthron einzufordern. Insbesondere die Orientierung nach Westen, von der Demetrius seine Zeitgenossen zu überzeugen versuchte, trug zur europaweiten Mythisierung des Herrschers über das Moskauer Reich bei, das bereits unter Iwan IV. mehr und mehr in die mittel- und osteuropäische Wahrnehmung gerückt war.

      Mit dem Narren als Symbolfigur einer Welt des Umbruchs stellt Werner Mezger an ausgewählten Beispielen der Bildtradition eine Schlüsselfigur der Imagination vor, die sich von der noch mittelalterlich geprägten apokalyptischen Figur zu einem beliebig verfügbaren und höchst vielseitigen Konzept weiterentwickelt hatte. Ob im Lob der Torheit von Erasmus von Rotterdam oder im Narrenschiff von Sebastian Brant: In der Renaissance klingen nun selbstironisierende Töne an, die mehr und mehr die Gesellschaft der Zeit an sich in Frage stellen und an ihr so Kritik üben. Die Entwicklung einer reich ornamentierten Narrensprache in den Schriften zeigt sich auch in der bildenden Kunst, und trägt auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen bereits manieristische Züge. Mit dem beginnenden 17. Jahrhundert beginnt der Narr seinen Spiegel umzudrehen und der Welt vorzuhalten, damit sie ihre Verkehrtheit darin erkenne.

      Die in diesem Band zusammengestellten Beiträge wurden im Wintersemester 2005/06 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als Vorträge gehalten. Die Konzeption wie die organisatorische Durchführung der Vortragsreihe lag in den Händen von Verena Dolle, Andreas Hartmann, Michael Neumann, Alexei Rybakov, Almut Schneider, Christine Strobl und Angela Treiber. Für die äußerst kompetente redaktionelle Bearbeitung des Bandes sei Andreas Fuchs, für die sehr sorgfältige Durchsicht des Manuskripts sowie die Überprüfung der bibliographischen Angaben sei Benjamin Kraus sehr herzlich gedankt.

      ANMERKUNG

      1 François Rabelais, Der heroischen Taten und Raten des guten Pantagruel, Viertes Buch. Dt. Übersetzung Gottlob Regis. Darmstadt, Wissenschaftl. Buchgesellschaft, 1964 [1548/ 1552], S. 158.

      DOKTOR FAUSTUS

       Tobias Döring

      EINLEITUNG

      Wir sind am Kaiserhofe Karls V., des mächtigsten Herrschers im 16. Jahrhundert, Regent über ein Weltreich, dessen Ausdehnung die Kontinente wie die Ozeane umspannt. Bei aller Fülle seiner Macht und Herrlichkeit hat dieser Kaiser aber dennoch unerfüllte Wünsche, geheime Leidenschaften und Sehnsüchte, denen er im Herzen nachhängt. Da trifft es sich, dass eines Sommerabends ein Wahrsager erscheint. Ein fahrender Gelehrter, der, wie es heißt, in den Schwarzen Künsten weit gekommen sei, macht am Kaiserhof Station und kommt dort gerade recht. Nach Tisch lässt ihn der Kaiser zu sich holen, um seinen größten Wunsch erfüllt zu sehen. „Sehen“ ist hier durchaus im Wortsinn zu verstehen, denn eben das ist es, was Karl begehrt. Es drängt ihn, mit eigenen Augen zu sehen, wovon die Chroniken und Bücher so lange schon erzählen, er will es endlich einmal selbst erfahren: die Herrlichkeit des größten Herrschers der Antike, jenes mächtigen Eroberers und genialen Feldherrn, dessen Reich sich über alle Grenzen der seinerzeit bekannten Welt erstreckte und dessen legendärer Glanz sogar dem Kaiser unvorstellbar scheint. Er will Alexander den Großen und seine Gemahlin sehen „in Form vnd Gestalt / wie sie in ihren Lebzeiten gewesen“ sind.

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      Doktor Faustus; Radierung von Rembrandt van Rijn

      Was trug sich hier zu? Was genau mag sich, wenn wir dem zitierten Bericht folgen, damals am Habsburger Hof, dem Machtzentrum der Renaissance, wohl ereignet haben? Wie können und wie sollen wir das zauberische Rollenspiel, von dem die Rede ist, verstehen?

      Solchen Fragen will dieser Beitrag über Doktor Faustus nachgehen und im Weiteren versuchen, die Figur, die uns in der genannten Form entgegentritt und seither viele große Auftritte in der europäischen Kulturgeschichte gehabt hat, in ihren zeitgenössischen Kontext einzuordnen. Als vorläufige Antwort darauf, wie die geschilderte Begegnung aufzufassen ist, soll uns im Weiteren folgende These leiten: Was wir in dieser Szene beobachten können, ist ein Mythos der Renaissance – mehr noch, es ist der Mythos der Renaissance, der sich hier in Szene setzt. In Doktor Faustus und den seltsamen Erscheinungen, die seine Kunst heraufzubeschwören vermag, sehen wir womöglich, wie die Renaissance sich selber sah: als Erfüllung lang gehegter Wünsche, als Begegnung mit den selbst gewählten Vorfahren und Vorbildern, d. h. als wirkungsmächtige Vergegenwärtigung der Antike. Dass aber der damals Mächtigste, der Kaiser, dabei auf so fragwürdige Vermittlerdienste wie die eines fahrenden Gauklers und Gelehrten angewiesen bleibt, zeigt sowohl das Faszinierende wie auch das Prekäre des gesamten Unternehmens.

      Der Faustus-Mythos ist deutschen Lesern ja zumeist in seiner dramatischen Fassung bekannt, d. h. als Spielvorlage fürs Theater, zumal in der umfassenden und tiefgreifenden Ausgestaltung durch Goethes Lebenswerk. Lange vorher jedoch schon, im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, wurde Doktor Faustus bereits als Spielfigur auf die Theaterbretter gestellt und dabei derart populär, dass sie allenthalben nachgespielt und vielfach neu entworfen wurde. Ihren Ausgang nahm diese Bühnenkarriere seinerzeit in England, wo die Theater-Kultur in den späten Regierungsjahren von Elisabeth I. sehr viel höher als auf dem Kontinent entwickelt war. Umso aufschlussreicher ist es daher, dass in London um 1590 ein junger brillanter Kopf und sprachmächtiger Dramatiker namens Christopher Marlowe nach diesem brisanten Renaissance-Mythos griff und daraus eine spektakuläre Tragödie formte, die das Publikum förmlich in Bann schlug und ohne deren dramatische Errungenschaften – darunter so zentrale Bühnenmittel wie der tragische Monolog – beispielsweise Shakespeares Hamlet zehn Jahre später völlig undenkbar wäre. Auf Marlowes Stück werde ich zum Ende dieses Beitrags noch zurückkommen, um meine These weiter zuzuspitzen, und zwar dahingehend, dass der Faustus-Mythos im Grunde ein Mythos von der Macht der Bühne ist. Denn mir scheint, dass die fragwürdigen Vermittlerdienste der Magie und Zauberei, die er vorführt, zugleich und zuerst Mittel des Theaters sind, wie sie bei allen Bühnen-Akten in Aktion treten und wie sie gerade die zitierte Alexander-Szene zeigt. Aber der Reihe nach. Bevor wir uns dem englischen Theater der Frühen Neuzeit zuwenden, soll hier vor allem die deutsche Tradition der Faustus-Überlieferung im 16. Jahrhundert – oder, wie man wohl auch sagen könnte, der Erfindung des Faustus-Mythos im 16. Jahrhundert – geschildert und danach befragt werden, was sie uns über das Programm wie das Problem der Renaissance erzählt.

      VORFAHREN UND NACHFAHREN

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