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Vergleich erklären. Die Welt gehört einer großen Firma, den Englishspeakers. Die Firma hat zwei Geschäftsinhaber. Es sind heute zwei feindliche Brüder, die zum Schaden des Hauses gegeneinander arbeiten. Die Firma kann nur gedeihen, wenn ihre Leiter einig sind und einig handeln. Müßte nicht der eine der Inhaber die Führung haben?«

      Dr. Glossin schwieg und wandte dem Brande seiner Zigarre sehr eingehende Aufmerksamkeit zu.

      »Die feindlichen Brüder sind wohl in diesem Gleichnis England und Amerika?«

      Dr. Glossin bejahte die Frage Lord Gashfords durch ein leichtes Nicken.

      Der Premier sprach weiter: »Welcher von den beiden wird dem anderen weichen?«

      Glossin hatte wieder mit der Zigarre zu tun, bevor er die Antwort formulierte. Langsam, sorgfältig Wort für Wort wägend.

      »Im Geschäftsleben würde es der sein, der die geringere Erfahrung hat … der weniger tüchtige … meistens wohl der jüngere.«

      Lord Horace unterbrach ihn.

      »Glauben Sie, daß Cyrus Stonard jemals freiwillig weichen würde?«

      »Wenn nicht freiwillig, dann gezwungen!«

      »Das hieße Stonard stürzen! Freiwillig wird er nie nachgeben.«

      »Deswegen bin ich hier!«

      Das Wort war heraus. Seine Wirkung auf den Premier war unverkennbar. Lord Horace blieb äußerlich unverändert. Nur sein Gehirn arbeitete fieberhaft und schmiedete lange Schlußketten … Er weiß, daß die geheimnisvolle Macht wirkt. Daß es vielleicht schon in nächster Zeit, vielleicht in wenigen Tagen nur noch eines leisen Anstoßes bedürfen wird, um den Diktator zu stürzen. Er wechselt beizeiten die Fahne … Immerhin, seine Arbeit kann England nützlich sein …

      Lord Gashford fragte mit leicht vibrierender Stimme: »Wie sollte es geschehen?«

      »Das wird meine Sache sein!«

      »Sie wollen das vollbringen? Und wenn es Ihnen gelänge, was hat England dafür zu zahlen?«

      »Nichts!«

      »Und was verlangen Sie dafür?«

      »Englands Freundschaft!«

      Lord Gashford reichte dem Doktor die Hand.

      »Deren können Sie versichert sein. Für die Ausführung stehen Ihnen unsere Mittel zur Verfügung. Lord Maitland wird die Einzelheiten mit Ihnen besprechen.«

      Sie hatten diese Besprechung im Stadthause von Lord Horace. Dr. Glossin verlangte von der englischen Regierung für sein Unternehmen keine materiellen Mittel. Nur ein paar Einführungsschreiben an einige amerikanische Vereinigungen. Das war alles. Lord Horace geriet in Zweifel, ob es dem Doktor jemals gelingen könne, mit solchen bescheidenen, fast kindlich anmutenden Hilfsmitteln einem Manne wie Cyrus Stonard gefährlich zu werden. »Das wäre alles, Herr Doktor?«

      »Alles, mein Lord.«

      »So wünsche ich Ihnen um der anglosächsischen Welt willen den besten Erfolg.«

      »Ich danke Ihnen. Noch eine persönliche Bitte. In meiner Begleitung befindet sich hier in London meine Nichte, Miß Jane Harte. Mein Aufenthalt in den Staaten könnte längere Zeit dauern. In der Voraussicht kommender Umwälzungen und Unruhen habe ich sie hierhergebracht. Ich bin ihr einziger Verwandter. Sie hängt an mir, ist meine einzige Freude, hat außer mir niemand in der Welt. Wenn ich wüßte, daß sie in Ihrem Hause … bei Ihnen … bei Lady Diana einen Anhalt findet, wäre ich Ihnen mehr zu Dank verpflichtet, als ich es Ihnen in Worten ausdrücken kann.«

      »Ich werde die junge Dame als Gast in mein Haus nehmen. Sie soll in sicherer Hut bei uns bleiben, bis Sie, Herr Doktor, aus den Staaten zurück sind.«

      Der Doktor ergriff die Hand Lord Maitlands.

      »Ich danke Ihnen, mein Lord. Ich bedauere es, Lady Diana nicht persönlich meine Empfehlung übermitteln zu können …«

      Dr. Glossin ging, den Mann zu verraten, durch den er zwanzig Jahre mächtig und reich gewesen war.

      Seit jener Stunde, in der Diana die Todesnachricht Erik Truwors empfing, in der sie in der Fülle überströmender Gefühle ihre ganze Vergangenheit vor Lord Horace bloßlegte, war das Verhältnis der Gatten ein anderes geworden. Lady Diana zog sich nach Maitland Castle zurück. Lord Horace blieb in London, um sich mit verdoppeltem Eifer den Regierungsgeschäften zu widmen. Nicht nur die Sorge um das Land trieb ihn dazu, sondern wohl ebenso stark das Verlangen, sich durch angestrengte Arbeit zu betäuben, durch rastlose Tätigkeit der quälenden Gedanken ledig zu werden, die ihn seit jener Unterredung nicht loslassen wollten.

      Mit dem Toten hatte er bald abgeschlossen. Was Diana getan, um dem Jugendgespielen, dem Manne, dessen Gattin sie werden sollte und fast war, den Abschied vom Leben leicht zu machen, das hatte er mit der abgeklärten Ruhe des gereiften Mannes verstehen und verzeihen gelernt.

      Die Unruhe und Qual schuf ihm der andere. Der Lebende – den Diana noch für tot hielt. Und zu dessen Vernichtung sie doch ihre Hand geboten hatte.

      War dieser Haß echt? Konnte solcher Haß echt sein?

      War es nicht nur in Haß verkehrte Liebe, die wieder Liebe werden konnte?

      Erik Truwor lebte!

      Wie würde Diana die Nachricht von seiner Rettung aufnehmen?

      Er bangte vor der kommenden Stunde und sehnte sie doch herbei.

      Die Nachricht, daß sie nach London kommen solle, erreichte Diana um die vierte Nachmittagsstunde in Maitland Castle. Der Diener, der ihr die Botschaft überbracht, hatte längst den Raum verlassen. Diana saß immer noch regungslos und hielt das Papier in den Händen. Das Faksimile des chemischen Fernschreibers zeigte die charakteristischen Schriftzüge ihres Gatten. Nur wenige Worte.

      »Ich bitte Dich, umgehend nach London zu kommen.«

      Was bedeutete diese Botschaft? Horace rief sie … rief sie … warum?

      Ihre Brust wogte im Widerstreit der anstürmenden Gefühle. Seit jenem Tage der Aussprache hatte sie Horace nicht wieder gesehen. In stillschweigender Übereinkunft hatte sie sich einer freiwilligen Verbannung unterworfen.

      Ihre hellsichtigen Frauenaugen erkannten wohl, daß ein Mann, auch wenn er die Großherzigkeit ihres Gatten besaß, nicht so leicht und schnell über das hinwegkommen konnte, was sie ihm in ihrer Seelennot offenbarte. Deshalb hatte sie gewartet. Von Tag zu Tag … geduldig. Doch je länger sie warten mußte, desto schlimmer fraß die Pein des Wartens an ihr. Ihre Liebe zu Horace war so stark und rein, daß ihr nicht einen Augenblick der Gedanke kam, ganz andere Ängste und Sorgen könnten ihres Gatten Herz beschweren. Hätte sie es gewußt, wie leicht wäre es ihr gewesen, seinen Argwohn zu zerstreuen.

      In windender Fahrt trug die schnelle Maschine Diana Maitland, ihre Zweifel, ihre Hoffnungen und Wünsche nach London.

      Ohne sich erst in ihre eigenen Räume zu begeben, betrat sie das Arbeitzimmer ihres Gatten. Lautlos schlossen sich die schweren Portieren hinter ihr. Der schwellende indische Teppich dämpfte ihren Schritt.

      Lord Horace saß am Schreibtisch, das Gesicht dem Fenster zugewandt.

      Diana umfaßte seine Gestalt mit ihren Blicken.

      Was dachte er? …

      Wie wird er ihr entgegentreten? …

      Der erste Gruß. Wie wird er sein?

      Tonlos formten ihre Lippen das eine Wort: »Horace!«

      Der Hauch drang nicht an sein Ohr.

      »Horace!« Rauh und gepreßt tönte der Name durch den Raum.

      »Diana!« … Lord Horace war aufgesprungen. Die Gatten standen sich gegenüber. Ihre Blicke begegneten sich und wichen einander aus.

      Dianas Herz krampfte sich zusammen. Was sie erhoffte, was sie ersehnte … es war es nicht. Ihre Augen wurden still. Ein konventionelles

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