Скачать книгу

Micki ergangen. Zweimal musste sich Isolde tief hinunterbücken, ehe sie das Kind aufheben konnte.

      Der Weg zurück auf die Wiese war beschwerlich, obwohl es doch nur wenige Schritte waren. Noch immer umklammerte die kleine nasse Hand die Schnur des Ballons.

      Micki hatte etwas Wasser geschluckt, aber sie kam allmählich wieder zur Besinnung und begann jämmerlich zu weinen.

      »Arme kleine Micki … keine Angst«, flüsterte Isolde zärtlich. »Du hast nicht achtgegeben. Aber ich habe dich gleich wieder aus dem Wasser geholt. Es ist gar nichts passiert.«

      »Ich bin ganz nass«, schluchzte Micki.

      »Wir gehen in dein Zimmer und holen neue Sachen. Vorher schrubben wir dich in der Wanne ab. Schau, du hast überall grünen Tang an dir.«

      »Ich …, ich bin so …, so erschrocken, Tante.«

      »Ich auch, Micki. Was meinst du, wie ich gelaufen bin, damit ich dich schnell wieder herausholen konnte.«

      Micki, pitschnass wie Isolde, schmiegte sich fester an ihren Arm. »Bloß gut, dass du gleich da warst, Tante.«

      Der dankbare, vertrauensvolle Blick aus den großen Kinderaugen rührte Isolde von Rettwitz seltsam ans Herz. Unwillkürlich neigte sie den Kopf und drückte die Lippen auf Mickis runde Stirn.

      »Ja, Micki, ich bin auch froh darüber.« Plötzlich erfasste sie nachträglich der Schrecken. Wenn die Kleine nun zu Schaden gekommen wäre!

      Im Haus trafen sie Schwester Regine, die Micki schon vermisst hatte und über den triefenden Aufzug von Isolde mit dem kleinen Mädchen recht erschrak. Doch Isolde beruhigte sie mit ein paar Worten. Es sei nichts Schlimmes geschehen. Micki sei gestolpert und dadurch ins Wasser gefallen.

      Schwester Regine wollte Micki auf den Arm nehmen, um sie ins Bad zu tragen. Da klammerte sich Micki fest an Isolde.

      »Nein, die Tante soll mich waschen und anziehen. Nicht wahr, Tante, du hast es mir versprochen.«

      »Schau doch«, legte sich Schwester Regine ins Mittel. »Die Tante ist doch selbst nass und muss sich erst umziehen.«

      Isolde nickte Schwester Regine zu. »Lassen Sie nur! Micki hat einen Schrecken bekommen. Jetzt wollen wir zwei ganz gern noch ein bisschen beisammenbleiben. Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, dann holen Sie mir bitte aus meinem Zimmer den blauen Bademantel.«

      »Natürlich gern, Frau von Rettwitz.« Schwester Regine lief weg.

      »Wo ist das Bad?«, erkundigte sich Isolde indessen bei Micki.

      Die kleine Person, den Luftballon immer noch fest an der Schnur haltend, zeigte ihr die richtige Tür. Isolde drehte den Hahn auf und begann Micki auszuziehen. Auf dem sauberen Fliesenboden bildete sich ein hässlicher, schmutzignasser Fleck, wo die beiden standen.

      »Du musst auch baden«, lachte Micki plötzlich. »Du bist so dreckig wie ich.«

      Isolde stimmte in das Kinderlachen ein. Besonders das Wort dreckig fand sie komisch.

      »Erst du und dann ich, Micki. Bei mir kommt es auf ein paar Minuten nicht an.«

      Endlich war auch das letzte klebrig­nasse Kleidungsstück von Mickis Körperchen abgezogen. Isolde hob das Kind in die Wanne, nachdem sie sorgsam geprüft hatte, ob das Wasser auch nicht zu heiß war.

      »Das ist besser als der olle Ententeich, nicht wahr?«

      »Ja, Tante.« Micki strahlte und hatte ihren Schock bereits vollkommen überwunden.

      Nun erschien Schwester Regine mit dem Bademantel. Eilig schlüpfte Isolde aus ihrem durchweichten Zeug und streifte den Bademantel über. Glücklicherweise war es nicht kalt. So würde sich weder Micki noch sie selbst einen Schnupfen von dem kleinen Unfall holen.

      »So, jetzt wasche ich dich, Micki.«

      »Kannst du das denn?«

      »Aber natürlich. Das wirst du gleich sehen. Die Haare müssen wir auch säubern, Schwester Regine.«

      »Ich tue es gern, Frau von Rettwitz.« Schwester Regine wollte sie ablösen, aber Micki setzte ihren Dickkopf wieder durch.

      »Nein, die Tante soll alles machen.«

      Isolde wusch also das kleine Persönchen von oben bis unten ab, seifte die Haare ein und duschte am Ende den Schaum wieder herunter. Dann wurde Micki in ein riesiges weißes Badelaken eingewickelt und trockengerubbelt. Am Schluss wurden Kamm und Fön benutzt, um das Blondhaar in Ordnung zu bringen.

      Schwester Regine brachte frische Wäsche und ein neues Kleidchen, dazu Schuhe und Strümpfe.

      »So, jetzt ist unsere Micki fein, aber die Tante Isolde sieht aus wie eine gebadete Maus«, stellte Isolde vergnügt fest.

      »Gebadete Maus«, lachte Micki.

      Isolde raffte ihre nassen Sachen zusammen und wollte sich in ihr Zimmer zurückziehen.

      Micki setzte ein weinerliches Gesicht auf. »Geh nicht weg, Tante Isolde.«

      »Also gut, du kannst mitkommen.«

      Hand in Hand gingen die beiden in Isoldes Zimmer. Sie boten ein etwas wunderliches Bild. Das Kind war blitzsauber, und sein helles Haar schimmerte wie Seide. Isolde lief auf bloßen Füßen und trug nichts als den Bademantel.

      »Wohnst du hier, Tante Isolde?«, erkundigte sich Micki und schaute sich neugierig in dem Gästezimmer um, wo Isolde nun rasch frische Sachen für sich aus dem Schrank nahm.

      »Ja, es ist hübsch, nicht wahr?«

      »Hm.« Micki öffnete die schmale Tür zum angrenzenden Bad. »Jetzt musst du auch in die Wanne«, erklärte sie triumphierend.

      »Natürlich. Du kannst inzwischen hier warten.« Isolde zögerte einen Moment, dann ging sie noch einmal an den Wandschrank und nahm ein in Seidenpapier gehülltes Päckchen heraus. Sie reichte es Micki. »Hier, wenn du damit spielen willst.«

      Ein kleiner Teddybär kam zum Vorschein – Renatas Bettspielzeug. Isolde hatte den Teddy eingepackt, aber bisher im Schrank liegen lassen, ohne ihn auch nur ein einziges Mal angeschaut zu haben.

      »Das ist lieb. Ich mag ihn, Tante Isolde.« Micki presste den Teddy an sich.

      Isolde lächelte dem Kind zu und ging ins Bad, wo sie duschte und anschließend ihr Haar wusch. Beim Fönen durfte Micki sie kämmen, worauf die Kleine wirklich mächtig stolz war.

      »Jetzt sind wir beide schön, Micki.«

      Isolde hatte ein helles Kleid angezogen. Sie hätte selbst nicht erklären können, warum sie plötzlich eine Abneigung gegen alle dunklen Farben empfand.

      »Ja, Tante Isolde. Was machen wir nun?«

      »Ich glaube, ich werde mich wieder an die Nähmaschine setzen.«

      »Ich komme mit.« Micki drückte den Teddy an sich und hielt ihren unvermeidlichen Luftballon in der Hand.

      Isolde ließ sie gewähren. Unter dem allerliebsten und zutraulichen Geplauder des kleinen Mädchens verging der Rest des Vormittags rasch. Als die beiden roten Schulbusse vorfuhren, die die Volksschüler und Gymnasiasten heimbrachten, war der Zwischenfall im Ententeich schon fast vergessen.

      Aber für Isolde von Rettwitz war etwas Entscheidendes geschehen: Sie hatte mit Micki Freundschaft geschlossen.

      Es gongte zu Tisch. Fröhlicher Lärm erfüllte das Herrenhaus.

      »Ist es jetzt mein Teddy?«, fragte Micki bettelnd.

      Ohne zu zögern nickte Isolde.

      »Ja, ich schenke ihn dir, Micki. Du sollst ihn immer lieb haben.«

      Die Kinderaugen leuchteten auf. »Ich mag ihn, den Teddy.«

      Bei Tisch setzte sich Micki eigenmächtig neben ihre Tante Isolde. Natürlich ließ man sie gewähren. Die anderen Kinder stellten mit heimlicher Verwunderung fest, dass Frau von

Скачать книгу