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…« Seine hochgezogene Augenbraue ließ sie innehalten. »Schon gut, ich hab verstanden«, gab sie ihre Gegenwehr endlich auf. »Gleich nachher rufe ich Daniel an und frage ihn, ob er mich vertreten kann.« Mit einer geschickten Drehung schwang sie sich auf Romans Schoß und zerzauste mit beiden Händen sein Haar.

      »Zumal das Zillertal nicht wirklich weit weg ist«, gab er zu bedenken. »Falls tatsächlich Not am Mann sein sollte, bist du in weniger als zwei Stunden zu Hause.« Er hielt sie an den Handgelenken fest und zog sie zu sich. »Alle Achtung! Sie machen wirklich Fortschritte, Frau Doktor!«, lobte er sie, ehe er sich an sich zog und sich mit einem innigen Kuss bedankte.

      *

      Ricarda Lohmeier saß neben ihrem Mann in der großen Wohnküche. Fotoalben, in denen sie in liebevoller Kleinarbeit die vergangenen sieben gemeinsamen Jahre dokumentiert hatte, lagen auf dem Tisch. Sie ließen gerade ihre Anfänge wieder aufleben, als sie den nahenden Krampf bemerkte.

      »Ich bin gleich wieder bei dir, mein Schatz!«, entschuldigte sie sich und stand so abrupt auf, dass sie gegen den Tisch stieß.

      Die vollen Kaffeetassen schwappten über und ergossen sich über eine der Seiten.

      Doch Manfred achtete nicht darauf. Verwirrt sah er seiner Frau nach, die aus dem Zimmer stürzte, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Als sie auch nach ein paar Minuten nicht zurückgekommen war, stand er auf, um nach ihr zu sehen.

      »Ricky, wo steckst du?«

      »Im Bad. Ich bin gleich wieder bei dir.« Ihre Stimme klang gedämpft durch die Holztür.

      »Geht’s dir gut?«

      »Alles bestens, mach dir keine Sorgen.«

      Manfred zögerte. Als kein Laut mehr aus dem Badezimmer drang, kehrte er zurück an den Tisch. Inzwischen waren die drei Bilder nicht mehr zu retten. Er löste sie aus dem Album und betrachtete sie noch, als Ricarda zu ihm zurückkehrte.

      »Oh, was ist denn mit denen passiert?« Sie sah ihm über die Schulter.

      »Als du aufgesprungen bist, hast du Kaffee ausgeschüttet.«

      »Ausgerechnet die Fotos von unserem ersten gemeinsamen Urlaub.« Betroffen nahm Ricarda ihm das Bild aus der Hand. »Gartenhotel Kristall. Vier Jahre ist das schon her. Wie die Zeit vergeht.« Ohne es aus der Hand zu legen, setzte sie sich wieder neben Manfred.

      »Wir wollten immer mal wieder dorthin fahren.« Er war so versunken in diese Vorstellung, dass er das gequälte Lächeln seiner Frau nicht bemerkte.

      »Vielleicht schaffen wir es ja nächstes Jahr«, schlug sie einen betont munteren Tonfall an. »Aber morgen gehen wir erst einmal auf die Silvestergala.« Sie beugte sich zu ihm und streichelte ihm über die Wange. »Das ist so lieb von dir, dass du die Einladung angenommen hast. Wo du doch solche Promiveranstaltungen nicht leiden kannst.« Ihre Worte kamen von Herzen.

      Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie nach einer katastrophalen Ehe und Jahren des Singledaseins doch noch die Liebe ihres Lebens gefunden hatte. Auch nach sieben gemeinsamen Jahren waren sie verliebt wie am ersten Tag, respektierten und schätzten einander und das, was sie miteinander hatten.

      »Dein Wunsch ist mir Befehl.« Manfred nahm ihre Hand. Ohne sie aus den Augen zu lassen, küsste er die Innenfläche. »Geht’s dir nicht gut? Du bist so blass um die Nasen«, fragte er.

      Unwillkürlich erinnerte er sich wieder an ihr plötzliches Verschwinden.

      Ricarda erschrak. Auf keinen Fall sollte er Verdacht schöpfen.

      »Ich hab heute Nacht schlecht geschlafen.«

      »Schade. Und ich dachte schon, du bist schwanger«, scherzte Manfred.

      Eines ihrer Lieblingsspiele war es, sich auszumalen, wie ihre gemeinsamen Kinder ausgesehen, welche Charaktereigenschaften sie gehabt hätten. Doch dieser Traum würde niemals in Erfüllung gehen. Dazu hatten sie sich zu spät kennengelernt.

      Ricarda lachte pflichtschuldig. Nach ihrer Übelkeit zu schließen, erwartete sie Fünflinge. Aber das sagte sie ihrem Mann nicht. Stattdessen wechselte sie das Thema und sprach lieber wieder über die bevorstehende Silvestergala, mit der Manfred sie überrascht hatte.

      *

      »Also, im Augenblick geht der Trend wieder zu kurzen Cocktailkleidern. Wenn auf der Einladung aber steht, dass die Herren im Smoking erwartet werden, dann solltest du dich lieber für ein langes Abendkleid entscheiden.« Dési Norden stand im Schlafzimmer ihrer Eltern, die Einladungskarte in der Hand, und interpretierte den Text.

      Felicitas Norden musterte ihre Tochter verwirrt.

      »Woher weißt du das alles?«

      »Ganz einfach.« Dési lachte und warf ihr wunderschönes Blondhaar in den Nacken. »Ich interessiere mich dafür.«

      »Ich dachte, du interessierst dich für Mathe und Wirtschaft und solche Sachen.«

      »Das auch. Aber zum Glück bin ich nicht so eindimensional wie so viele meiner inselbegabten Mitschüler. Oder wie mein langweiliger Bruder.«

      Ihren Worten ließ sie eine wegwerfende Handbewegung folgen. Fee lachte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Schwer zu glauben, dass dieses bunt gekleidete Mädchen mit der absoluten Unfähigkeit, mit ihrem Taschengeld umzugehen, so vielseitig begabt war.

      »Ich kann immer noch nicht verstehen, wie jemand, der ein Faible für Wirtschaft hat, so schlecht im Umgang mit Geld sein kann.« Es war Daniel, der diese Wahrheit laut aussprach. Er war in der Schlafzimmertür aufgetaucht und lächelte seine beiden Frauen an. »Vielleicht erklärst du mir das bei Gelegenheit mal.«

      Doch Dési lachte nur.

      »Das ist doch ganz einfach. Auf meine Geldprobleme reagiere ich mit Abwehr und Verdrängung«, erläuterte sie. »Die Psychologie ist sich inzwischen einig, dass das eine sinnvolle und notwendige Einrichtung der Natur ist. Sonst würde ich beim Blick auf mein Taschengeldkonto jedes Mal in Tränen ausbrechen.«

      »Manchmal frage ich mich, ob das nicht einen heilenden Effekt hätte«, platzte Fee heraus.

      »Vorsicht!«, warnte Dési gutmütig. »Du solltest dich gut mit mir stellen. Sonst verrate ich dir nicht, was du anziehen sollst.«

      Felicitas schickte ihrem Mann einen Hilfe suchenden Blick. Aber Daniel zuckte nur mit den Schultern.

      »Du hast die Kinder erzogen.« Er zwinkerte ihr zu, als irgendwo im Haus das Telefon klingelte.

      »Lasst euch nicht stören. Ich gehe es suchen«, versprach er und verschwand von der Bildfläche.

      »Also schön. Wo waren wir stehen geblieben?« Dési konzentrierte sich. »Ach ja, bei dem langen Abendkleid.« Sie ging zum Schrank und öffnete ihn. Nach einigem Hin und Her zog sie ein schwarzes Bustierkleid aus weichfließendem Stoff hervor. »Das hier zum Beispiel.«

      Fee streckte die Hand danach aus.

      »Das hatte ich mir für die Kreuzfahrt gekauft. Ich kann mich nicht erinnern, es je getragen zu haben.«

      »Dann wird es höchste Zeit. Es ist wunderschön.« Désirée hielt es sich vor den Körper und drehte sich vor dem Spiegel. »Aber wenn du es nicht magst, nehme ich es gern. Ich könnte hier was wegschneiden und da was abändern …«

      »Nein, nein, schon gut. Mir gefällt es sehr«, versicherte Felicitas schnell. »Dazu passt die große Tasche, die ich mir neulich gekauft hab …«

      Mitten im Satz ihrer Mutter verdrehte die Tochter die Augen.

      »O Mum, das geht gar nicht. Zu einem langen Kleid trägt man möglichst kleine Accessoires. Wo sind denn deine Taschen? Und die Schmuckschatulle?« Sie sah Felicitas erwartungsvoll an, als Daniel zu seinen beiden Frauen zurückkehrte. Er hielt Fee den Hörer hin und strahlte sie an.

      »Hier habe ich eine Überraschung für dich.«

      »Wer ist es?«

      »Geh

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