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Hartnäckigkeit schmeichelte ihr. Trotzdem blieb sie hart.

      »Ich weiß noch nicht, wann ich hier rauskomme. Heute scheint irgendwie nicht mein Tag zu sein.«

      »Bitte nimm mir nicht jede Hoffnung.« Moritz ließ seinen ganzen Charme spielen und zauberte ein verführerisches Lächeln hervor.

      »Ich werde sehen, was ich tun kann.« In diesem Moment hallte Marlas Stimme durch das Café. Tatjana atmete erleichtert auf. »Mein Typ scheint heute sehr begehrt zu sein.« Sie erwiderte sein Lächeln, bevor sie dem Ruf ihrer Mitarbeiterin folgte.

      Moritz sah ihr nach. Ihre Standhaftigkeit machte sie nur noch interessanter, und er nahm sich vor, das Spiel weiterzuspielen, solange er noch in München war.

      *

      Es war später Vormittag, als Matthias Weigand die ersten freien Minuten dieses Tages nutzen konnte. Doch statt sich ein Mittagessen in der klinikeigenen Cafeteria zu gönnen, machte er sich auf den Weg zu Nicole Rosenholz. Aus irgendeinem Grund wollte ihm die elfenhafte Patientin mit dem kurzen Pony nicht aus dem Kopf gehen. Die Diagnose beschäftigte ihn. Er wusste, wie schwer es werden konnte, den Auslöser für ihre Krankheit herauszufinden, und welch harten Weg sie unter Umständen vor sich hatte.

      Umso erstaunter war er, als er sie aufrecht im Bett sitzend vorfand, das Tablett mit dem Mittagsessen vor sich.

      »Na, ihnen scheint’s ja zu schmecken!«

      Nicole schob einen Löffel Gemüsereis in den Mund und nickte eifrig.

      »Es ist köstlich! Kompliment an die Klinikküche.«

      »Nicht so hastig. Nicht, dass Sie sich verschlucken«, mahnte Matthias lächelnd, als sie sofort ein Stück Fisch hinterher schob.

      Nicole lachte. Grübchen erschienen auf ihren Wangen. Dr. Weigand betrachtete sie fasziniert. Um sie nicht fortwährend anzustarren, konzentrierte er sich auf die Aufzeichnungen in ihrer Akte. Bevor Dr. Norden an diesem Morgen gegangen war, hatte er sich gemeinsam mit seinen Kollegen für eine Behandlung entschieden. Es war erstaunlich, wie schnell sie anschlug.

      »Sie können sich nicht vorstellen, wie herrlich es ist, endlich wieder normal zu essen. In letzter Zeit war mir permanent schlecht. Das ist plötzlich vorbei.«

      »Sie fühlen sich tatsächlich besser?« Matthias konnte es nicht glauben, dass das Heilmittel so schnell gefunden war.

      Nicole legte den Kopf schief und sah ihn an.

      »Ja«, bestätigte sie. »Viel besser. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich nun doch nicht so kompliziert bin, wie es ausgesehen hat«, fuhr sie scherzend fort.

      »Nein, nein, natürlich nicht«, versicherte Matthias und klappte die Akte zu. »Wissen Sie, dass Sie großes Glück haben? Ehrlich gesagt dauert die Suche nach einem geeigneten Medikament manchmal Wochen und Monate.«

      »Wirklich?« Sie schob den letzten Löffel Reis in den Mund und schob das Tablett von sich. Satt und zufrieden lehnte sie sich zurück. »Gott sei Dank hat mir das niemand vorher gesagt hat.«

      »Das stimmt. Manchmal ist es besser für die Psyche, nicht allumfassend informiert zu sein.« Ein Gedanke schwirrte ihm im Kopf herum. »Und? Bekommen Sie heute Besuch?«

      Nicole wusste sofort, worauf er anspielte.

      »Drei Verabredungen konnten meinen Verehrer offenbar nicht genug überzeugen«, gab sie ihm die gewünschte Auskunft. »Kein Wunder. Sie hätten mich auch nicht gewollt, wenn mir beim Essen ständig schlecht geworden wäre.«

      »Das würde ich so nicht unterschreiben«, schlug Matthias einen unbeschwerten Ton an. Gleichzeitig zog sich sein Herz zusammen vor Mitgefühl. Das Leben war manchmal ungerecht. »Was ist mit Freunden? Kollegen?«

      »Ich bin noch nicht so lange in München. Die meisten Menschen, die ich hier kennengelernt hab und mag, sind zwischen sechs und sieben Jahren alt.« Nicole unterdrückte ein Gähnen.

      Die Mahlzeit hatte sie müde gemacht.

      »Na, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als öfter mal vorbeizukommen«, versprach Dr. Weigand. »Aber jetzt lasse ich Sie erst einmal schlafen.« Er verabschiedete sich und war schon an der Tür, als Nicole plötzlich aufschrie.

      »Meine Augen! Ich … ich kann nichts mehr sehen.«

      Ruckartig fuhr er zu ihr herum. Sie saß aufrecht im Bett. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihm direkt ins Gesicht. Aber sehen konnte sie ihn nicht. »Was ist mit meinen Aug …« Als ihre Glieder anfingen zu krampfen, versagte ihr die Stimme.

      Mit großen Schritten stürzte Dr. Weigand zurück ans Bett, in dem Nicole kämpfte und sich wie von Sinnen wand. Der Herzmonitor zeichnete ihre rasenden Herzschläge auf. Blitzschnell drückte er den Notknopf und wollte Unterstützung anfordern, als ein durchdringendes Pfeifen ertönte. Nicole Rosenholzs Herz hatte aufgehört zu schlagen.

      *

      »Herrgott noch einmal, Janine, das ist die falsche Akte! Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass ich die Unterlagen von Maria Schneyder mit y brauche und nicht mit i?«, schimpfte Danny Norden.

      Das schlechte Verhältnis zu seiner Freundin wirkte sich auf seine Stimmung aus. Gegenüber den Patienten gelang es ihm, professionelle Freundlichkeit walten zu lassen. Doch bei den Mitarbeitern hörte die vornehme Zurückhaltung auf.

      Die Patientenkarte klatschte so heftig auf den Tresen, dass die Assistentin zusammen zuckte.

      »Tut mir leid«, stammelte sie erschrocken und schickte dem Seniorchef, der hinter seinem Sohn aufgetaucht war, einen hilfesuchenden Blick. »Machen Sie nie einen Fehler?«

      »Doch, tut er.« Es war Daniel Norden senior, der an Dannys Stelle antwortete. »Zum Beispiel durch die Praxis schreien, dass die Wände wackeln.« Seine Stimme war voller Tadel. »Du hast nur Glück, dass keine Patienten mehr da sind. Sonst hättest du jetzt ein ernsthaftes Problem mit mir.«

      Danny zögerte kurz, ehe er sich umdrehte.

      »Schon gut. Entschuldige, Dad.«

      »Du musst dich nicht bei mir entschuldigen, sondern bei Janine.«

      Zerknirscht lächelnd folgte der Junior der Aufforderung und wandte sich an die Assistentin.

      »Reicht ein Kniefall?«

      Janine hatte die Zeit genutzt, um sich eine geeignete Strafe auszudenken.

      »Davon hab ich ja nichts. Ich fordere die Zimtschnecke, die Sie sich aufgehoben haben.«

      »Das ist nicht fair. Sie können alles haben. Mein neues Handy, meinen Wagen, die Wohnung … aber bitte nicht die Zimtschnecke«, flehte Danny um Gnade.

      Mit verschränkten Armen und unbarmherziger Miene stand Janine hinterm Tresen.

      »Zimtschnecke! Oder ich kündige.«

      Danny seufzte theatralisch.

      »Also schön. Bedienen Sie sich«, gab er sich schließlich mit einem Augenzwinkern geschlagen.

      »Das ist unfair! Ich möchte auch eine Zimtschnecke haben«, mischte sich Wendy an dieser Stelle in die Diskussion ein.

      »Dazu musst du dich schon von Danny anschnauzen lassen«, kicherte Janine und biss herzhaft in das süße Teil.

      »Leider würde das im Augenblick nichts nützen. Die Tüte ist leer.« Zum Beweis zerknüllte Danny die Papiertüte, zielte und warf sie in den Abfall. »Cool!«, lobte er sich selbst. »Wenn ich es mir mit euch allen verderbe, kann ich immer noch Basketball-Profi werden.«

      »Keine Sorge. So leicht kommst du mir nicht davon. Ich muss mit dir reden.«

      Die ernste Stimme seines Vaters ließ Danny aufhorchen.

      »Ist was passiert?«, fragte er, während er Daniel in sein Sprechzimmer folgte.

      Sie setzten sich in die Besucherecke.

      »Erinnerst

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