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um seine Wunde auszukurieren, hatte er eine Affäre mit einer bildschönen Frau gehabt, die ihn zu vergöttern schien.

      Der Herzog, der damals noch Hugo Leigh hieß, hatte niemals etwas anderes hinter ihrem offenkundigen Interesse für Gresham vermutet, der ein blendend aussehender Mann gewesen war.

      Als Gresham von seiner Verwundung genesen war, kehrte er zu seiner Einheit zurück.

      Der Herzog erhielt Befehl, sich noch eine Woche in Peschawar aufzuhalten.

      Hinterher ließ sich trotz einer offiziellen Untersuchung nie genau feststellen, was geschehen war.

      Man wußte nur, daß eine Kompanie britischer Soldaten, unter ihnen auch Gresham, in einen Hinterhalt geraten war. Alle hatten den Tod gefunden.

      Erst als die Frau, die eine so leidenschaftliche Affäre mit Gresham gehabt hatte, plötzlich spurlos verschwand, kam das Gerücht auf, daß sie eine russische Spionin gewesen sei.

      Damals hatte auch der Herzog Verdacht geschöpft, aber ihm fehlten die Beweise.

      Als er nach Lucknow zurückgekehrt war, hatte Mrs. Gresham ihn zu sich gebeten. Natürlich waren auch ihr die Gerüchte zu Ohren gekommen, die in der britischen Truppe die Runde machten. Der Herzog sah sich außerstande, ihren Schmerz um den Verlust des Gatten zu lindern, sondern mußte zugeben, daß die Frau, die mit ihrem Gatten zusammen gewesen war, unter Spionageverdacht stand.

      Mrs. Gresham hielt sich sehr tapfer, obwohl auch sie zu der bitteren Erkenntnis gelangt war, daß diese russische Spionin in einer schwachen Stunde Charles Gresham ausgehorcht und erfahren hatte, welche Order ihm erteilt worden war. Daher war sie für seinen Tod verantwortlich.

      In Lucknow hatte den Herzog dann die Nachricht ereilt, daß seine Mutter in England erkrankt sei.

      Er hatte Sonderurlaub erhalten und mit dem ersten Schiff, das Bombay verließ, die Heimreise angetreten. Mrs. Gresham und ihre kleine Tochter hatten sich zufällig auf demselben Schiff befunden, um ebenfalls nach England zurückzukehren.

      Er war eng mit Charles Gresham befreundet gewesen, der ihm zudem das Leben gerettet hatte. Deshalb war er bemüht, alles zu tun, um der Witwe die Überfahrt erträglich zu gestalten, wußte er doch, daß ihre Zukunft ohne den geliebten Gatten trostlos sein würde.

      Im Laufe ihrer langen Gespräche erfuhr er außerdem, daß sie nicht nur mittellos war, sondern auch nur wenige Verwandte hatte.

      Sie berieten über ihre Zukunft, während sie das Rote Meer überquerten und in Port Sudan vor Anker gingen.

      Danach hatte das Schiff langsam den neu eröffneten Suezkanal durchquert, und als es sich schließlich Alexandria näherte, erfuhr der Herzog, daß Mrs. Gresham an einem bösartigen Fieber erkrankt war, das sie sich vermutlich beim Besuch eines einheimischen Basars zugezogen hatte.

      Der Schiffsarzt konnte wenig für sie tun.

      Er bestand jedoch darauf, daß die kleine Solita von ihrer Mutter ferngehalten wurde, damit sie sich nicht ansteckte.

      Die Kleine verbrachte die meiste Zeit mit Hugo Leigh und anderen Offizieren, die sich an Bord befanden.

      Sie war ein hübsches Kind und sah mit ihren goldblonden Locken und den strahlend blauen Augen aus wie ein kleiner Engel.

      Sie huschte mit einer Grazie über das Deck, daß es aussah, als würde sie schweben.

      Der Herzog erinnerte sich daran, daß sie eines Abends im Salon zu der Musik, die einer der Offiziere auf dem Klavier spielte, getanzt hatte.

      Sie war ganz versunken gewesen in ihren Tanz und hatte ihr Publikum völlig vergessen. Erst als die Musik verklang und alle Beifall klatschten, schien ihr bewußt zu werden, daß sie Zuschauer gehabt hatte.

      Er hatte das Kind für ungewöhnlich begabt gehalten und konnte jetzt verstehen, daß sie sich zur Ballettänzerin berufen fühlte.

      Mrs. Gresham war drei Tage später gestorben.

      Solita hatte sich an Hugo Leighs Schulter ausgeweint und Trost bei ihm gesucht.

      »Was geschieht jetzt mit mir?« hatte sie ihn schluchzend gefragt. »Du schickst mich doch nicht in ein Waisenhaus?«

      Hugo Leigh wußte, daß ihr davor graute, seit sie die Waisenhäuser in Indien gesehen hatte. Die Kinder dort waren zwar gut genährt, aber einem strengen Regiment unterworfen.

      Unwillkürlich verstärkte sich der Druck seiner Arme um den zierlichen Körper, als er ihr feierlich versprach:

      »Das werde ich niemals zulassen!«

      »Aber ... wo soll ich dann hin?«

      Tränen strömten über die bleichen Wangen, während sie ängstlich zu ihm aufblickte. In diesem Augenblick erschien sie ihm liebreizender als je zuvor.

      »Ich denke mir etwas aus«, sagte er.

      »Versprichst du das? Gibst du mir dein heiliges Ehrenwort?« fragte sie.

      »Ich verspreche es dir«, erwiderte er, ohne zu wissen, ob er dieses Versprechen jemals würde einlösen können.

      Bei ihrer Ankunft in Neapel war ihm seine Cousine väterlicherseits eingefallen, die in Sorrento lebte.

      Mildred Leigh ging auf die Sechzig zu und litt an Rheumatismus. Die Ärzte hatten ihr deshalb geraten, sich in wärmeren Gefilden niederzulassen.

      Sie war eine sanftmütige Frau, die nie geheiratet hatte und sich deshalb besonders in dem fremden Land oft einsam fühlte.

      Einem spontanen Entschluß folgend war der Herzog mit Solita zu ihr gefahren.

      Mildred hatte sein Problem sofort erfaßt und sich bereit erklärt, für Solita zu sorgen.

      »Es wäre für mich ein großes Glück, mein lieber Junge«, versicherte sie dem Herzog. »Sie wird die beste Schule von Neapel besuchen und ganz sicher zu einer kleinen Schönheit heranwachsen.«

      So schien alles nach Wunsch zu verlaufen, doch der Abschied war herzzerreißend. Solita klammerte sich an ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen. Er war der einzige Mensch, der ihr geblieben war, nachdem sie ihre Eltern verloren hatte, und deshalb hing sie mit kindlicher Liebe an ihm.

      »Du . . . wirst mich doch nicht vergessen?« fragte sie flehend. »Du besuchst mich doch bald wieder, nicht wahr?«

      »Sobald ich kann«, versprach er. »Du darfst nicht vergessen, daß ich ein Soldat bin - wie dein Vater.«

      »Aber du denkst oft an mich, ja?«

      »Ganz bestimmt werde ich das tun.«

      Er hatte ihr zum Abschied einen Kuß gegeben.

      Er erinnerte sich, wie die kleine verlorene Gestalt mit Tränen in den Augen auf den Stufen vor der Villa gestanden und ihm lange nachgewinkt hatte.

      Monatelang hatte er Solita aus allen Teilen der Welt Ansichtskarten geschrieben und sich nach ihrem Befinden erkundigt.

      Dann erfolgte seine Versetzung nach Westindien. Zwei Jahre später wurde er mit einem Sonderauftrag nach Indien abkommandiert.

      In Kalkutta hatte ihn dann eine Nachricht erreicht, die er nie für möglich gehalten hatte.

      Ihm war der Titel des vierten Herzogs von Calverleigh zugefallen.

      Sein Vater war der jüngere Sohn des dritten Herzogs gewesen und der Tradition entsprechend sehr kurz gehalten worden, während der gesamte Besitz an seinen älteren Bruder übergegangen war.

      Hugo Leigh hatte das nichts ausgemacht. Er hatte sein Auskommen als Soldat und war damit völlig zufrieden.

      Deshalb traf ihn die Unglücksnachricht aus England wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

      Sein Großvater, der amtierende Herzog, und sein Onkel, der Marquis von Calver, waren bei einer stürmischen Überfahrt über die Irische See ertrunken.

      Sie waren auf dem Weg nach Irland gewesen, um dem Vizekönig einen Besuch

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