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Das Dekameron. Giovanni Boccaccio
Читать онлайн.Название Das Dekameron
Год выпуска 0
isbn 9783843804066
Автор произведения Giovanni Boccaccio
Жанр Языкознание
Серия Literatur (Leinen)
Издательство Bookwire
In Florenz war einst ein Kavalier namens Tedaldo, von dem Geschlechte der Lamberti, wie einige behaupten wollen, obgleich andere behaupten, er habe den Agolanti zugehört, welche letzteren ihre Meinung vielleicht auf das Gewerbe stützten, das in der Folge seine Söhne trieben und das in der Familie der Agolanti Tradition geworden ist. Ohne mich darauf einzulassen, von welchem dieser Häuser er abstammte, wird es genügen, anzumerken, dass er zu seiner Zeit einer der reichsten Edelleute war, und dass er drei Söhne hatte, von denen der älteste Lamberto hieß, der zweite Tedaldo und der dritte Agolante: lauter schöne, muntere Jünglinge, von welchen jedoch der älteste kaum achtzehn Jahre alt war, als der Vater starb und ihnen, als seinen rechtmäßigen Erben, sein bewegliches und unbewegliches Vermögen hinterließ. Die Jünglinge, die einen so beträchtlichen Schatz an barem Gelde und an Grundstücken in die Hände bekamen und damit nach ihrem eigenen Belieben, ohne Einrede und Widerspruch, schalten konnten, fingen an, auf allerlei Art das Ihrige zu vertun, indem sie ein großes Haus, kostbare Pferde, Jagdhunde, Falken, offene Tafel hielten, Geschenke machten, Turniere anstellten und nicht nur lebten, wie es Edelleuten ziemt, sondern wie es ihnen nach ihrem jugendlichen Leichtsinn in den Kopf kam. Diese Lebensart konnte nicht lange dauern, ohne die väterlichen Schätze zu erschöpfen. Als ihre gewöhnlichen Einkünfte nicht zureichten, fingen sie an, ihre Grundstücke eines nach dem anderen zu versetzen und zu verkaufen, und wurden es nicht eher gewahr, wie sie mit ihren Umständen nach und nach auf die Neige gerieten, bis die Armut ihnen die Augen öffnete, die der Reichtum verschlossen hatte. Lamberto berief deswegen eines Tages seine Brüder zusammen und stellte ihnen vor, in welchem Ansehen ihr Vater gelebt hätte und in welche Dürftigkeit sie durch die übermäßige Verschwendung geraten wären. Er gab sich daher alle Mühe, sie zu überreden, ehe ihre armseligen Umstände noch sichtbarer würden, seinem Rat und Beispiel zu folgen, die wenigen Güter zu verkaufen, die ihnen noch übrig geblieben wären, und davonzureisen; was sie auch taten und ohne Abschied und Aufsehen Florenz verließen und geradewegs nach England gingen, ohne irgendwo Station zu machen. In London mieteten sie ein kleines Haus, machten wenig Aufwand und liehen ihr bisschen Geld, das ihnen geblieben, auf Wucherzinsen; hierbei war ihnen das Glück so günstig, dass sie in wenigen Jahren einen ungeheuren Reichtum sammelten. Einer nach dem anderen zogen sie nun wieder nach Florenz, kauften einen großen Teil ihrer vorigen Besitztümer zurück und manches neue dazu, verheirateten sich, und da sie noch immer in England Wucher trieben, so übergaben sie dort einem ihrer Neffen namens Alessandro ihre Geschäfte. Allein uneingedenk des Zustandes, in welchen ihre törichte Verschwendung sie schon einmal versetzt hatte, und ohne Rücksicht darauf, dass sie alle drei jetzt Familienväter geworden waren, fingen sie wieder an, in Florenz mehr Aufwand als je vorher zu treiben, zumal, da sie bei allen Kaufleuten großen Kredit genossen.
Einige Jahre hindurch waren sie imstande, diesen Aufwand fortzusetzen, weil ihnen Alessandro ansehnliche Summen überwies, der in England den Baronen auf ihre Liegenschaften und andere Einkünfte Geld vorstreckte, und dafür ansehnliche Zinsen bezog. Indem aber die drei Brüder fortfuhren zu verschwenden und zu borgen, wenn sie nichts hatten, weil sie immer auf England oder eine Goldquelle rechneten, brach daselbst wider alles Vermuten ein Krieg aus zwischen dem Könige und einem seiner Prinzen. Darüber geriet die ganze Insel in Zwiespalt, indem es der eine mit dem Vater, der andere mit dem Sohne hielt, sodass dem Alessandro die verpfändeten Güter der Barone keine Sicherheit mehr boten und alle seine Hilfsquellen versiegten. Weil man indessen immer noch hoffte, dass zwischen dem Vater und dem Sohne wieder Frieden werden und dass Alessandro alsdann seine Gelder samt den Zinsen erhalten würde, so blieb dieser noch in England, und seine drei Oheime dachten nicht daran, ihre Ausgaben einzuschränken, sodass sie täglich tiefer in Schulden gerieten. Wie sich aber nach einigen Jahren die Hoffnung ganz verlor, dass ihre Erwartungen würden erfüllt werden, ging nicht nur ihr Kredit zu Ende, sondern ihre Gläubiger drangen auch auf Bezahlung, und da ihr Vermögen bei Weitem nicht hinreichte, ihre Schulden zu tilgen, so mussten sie ins Gefängnis wandern, ihre Weiber und Kinder irrten auf den Dörfern und sonst hier und da in armseligen Lumpen umher, und es schien, als ob ihnen nichts anderes als immerdar Not und Elend bevorstände.
Alessandro, der in England verschiedene Jahre vergebens auf den Frieden gewartet hatte und besorgte, dass sein dortiger Aufenthalt ihm ebenso gefährlich werden könnte als er unnütz war, entschloss sich, nach Italien zurückzukehren, und machte sich ganz allein auf den Weg. Wie er nun durch Brügge kam, ward er gewahr, dass ein Abt in weißer Ordenstracht mit ihm zugleich aus der Stadt ritt, den eine Menge Mönche nebst einem zahlreichen Tross begleiteten, und dass ihnen zwei Kavaliere aus altangesehenem Geschlecht, Verwandte des Königs, nachfolgten, mit denen Alessandro, als mit guten Bekannten, ein Gespräch anknüpfte, und von ihnen willig zum Reisegefährten angenommen ward. Unterwegs fragte sie Alessandro im Vertrauen, wer die Mönche wären, die mit so vielem Gepäck voranzögen. Einer von den Kavalieren gab ihm zur Antwort: „Derjenige, der vor uns herzieht, ist ein junger Vetter von uns, der kürzlich zum Abt einer der reichsten Abteien in England ist erwählt worden. Weil er aber noch zu jung ist, um nach den Gesetzen mit dieser Würde bekleidet zu werden, so ziehen wir mit ihm nach Rom, um von dem Heiligen Vater Dispensation wegen seines Alters und die Bestätigung in seiner Würde zu erlangen. Aber hierüber soll mit niemandem gesprochen werden.“
Da nun der junge Abt bald vorn, bald hinten im Zuge ritt, wie vornehme Herren auf Reisen wohl zu tun pflegen, so traf er einmal mit Alessandro zusammen, der ein sehr schöner und wohlgewachsener Jüngling und überaus wohlerzogen, angenehm und gebildet in seinen Sitten war, sodass er ihm auf den ersten Blick außerordentlich gefiel. Er rief ihn zu sich, redete ihn freundlich an und fragte ihn, wer er wäre, woher er käme und wohin er wolle. Alessandro erzählte ihm unbefangen alle seine Umstände, befriedigte seine Neugier und erbot sich zu allen ihm möglichen Diensten. Der Abt, der seine Rede zierlich und wohlgeordnet fand, seine Manieren genau beobachtete und sich überzeugte, er müsse seiner niedrigen Beschäftigung ungeachtet ein Edelmann sein, ward immer mehr und mehr für ihn eingenommen. Da ihn ohnehin seine Schicksalsschläge bereits zum Mitleid bewogen hatten, so tröstete er ihn sehr freundlich und ermahnte ihn, guten Mut zu fassen, weil ihn, wenn er ein braver Mann sei, der Himmel sehr leicht auf eben die Staffel wieder erheben könne, von welcher das Glück ihn hinabgestürzt habe, und vielleicht noch höher. Zugleich bat er ihn, weil er doch nach Toskana ginge, ihn zu begleiten, weil er auch dahin wolle. Alessandro dankte ihm für seine tröstlichen Worte und versicherte, dass er ihm völlig zu Diensten stände.
Indem nun der Abt, bei welchem die Unterredung mit Alessandro allerlei neue unbekannte Empfindungen geweckt hatte, weiterreiste, kamen sie nach einiger Zeit in ein Dorf, das eben nicht reichlich mit Herbergen versehen war. Weil nun der Abt daselbst zu übernachten wünschte, so ließ ihn Alessandro bei einem Wirte absteigen, mit dem er wohlbekannt war, und bestellte ihm ein Nachtlager in dem noch am ehesten geeigneten Zimmer des Hauses. Und weil er als ein gewandter Jüngling bereits des Abtes rechte Hand geworden war, so brachte er die übrige Reisegesellschaft, so gut er konnte, da und dort im Dorfe unter. Als der Abt zu Abend gegessen hatte und es schon gegen die Nacht ging, sodass ein jeder sich zur Ruhe gelegt hatte, fragte Alessandro den Wirt, wo er denn selbst schlafen könne.
„Das weiß ich wahrhaftig nicht“, sprach der Wirt. „Du siehst, alles ist vollgepfropft und ich muss selbst mit den Meinigen auf Bänken und Brettern liegen. Doch in der Kammer des Abtes stehen ein paar Kornkisten, worauf ich dir ein Stück Bettzeug legen kann, und damit musst du dich, wenn du willst, für diese Nacht begnügen.“
„Was soll ich in des Abtes Kammer machen?“ sprach Alessandro, „die so klein ist, dass man nicht einmal einen seiner Mönche neben ihn hat betten können? Hätt‘ ich das bedacht, ehe die Vorhänge zugezogen wurden, so hätten meinetwegen die Mönche auf den Kornkisten liegen mögen und ich hätte mich da gebettet, wo sie jetzt übernachten.“
„Die Sache ist aber nun einmal nicht anders“, sprach der Wirt, „und du wirst dich dort so gut befinden wie anderswo. Der Abt schläft, die Vorhänge sind zugezogen, ich lege dir leise eine Matratze hin, und du schläfst wie ein König.“
Da Alessandro fand, dass