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g’habt.«

      Wenn sie doch bloß von der schrecklichen Höhle ruhig sein wollten! Nun hatte Annemarie sie glücklich zu vergessen gesucht – und da wälzte sich die Bergeslast ihr wieder auf die Brust. Um Nesthäkchens heitere Unbefangenheit war’s geschehen.

      »Jetzt komme mer nach Preuße, in euer Heimatland, jetzt sein mer auf preußischem Boden«, verkündete Neumann, nachdem man das Städtchen Hechingen im Rücken hatte.

      »Das brauchscht mer nit erscht zu sage, das merkscht schon an den Warnungstafele, die allenthalbe ang’bracht sind«, spöttelte der zweite Schwabe.

      »Wenigstens wird’s Zügle bei uns in Preußen pünktlicher abgehen als in Schwaben«, warf sich Nesthäkchen patriotisch in die Brust.

      »War’s geschtern noch nit früh gnua?« So – da hatte sie ihr Fett, weil man durch ihre Versäumnis in der Nebelhöhle den Zug verpaßt hatte.

      Doktors Nesthäkchen sollte es auch noch anderweitig zum Bewußtsein gebracht werden, daß sie wieder in Preußen war. Als man von der Burg Hohenzollern, die mit ihren kühnragenden Türmen und Zinnen, den sechsfachen Mauern und eisernen Zugbrücken so stolz ins Schwabenland hinabschaut, als wüßte sie nichts von dem jähen Sturz ihres Geschlechtes, zum Bahnhof zurückkehrte, stand dort ein preußischer Gendarm mit respekteinflößendem Schnauzbart.

      »Haben’s Versteuerbares? Bitt’ schön, die Rucksäck’ zur Kontroll’!« verlangte er.

      »Ja, was soll denn das heiße?« regte sich Krabbe auf. »In unserm Säckle, da ischt nix drin, als was mer für unsere Wanderfahrt halt brauche.«

      »Zeigen’s!« Der Mann des Gesetzes bestand darauf.

      Ein Rucksack nach dem andern passierte die Zollrevision. Nichts Böses ahnend, öffnete auch Annemarie ihr noch immer umfangreiches Bündel.

      »Ja, was haben’s denn da?« verwunderte sich der Schnauzbart. »Das ischt doch Mehl.«

      »Freilich«, bestätigte Annemarie stolz, »wunderschönes weißes.«

      »Das dürfe’s nit ausführe, das muß i beschlagnahme!« Mit der ganzen Würde seines Schnauzbartes fuhr er die erschreckte Annemarie an.

      »Ja, erlauben’s g’fälligst«, kam Rudolf jetzt Annemarie energisch zu Hilfe. »Das Mehl hat das Fräulein in Tübingen, also in Württemberg gekauft, und nimmt’s auch wieder mit hinein ins Württembergische. Was hat denn die preußische Zollrevision damit zu tun?«

      »‘sch kann auch hier in Preuße g’kauft sein und nach dem Württemberg’sche auschg’führt werde solle«, behauptete der Gendarm.

      »Das ist aber nicht der Fall, lieber Mann. Weiß der Teufel, auf diesem kleinen preußischen Zipfelchen, das hier ins Schwabenland hineinschneidet, hat man mehr Scherereien als auf der ganzen Reise durch Württemberg. Das sage ich Ihnen, ein preußischer Referendar.« Hans Braun war empört.

      »Ischt ja alles ganz schön und guet, lieber Herr, aber das Mehl musch i halt konsischiere.«

      Da packte Nesthäkchen die Wut. – Was – ihr schönes weißes Mehl für die Mutter, das sie tagelang in Sonnenbrand und Regen wie ein Packesel bergauf, bergab geschleppt, wollte der Gendarm ihr nehmen? Sie riß die Tüte heraus – so – da flog das schneeweiße Mehl in einer lichten Staubwolke auf die graue Landstraße.

      »Da können Sie sich’s zusammenfegen, wenn Sie sonst Lust dazu haben«, rief sie zornrot.

      »Annemie – um’s Himmels willen –!« Die Freundinnen standen entsetzt.

      »Das hättest du nicht tun sollen, du Hitzkopf«, meinte der preußische Referendar bedenklich.

      »Rechtschaffe recht hat’s Neschthäkche! Da soll einem die Gall’ halt nit überlaufe«, unterstützte sie die Viehmuse.

      Rudolf Hartenstein lachte von Herzen. »Diesen Schwabenstreich kriegen’s halt zu Ihrer Hochzeit aufg’tischt, Fräulein Annemarie.« Er blinzelte ihr übermütig zu.

      »Ich heirate überhaupt nicht!« Mit derselben Wut wurde es herausgeschleudert wie das Mehl.

      »Nimmer? Das wär’ aber schad’! Ich denk’, Sie werden sich’s halt noch überlegen.« Rudolf nahm den Entschluß nicht ernst.

      Vorläufig überlegte der Mann des Gesetzes, und zwar so angestrengt, daß sein Schnauzbart erzitterte. Was für eine Strafe sollte er über die Verbrecherin verhängen?

      »Das koscht Sie halt – – –«, begann er.

      Neumann hatte bereits zwei Besänftigungszigarren aus der Tasche hervorgezogen.

      »Aber gehen’s her, um so a bißle Mehl, das ischt doch gar nit erscht der Red’ wert.«

      »Freili, das ischt’s nit«, gab der Schnauzbart zu. Er nahm dankend die Zigarren. »Also i erklär’ das Mehl halt für konfischiert – mehr kann i doch nit tun, gelt?«

      Selbst der preußische Referendar stimmte ihm bei, daß er seine Beamtenpflicht voll und ganz erfüllt habe.

      »Ein andermal lasse sich’s nit wieder erwische!« rief der Gendarm der den Zug besteigenden Annemarie noch wohlwollend nach.

      »So – Neschthäkche, nun bin i begierig, was d’ halt jetzt für a Schwabestreich verübe wirscht.« Die Viehmuse notierte Nesthäkchens neuesten Schwabenstreich gewissenhaft in seinem Büchlein zu den alten.

      »Jetzt sind wir ja bald in Ulm, da kommt das Kleine wieder unter elterliche Zucht. Das ist dringend notwendig, sonst verwahrlost es uns ganz«, neckte Hans.

      Bis Ulm aber war noch reichlich Zeit, daß Nesthäkchen noch einmal mit dem Arm des Gesetzes nähere Bekanntschaft machen konnte.

      Man hatte einen tüchtigen Marsch von dem Städtchen Sigmaringen ins obere Donautal hinter sich. Heiß brannte die Sonne auf die weiße Landstraße. Die Obstbäume, welche die Chaussee besäumten, spendeten nur geringen Schatten. Die Zunge klebte den Wanderern im Halse, besonders den stets durstigen Studenten. Kein Gasthaus weit und breit.

      »Steigen wir doch zur blauen Donau hinunter, die hat genug Wasser für unsern Durst«, schlug Ilse mit trockenen Lippen vor.

      »Wasser ischt nit guet, da kann man halt im Sommer leicht die Ruhr kriege«, widersprach die Viehmuse. »Bier her – Bier her – oder i fall um – juchhe –,« grölte er in die Sonnenlandschaft hinaus. Der Chor fiel natürlich ein, aber es klang ziemlich matt.

      »Eine Pflaume!« Annemarie bückte sich nach der bläulichen Frucht und rieb den Straßenstaub davon ab. »Ach, die schmeckt gut – die erfrischt!«

      »Selber essen macht fett«, meinte Ilse neidvoll.

      »Hier ist noch eine, Ilse – da, eine für dich, Marlene – Fräulein Ola, die nächste kriegen Sie.«

      »Ja, und wo bleib’ denn ich?« neckte Rudolf.

      »Ihr Mannsleut könnt in den Baum klettern und euch selbst welche pflücken. Was der Wind abgeschlagen hat, ist für uns.«

      »So – fremde Pflaumenbäume plündern? Weißt du auch, daß dies Diebstahl ist, Annemarie?« verwies sie der preußische Referendar.

      »Ist mir ganz wurscht.«

      »Wurscht – danach kriegt man halt noch mehr Durscht«, lachte die Viehmuse sie aus.

      »Dann sollen die Leute hier gefälligst ein Wirtshaus herbauen. Sonst ist man ja dazu gezwungen, bei einem Wirte wundermild einzukehren. Und wenn ihr kein Schneid dazu habt, hinaufzuklettern und uns Pflaumen zu pflücken, dann pfusche ich einfach dem Wind ins Handwerk.« Annemarie begann den Pflaumenbaum mit beiden Armen zu schütteln. Ein blauer Regen prasselte hernieder.

      »Hurra – Neschthäkche lascht halt Zwetschge regne!« Lachend erfrischten sich die Durstigen an dem Segen, der von oben kam.

      »Nit mehr, Fräulein Annemarie«, versuchte auch Rudolf Einhalt zu tun, als

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