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das tat die Großmama freilich recht sehr. Ihre Gedanken beschäftigten sich unausgesetzt damit, ob das Kind auf seiner Nordseeinsel auch nicht von der Heimat abgeschnitten werden könnte.

      Da klingelte es und – Nesthäkchen stand rotgebrannt, frisch und vergnügt, leibhaftig vor der sorgenden Großmama.

      »Tag, Großmuttchen, da bin ich wieder. Aber beinahe wäre ich ins Meer gefallen wie meine arme Puppe Gerda. Und das ist Tante Lenchen«, Nesthäkchen fiel Großmama nach der langen Trennung jubelnd um den Hals.

      Das gab eine noch größere Wiedersehensfreude als mit Puck. Gar nicht glauben wollte es die Großmama, daß dieser rosige Pausback das vor einem Jahr so bleiche Nesthäkchen sein sollte! Wirklich, ihr Schwiegersohn hatte mit seiner Nordseeluftkur recht behalten.

      »Gut, daß ich dich nur wenigstens wieder da habe, mein Kleines. Der Vater und die beiden Jungen kommen morgen zurück. Aber von der Mutti fehlt jede Nachricht.« Großmama ließ sogleich ein Bett für das reisemüde Kind herrichten. Auch Tante Lenchen, welcher die Großmama von ganzem Herzen für ihre Fürsorge dankte, mußte bei ihr übernachten. Anders tat Großmama es nicht.

      Nun schlief Doktors Nesthäkchen zum erstenmal wieder in der Heimat neben der Großmama. Und in seine Träume klangen heute statt des Brausens des Meeres, das sie ein ganzes Jahr lang in den Schlaf gesungen, die brausenden Vaterlandslieder des sich erhebenden deutschen Volkes.

      *

      Nesthäkchen, zeige auch du dich jetzt würdig der gewaltigen Zeit. Keiner ist zu klein dazu, um an dem großen Werke mitzuhelfen. Opfer verlangt der Krieg von jedem – wie unser Nesthäkchen dieselben ertragen, das erzähle ich euch im nächsten Band.

      Nesthäkchen und der Weltkrieg

       Inhaltsverzeichnis

       1. Kapitel Nesthäkchen lernt Opfer bringen

       2. Kapitel »Extrablatt!«

       3. Kapitel Wie es in Nesthäkchens Schule aussah

       4. Kapitel Für unsere Vaterlandsverteidiger

       5. Kapitel Nesthäkchen straft Japan

       6. Kapitel Eine kleine Patriotin

       7. Kapitel Nesthäkchen hilft den ostpreußischen Flüchtlingen

       8. Kapitel Eine lebendige Puppe

       9. Kapitel Junghelferinnenbund

       10. Kapitel Vera

       11. Kapitel Weihnachtsabend im Lazarett

       12. Kapitel Endlich Nachricht

       13. Kapitel Gute Vornahme

       14. Kapitel Streckt eure Vorräte!

       15. Kapitel Reichswollwoche

       16. Kapitel Nesthäkchen macht ihr Unrecht gut

       17. Kapitel Das Kriegskind

       18. Kapitel Butterpolonäse

       19. Kapitel Deutsche Sommerzeit

      1. Kapitel

       Nesthäkchen lernt Opfer bringen

       Inhaltsverzeichnis

      Glutheiß war es auf dem Balkon. Trotzdem derselbe auf der Schattenseite lag, fühlte man die sengende Hitze, mit der die Augustsonne die Straßen Berlins einheizte, selbst hier oben.

      Ein alter Frauenkopf mit silbernem Scheitel und ein goldblonder Kinderkopf neigten sich über graue Strickarbeit. Emsig klapperten die Nadeln in den Händen der alten Dame, während die Kinderfinger nur widerwillig die dicke Wollarbeit förderten. Immer langsamer bewegten sich die braungebrannten kleinen Hände, und schließlich schleuderte Annemarie den kaum begonnenen Pulswärmer mit jähem Entschluß auf den Steinboden.

      »Puh – ich ersticke!« Das seegebräunte runde Kindergesicht, das sich luftschnappend in die Höhe hob, sah nicht weniger rot aus als das feuerrote Musselinkleid, welches das elfjährige Mädchen trug. »Liebstes, einziges Großmuttchen, was sollen denn bloß unsere Soldaten bei dieser dollen Bärenhitze mit den dicken Pulswärmern? Ich glaube, ich kann meine Strickarbeit ruhig bis zum Winter verschieben.« Das kleine Mädchen ließ die Tat dem Wort auf dem Fuß folgen. Ohne sich darum zu kümmern, daß Puck, das kleine weiße Zwerghündchen, an der auf dem Boden liegenden Wollarbeit zu zerren und zu beißen begann, sah sie untätig den lustigen Rauchwölkchen nach, die aus den Schornsteinen Berlins zu dem fahlen Augusthimmel emporwirbelten.

      »Herzchen, wenn wir erst zum Winter die Finger zu regen beginnen, müssen unsere armen Truppen in dem kalten Rußland frieren. Jetzt heißt es fleißig sein, solange wir noch Sommer haben, damit bis zum Winter alles fertig ist.« Schneller ließen Großmamas Finger die Stricknadeln klappern, als gelte es, gleich ein ganzes Regiment gegen russische Kälte zu vermummen.

      »Aber mir ist doch so doll heiß!« Das Enkelchen warf die frischen Lippen unmutig auf. »Ich muß mich überhaupt erst wieder an die olle Berliner Luft gewöhnen. Wenn man ein ganzes Jahr lang an der Nordsee gewesen ist, wo immer frischer Seewind geweht hat, dann drückt die Stadtluft auf den Kopf, hat Vater gesagt.«

      »Nun höre mal, mein Herzchen«, Großmamas gütiges Gesicht wandte sich liebevoll dem hübschen Blondkopf zu. »Glaubst du, daß unsere braven Feldgrauen, die täglich mit Jubel und Begeisterung in den Krieg hinausziehen, nicht auch durch die Augusthitze leiden? Hast du nicht ihren schweren Ranzen gesehen, und meinst du, daß der Helm nicht mehr auf den Kopf drückt als die Großstadtluft? Und doch singen und jubeln die Braven, trotzdem die tagelange Fahrt in den engen, glühenden Eisenbahnwaggons zum Kriegsschauplatz gewiß keine Annehmlichkeit ist. Du hast es ja mit eigenen Augen gesehen, Herzchen, als wir Sonntag abend dem Vater das Geleit zum Bahnhof gaben. Wollen wir Daheimgebliebenen uns von unfern tapferen Kriegern beschämen lassen? Sollten wir nicht auch etwas Unbequemlichkeiten für sie, die ihr Leben für uns hingeben wollen, in den Kauf nehmen und jedes Opfer für sie bringen?« Großmamas liebe, klare Augen sahen ernsthaft in die strahlenden Blauaugen des kleinen Mädchens.

      Das mußte den Blick beschämt senken.

      »Wenn ich groß wäre, würde ich bestimmt auch Opfer für unser Vaterland bringen«, meinte Annemarie schließlich ungewöhnlich nachdenklich. »Dann würde ich Schwester werden und die Verwundeten pflegen

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