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Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield
Читать онлайн.Название Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen
Год выпуска 0
isbn 9788075835741
Автор произведения Charles Sealsfield
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Sie warf diese Worte mit einer Zuversicht hin, die allem, was sie sprach und tat, jenes bestimmte Gepräge gab, dem man nicht leicht widersprechen konnte. Mit der nämlichen Offenherzigkeit erzählte sie, daß sie in ihrem Wettrennen bis zur Stelle gekommen, wo der Fremde es versucht hatte, sich dem Ufer zu nähern. Ob jedoch sie selbst ihre Gefährtinnen auf die zurückgelassenen Merkmale seines Versuches aufmerksam gemacht, oder ob die drei Mädchen mit der den Indianern eigenen Scharfsichtigkeit die Entdeckung gemacht, war noch immer zweifelhaft. Diese erzählten jedoch ganz unbefangen die gemachte Entdeckung, wie der Jüngling sich mühsam durch die Palmettofelder gezwungen und erschöpft am Baume niedergesunken sein müsse. Einige der alten Squaws hatten den Bericht schweigend, aber mit einer Miene angehört, die nichts weniger als Überzeugung auszusprechen schien. Sie hatten ihre Blicke auf die Erde gerichtet, und mehrere waren selbst in den Bruch eingedrungen. Canondah, ohne sie der geringsten Aufmerksamkeit zu würdigen, winkte einigen Mädchen eine Handbahre zu bereiten, und ihre Worte hatten sogleich die gewünschte Wirkung. Die alten Squaws, ferneres Nachspüren aufgebend, beeilten sich den Mädchen zuvorzukommen. Sie schnitten zwei Stämme mit ihren langen Taschenmessern ab, legten über diese Palmettostangen und belegten sie mit spanischem Moose. Canondah lächelte freundlich den alten Squaws zu, sie bedeutete ihnen, den Fremdling auf diese Bahre zu legen: ein Wink, der unverzüglich und mit einer Schonung ausgeführt wurde, die dem Leidenden auch nicht die geringsten Schmerzen zu verursachen schien. Ehe sich der Zug in Bewegung setzte, hatte sie Rosa zugeflüstert: »Mein Bruder ist krank und wund, ich empfehle ihn der Sorgfalt seiner Schwester«, und dann verschwand sie mit ihren Gefährtinnen im Palmettofelde, dem Flusse und ihren Kanus zueilend.
Rosa, noch immer halb träumend, näherte sich nun der Bahre, die, von den Trägerinnen gehoben, sich in Bewegung setzte. Der Zug ging schweigend und ohne Gefährde dem Dörfchen zu. Vor einer Hütte, die etwas zurück von den übrigen dem Waldesabhange näher lag und deren herabgelassene, sorgfältig befestigte Büffelhaut ihr Leersein bedeutete, wurde haltgemacht. Canondah stand bereits vor der Türe; auf ihr Geheiß ließen die Trägerinnen ihre Bürde nieder.
»Rosa«, sprach die Indianerin, »muß hier warten, bis Canondah mit den Squaws gesprochen; und abwärts tretend, versammelte sie die Weiber in einen Kreis und eröffnete eine kurze Beratschlagung in Hinsicht des Fremdlings. Man hatte sie schweigend angehört und ihr überlassen, nach Gutbefinden zu handeln. Sie dankte den Squaws mit würdevollem Anstande für ihr Vertrauen und befahl dann zweien der ältesten Weiber die Türe oder vielmehr die Büffelhaut zu öffnen, die in das Innere der Stube führte. Als dieses geschehen war, trugen sie den Verwundeten hinein und legten ihn auf ein dem oben beschriebenen Tillandseadiwan ähnliches Lager. Er zitterte am ganzen Leibe. Ein heftiges Wundfieber hatte ihn ergriffen, zu dem wahrscheinlich in der letzten kühlen und nassen Nacht das kalte hinzugekommen war.
Nach Verlauf einer halben Stunde trat endlich Canondah wieder in die Hütte, begleitet von einer grauen Squaw, die mühsam und mit langsamen Schritten sich dem Lager des Verwundeten näherte. Sie besah ihn einige Augenblicke vom Kopfe bis zu den Füßen, ließ sich dann auf das Moos nieder, hob seine Hände, untersuchte seinen Puls und faßte dann das verwundete Knie, an dem sie die Wunde mit der Aufmerksamkeit eines praktizierenden Arztes untersuchte.
»Morgen wird das Fieber verschwunden sein; aber«, setzte sie hinzu, und ihr hohles, düstres Auge ruhte forschend auf Canondah – »wie ist der Saft der großen Medizin in seine Wunden gekommen?«
»Der Häuptling der Salzsee«, versetzte Canondah bedeutsam.
»Hat seinem Boten doch nicht von seiner Medizin mitgegeben?« Sie besah mit diesen Worten neuerdings die Wunde und schüttelte stärker ihr greises, runzliges Haupt. »Der Balsam ist der des Mikos,« sprach sie bedenklich; »aber es war weder der Miko noch seine Tochter, die ihn in die Wunde gegossen. Es ist die verruchte, ungläubige Hand einer Weißen. Winondah sieht, daß der große Zauber nicht ausgesprochen, und daß die große Medizin zum Gifte geworden.« Ihr Blick fiel durchbohrend auf Rosa.
Canondah hatte betroffen die letzten Worte angehört. »Und warum sollte der Häuptling der Salzsee nicht vom Balsam haben, den der große Geist den Vätern des Miko gegeben? Er ist ein großer Häuptling und vor ihm zittern die Weißen.«
Die Alte schüttelte ihr Haupt. »Der Häuptling der Salzsee ist ein Weißer; der große Geist hat zweierlei Gaben. Den Weißen hat er die geringern gegeben, den auserwählten roten Männern die bessern; die Medizin des Miko«, sprach sie zuversichtlich, »ist die eines sehr großen Häuptlings.«
»Canondah«, sprach das Mädchen, »hat die Spur des Boten des Freundes ihres Volkes gesehen und ist ihr gefolgt. Sie hat den Fremdling gefunden und hat ihn auf den Rat ihrer klugen Schwestern in die leere Hütte ihres Wigwams geführt. Soll er verschmachten, weil eine Medizin in seinen Adern ist, die eine unbekannte Hand hineingoß? Was würde der Miko, was der Häuptling der Salzsee sagen?«
»Canondah hat recht,« sprach die Alte; »sie ist die kluge Tochter des großen Miko und sieht mit hellen Augen.«
»Und ihre Hand«, setzte das Mädchen bedeutsam hinzu, »ist nicht geballt, und ihre Kürbisflaschen mit Feuerwasser sind nicht geschlossen.«
Ein schlaues, beifälliges Lächeln grinste, als sie diese Worte hörte, um den Mund der Alten. Sie nickte mit dem Kopfe und entfernte sich.
Die beiden Mädchen waren allein mit dem Verwundeten in der Hütte geblieben und saßen nun in tiefes Sinnen versunken. Wirklich hatte das rasche Mitleid Rosa zu einer Tat verleitet, die, obwohl sie ihrem Herzen zur Ehre gereichte und einer Weißen ganz natürlich vorkommen mochte, in den Augen einer Indianerin Hochverrat war. Sie hatte, im Drange ihrer Angst um den Verwundeten, Hand an das Heiligtum des Stammes, die mysteriöse Medizin, gelegt, hatte von dem Heiligtume, das selbst der Miko nie ohne religiöse Vorbereitung in die Hand nahm, frevelhafterweise Gebrauch gemacht. Eine solche Entheiligung hatte selbst Canondah in Schrecken versetzt. Die Folgen davon konnten fürchterlich sein.
Es waren peinliche Minuten für die arme Rosa. Dem düstern Schweigen machte die Ankunft der Alten ein Ende, die, eine dampfende Kürbisflasche in ihrer Rechten und einen irdenen Becher in ihrer Linken, sich dem Verwundeten näherte, und ihm, den beide Mädchen aufgerichtet hatten, ein heißes braunes Getränk in den Mund goß. Zweimal füllte sie den Becher und leerte ihn. Dann hüllte sie ihn in die Wolldecken und zog sich zurück, die Wirkung ihrer Medizin zu beobachten. Es dauerte nicht lange, so zeigten sich große Schweißtropfen an seiner Stirne, auf die sie Canondah mit einem schlauen Winke aufmerksam machte. Diese nickte, entfernte sich mit der geleerten Kürbisflasche und kam in wenigen Minuten mit ihr zurück.
»Von den Augen zur Zunge ist es nicht weit«, sprach das Mädchen, der Alten die volle Kürbisflasche entgegenhaltend. »Will meine Mutter den Weg verlängern, so daß die letzte vergißt, was die erstern gesehen?« Die Alte grinste die Sprecherin mit einem zweifelhaften Blicke an.
»Canondah«, fuhr das Mädchen fort, »ist die Tochter des Miko, sie bewacht seinen Wigwam. Kann das Auge Winondahs wissen, was in diesem vorgefallen ist?« Die Alte schwieg noch immer.
»Canondah will selbst mit dem Miko sprechen.«
»Die Augen Winondahs haben gesehen, ihre Nasenlöcher haben gerochen, aber ihre Zunge ist nicht die eines geschwätzigen Mädchens. Sie weiß zu ruhen. Sie liebt die Tochter des Miko sehr.«
»Und Canondah wird die Kürbisflasche noch zweimal füllen«, schloß das Mädchen. Ein freudiges Grinsen bezeugte die Zufriedenheit der Alten, die sofort die Stube verließ.
Die Unterhaltung hatte auf dem Gesichte der Indianerin einen Ausdruck von Ernst zurückgelassen, der sich durch ein tiefes, beinahe finsteres Schweigen beurkundete. Nach einer langen Weile ergriff sie die Hand ihrer Freundin, und beide verließen nun die Hütte, um nach der ihres Vaters zu gehen.
»Rosa!« sprach die erstere, als sie auf der Moosbank in ihrem Stübchen wieder Platz genommen hatten, »Canondah hat die Augen der Squaws geblendet, um ihrer Schwester ein Freudelächeln abzugewinnen. Sie hat den Feind