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Tu­gen­den hat, muss man sich noch auf Eins ver­stehn: sel­ber die Tu­gen­den zur rech­ten Zeit schla­fen schi­cken.

      Dass sie sich nicht mit ein­an­der zan­ken, die ar­ti­gen Weib­lein! Und über dich, du Un­glück­se­li­ger!

      Frie­de mit Gott und dem Nach­bar: so will es der gute Schlaf. Und Frie­de auch noch mit des Nach­bars Teu­fel! Sonst geht er bei dir des Nachts um.

      Ehre der Ob­rig­keit und Ge­hor­sam, und auch der krum­men Ob­rig­keit! So will es der gute Schlaf. Was kann ich da­für, dass die Macht ger­ne auf krum­men Bei­nen Wan­delt?

      Der soll mir im­mer der bes­te Hirt heis­sen, der sein Schaf auf die grüns­te Aue führt: so ver­trägt es sich mit dem gu­tem Schla­fe.

      Viel Ehren will ich nicht, noch gros­se Schät­ze: das ent­zün­det die Milz. Aber schlecht schläft es sich ohne einen gu­ten Na­men und einen klei­nen Schatz.

      Eine klei­ne Ge­sell­schaft ist mir will­kom­me­ner als eine böse: doch muss sie gehn und kom­men zur rech­ten Zeit. So ver­trägt es sich mit gu­tem Schla­fe.

      Sehr ge­fal­len mir auch die Geis­tig-Ar­men: sie för­dern den Schlaf. Se­lig sind die, son­der­lich, wenn man ih­nen im­mer Recht giebt.

      Also läuft der Tag dem Tu­gend­sa­men. Kommt nun die Nacht, so hüte ich mich wohl, den Schlaf zu ru­fen! Nicht will er ge­ru­fen sein, der Schlaf, der der Herr der Tu­gen­den ist!

      Son­dern ich den­ke, was ich des Ta­ges gethan und ge­dacht. Wie­der­käu­end fra­ge ich mich, ge­duld­sam gleich ei­ner Kuh: wel­ches wa­ren doch dei­ne zehn Über­win­dun­gen?

      Und wel­ches wa­ren die zehn Ver­söh­nun­gen und die zehn Wahr­hei­ten und die zehn Ge­läch­ter, mit de­nen sich mein Herz güt­lich that?

      Sol­cher­lei er­wä­gend und ge­wiegt von vier­zig Ge­dan­ken, über­fällt mich auf ein­mal der Schlaf, der Un­ge­ruf­ne, der Herr der Tu­gen­den.

      Der Schlaf klopft mir auf mei­ne Auge: da wird es schwer. Der Schlaf be­rührt mir den Mund: da bleibt er of­fen.

      Wahr­lich, auf wei­chen Soh­len kommt er mir, der liebs­te der Die­be, und stiehlt mir mei­ne Ge­dan­ken: dumm ste­he ich da wie die­ser Lehr­stuhl.

      Aber nicht lan­ge mehr ste­he ich dann: da lie­ge ich schon. –

      Als Za­ra­thustra den Wei­sen also spre­chen hör­te, lach­te er bei sich im Her­zen: denn ihm war da­bei ein Licht auf­ge­gan­gen. Und also sprach er zu sei­nem Her­zen:

      Ein Narr ist mir die­ser Wei­se da mit sei­nen vier­zig Ge­dan­ken: aber ich glau­be, dass er sich wohl auf das Schla­fen ver­steht.

      Glück­lich schon, wer in der Nähe die­ses Wei­sen wohnt! Solch ein Schlaf steckt an, noch durch eine di­cke Wand hin­durch steckt er an.

      Ein Zau­ber wohnt selbst in sei­nem Lehr­stuh­le. Und nicht ver­ge­bens sas­sen die Jüng­lin­ge vor dem Pre­di­ger der Tu­gend.

      Sei­ne Weis­heit heisst: wa­chen, um gut zu schla­fen. Und wahr­lich, hät­te das Le­ben kei­nen Sinn und müss­te ich Un­sinn wäh­len, so wäre auch mir diess der wäh­lens­wür­digs­te Un­sinn.

      Jet­zo ver­ste­he ich klar, was einst man vor Al­lem such­te, wenn man Leh­rer der Tu­gend such­te. Gu­ten Schlaf such­te man sich und mohn­blu­mi­ge Tu­gen­den dazu!

      Al­len die­sen ge­lob­ten Wei­sen der Lehr­stüh­le war Weis­heit der Schlaf ohne Träu­me: sie kann­ten kei­nen bes­sern Sinn des Le­bens.

      Auch noch heu­te wohl giebt es Ei­ni­ge, wie die­sen Pre­di­ger der Tu­gend, und nicht im­mer so Ehr­li­che: aber ihre Zeit ist um. Und nicht mehr lan­ge ste­hen sie noch: da lie­gen sie schon.

      Se­lig sind die­se Schläf­ri­gen: denn sie sol­len bald ein­ni­cken. –

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Von den Hinterweltlern

      Einst warf auch Za­ra­thustra sei­nen Wahn jen­seits des Men­schen, gleich al­len Hin­ter­welt­lern. Ei­nes lei­den­den und zer­quäl­ten Got­tes Werk schi­en mir da die Welt.

      Traum schi­en mir da die Welt und Dich­tung ei­nes Got­tes; far­bi­ger Rauch vor den Au­gen ei­nes gött­lich Un­zu­fried­nen.

      Gut und böse und Lust und Leid und Ich und Du – far­bi­ger Rauch dünk­te mich’s vor schöp­fe­ri­schen Au­gen. Weg­sehn woll­te der Schöp­fer von sich, – da schuf er die Welt.

      Trun­kne Lust ist’s dem Lei­den­den, weg­zu­sehn von sei­nem Lei­den und sich zu ver­lie­ren. Trun­kne Lust Und Selbst-sich-Ver­lie­ren dünk­te mich einst die Welt.

      Die­se Welt, die ewig un­voll­kom­me­ne, ei­nes ewi­gen Wi­der­spru­ches Ab­bild und un­voll­komm­nes Ab­bild – eine trun­kne Lust ih­rem un­voll­komm­nen Schöp­fer: – also dünk­te mich einst die Welt.

      Also warf auch ich einst mei­nen Wahn jen­seits des Men­schen, gleich al­len Hin­ter­welt­lern. Jen­seits des Men­schen in Wahr­heit?

      Ach, ihr Brü­der, die­ser Gott, den ich schuf, war Men­schen-Werk und –Wahn­sinn, gleich al­len Göt­tern!

      Mensch war er, und nur ein ar­mes Stück Mensch und Ich: aus der ei­ge­nen Asche und Gluth kam es mir, die­ses Ge­s­penst, und wahr­lich! Nicht kam es mir von Jen­seits!

      Was ge­sch­ah, mei­ne Brü­der? Ich über­wand mich, den Lei­den­den, ich trug mei­ne eig­ne Asche zu Ber­ge, eine hel­le­re Flam­me er­fand ich mir. Und sie­he! Da wich das Ge­s­penst von mir!

      Lei­den wäre es mir jetzt und Qual dem Ge­ne­se­nen, sol­che Ge­s­pens­ter zu glau­ben: Lei­den wäre es mir jetzt und Er­nied­ri­gung. Also rede ich zu den Hin­ter­welt­lern.

      Lei­den war’s und Un­ver­mö­gen – das schuf alle Hin­ter­wel­ten; und je­ner kur­ze Wahn­sinn des Glücks, den nur der Lei­dends­te er­fährt.

      Mü­dig­keit, die mit Ei­nem Sprun­ge zum Letz­ten will, mit ei­nem To­dess­prun­ge, eine arme un­wis­sen­de Mü­dig­keit, die nicht ein­mal mehr wol­len will: die schuf alle Göt­ter und Hin­ter­wel­ten.

      Glaubt es mir, mei­ne Brü­der! Der Leib war’s, der am Lei­be ver­zwei­fel­te, – der tas­te­te mit den Fin­gern des bet­hör­ten Geis­tes an die letz­ten Wän­de.

      Glaubt es mir, mei­ne Brü­der! Der Leib war’s, der an der Erde ver­zwei­fel­te, – der hör­te den Bauch des Seins zu sich re­den.

      Und da woll­te er mit dem Kop­fe durch die letz­ten Wän­de, und nicht nur mit dem Kop­fe, – hin­über zu »je­ner Welt«.

      Aber »jene Welt« ist gut ver­bor­gen vor dem Men­schen, jene ent­mensch­te un­mensch­li­che Welt, die ein himm­li­sches Nichts ist; und der Bauch des Seins re­det gar nicht zum Men­schen, es sei denn als Mensch.

      Wahr­lich, schwer zu be­wei­sen ist al­les Sein und schwer zum Re­den zu brin­gen. Sagt mir, ihr Brü­der, ist nicht das Wun­der­lichs­te al­ler Din­ge noch am bes­ten be­wie­sen?

      Ja, diess Ich und des Ich’s Wi­der­spruch und Wirr­sal re­det noch am red­lichs­ten von sei­nem Sein, die­ses schaf­fen­de, wol­len­de, wert­hen­de Ich, wel­ches das Maass und der Werth der Din­ge ist.

      Und diess red­lichs­te Sein, das Ich – das re­det vom Lei­be, und es will noch den Leib, selbst wenn es dich­tet und schwärmt und mit zer­broch­nen Flü­geln flat­tert.

      Im­mer

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