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– er lehnt den Ehrentanz ab? Die junge Frau weiß nicht, soll sie in Tränen ausbrechen oder Hanno eine Szene machen.

      Sie fühlt die neugierigen Blicke der Umsitzenden auf sich ruhen, die mit Recht eine Unstimmigkeit zwischen dem neuvermählten Paar ahnen, und tut das Vernünftigste, was sie im Augenblick tun kann – sie geht auf ihren Platz zurück.

      Aber so weit versteht sie sich doch nicht zu beherrschen, daß man ihr ihren Groll nicht von dem verärgerten Gesicht ablesen könnte.

      »Das soll sie mir büßen, dieses Weibsbild!« zischelt sie in sich hinein.

      »Vielleicht siehst du einmal nach Magda«, wendet Hanno sich an seine Mutter. »Doktor Urban ist soeben bei ihr. Ich werde lieber bei Aline bleiben, sie begeht sonst noch irgend eine Dummheit.«

      Das letztere setzt er mit Absicht hinzu, so daß Aline es hören muß, denn ihre Mienen verheißen nichts Gutes.

      »Du brauchst mich nicht wie ein unmündiges Kind zu behandeln!« begehrt sie auf, wütend an ihrem Kleide zerrend. »Ich finde das ganze Gehabe und Getue um Magda kindisch und mache auch gar kein Hehl aus meiner Meinung. Ihretwegen verzichte ich auf nichts, auch nicht

      auf den Tanz. Es sind schließlich noch mehr Männer hier, die es sich zur Ehre anrechnen würden, mit mir tanzen zu dürfen.«

      »Solange ich den Anfang nicht gemacht habe, wirst du das hübsch bleiben lassen.«

      Nicht ein Muskel verzieht sich in Hannos Gesicht, nichts an ihm verrät, wie zuwider ihm diese Auseinandersetzung ist.

      Gleichmütig hebt sie die Schultern. Ihre Hände zerpflücken eine von den zarten Blüten, die über das Tafeltuch verstreut sind.

      »Du wirst ja sehen, ich blamiere mich nicht dabei, wohl aber du«, versetzt sie ungezogen.

      »Du wirst dich daran gewöhnen müssen, daß ich mich zu nichts zwingen lasse«, entgegnet er gleichbleibend freundlich, was ihr beinahe Tränen in die Augen treibt.

      Aber mit aller Energie würgt sie daran, das zu verhindern.

      Tränen – heute, an ihrem Hochzeitstag? Man würde sie nur auslachen.

      Sie sieht ein, daß sich nichts, auch nicht das geringste von Hanno erzwingen läßt. Also heißt es, sich fügen.

      Aber ihm zu zeigen, wie schwer sie sich gekränkt fühlt, das will sie sich nicht nehmen lassen. Sie wendet sich deshalb brüsk ab und beginnt eine laute, übertrieben lustige Unterhaltung mit ihrem Nachbarn zur Rechten.

      Unverwandt blickt Hanno zur Tür. Doktor Urban hat ihm versprochen, auf ein Gläschen Wein zu ihm zu kommen, wenn er Magda seinen Besuch gemacht hat. –

      Inzwischen ist der Doktor oben angekommen.

      Doktor Urban dämpft seinen Schritt beim Anblick des friedlich schlummernden Mädchens. Unweit von ihrem Bett läßt er sich nieder.

      Wie schmal ihr einst rundes Gesicht geworden ist! Auch die krankhafte Blässe gibt ihm zu denken. Wie sie sich verändert hat, die reizende Magda!

      Hier ist etwas nicht m Ordnung – überlegt er. Frau Christines Sorge scheint nicht ganz unbegründet, sondern gerechtfertigt zu sein.

      Er räuspert sich vernehmlich; da schlägt Magda die Augen auf, die tief umschattet sind.

      Sie erkennt in dem Manne, der sich über sie neigt, den alten Landarzt.

      »Sie, Herr Doktor?« versucht sie zu scherzen. »Sie kommen doch nicht etwa meinetwegen?«

      »Ei freilich, zu wem denn sonst, mein Kind? Elend genug sehen Sie ja aus. Da kann einem ja direkt das Herz vor die Füße fallen. Wo haben Sie denn Ihre roten Backen gelassen?«

      Unwillkürlich fährt Magda sich bei seinem gutmütigen Poltern mit der Hand über die Wangen.

      »So sehe ich doch immer aus, Herr Doktor. Ich fühle mich nicht krank, wirklich nicht nur furchtbar müde bin ich. Hätten Sie mich nur schlafen lassen, Herr Doktor! Morgen früh wäre ich wieder frisch und quicklebendig wie ein Fisch im Wasser gewesen.«

      »Nun ich aber einmal hier bin, müssen Sie sich eine Untersuchung schon gefallen lassen.« Er macht eine Bewegung zur Tür hin. »Es ist auch wegen der Tante, sie läßt mir ja keine Ruhe.«

      Er bringt das alles in einem herzlichen, vertraut heimlichen Ton heraus, der Magda ein kleines Lächeln entlockt.

      »Wenn es die Tante wünscht, dann darf ich mich wohl nicht länger sträuben. Also, walten Sie Ihres Amtes.«

      Sie zwingt sich gewaltsam zu einem heiteren Ton. Niemand, auch der väterlich gütige Arzt nicht, braucht zu wissen, wie elend ihr zumute ist.

      Sie läßt ihn gewähren. Die Augen zur Decke gerichtet, lauscht sie mit halbem Ohr auf das selbst hier vernehmbare laute Treiben im Hause und mit halbem Ohr auf das fröhliche Geplauder Doktor Urbans – bis es urplötzlich verstummt.

      Sie richtet sich auf, fühlt Urbans langen, prüfenden Blick auf sich ruhen und wundert sich darüber.

      »Na, Herr Doktor, was haben Sie nun für eine Krankheit bei mir entdeckt? Sie haben sich alle getäuscht. Ich bin kerngesund, nicht wahr? Ich bin nur ein wenig überarbeitet. Das hat nichts weiter auf sich.«

      »Allerdings!« Seltsam schwer klingt das Wort nach Magdas leichter Rede, die sie absichtlich so wählte.

      »Dann kann ich ja aufstehen«, sagt Magda mit fester Stimme.

      Doktor Urban antwortet nicht. Er geht hin zum Penster, schaut ein Weilchen hinaus und kehrt nach Minuten wieder an ihr Bett zurück.

      Wieder prüft sie dieser merkwürdig mitleidige Blick, so daß sie nicht an sich halten kann zu fragen:

      »Sie sehen mich so eigen an, Herr Doktor? Verheimlichen Sie mir etwas?«

      »Magda«, beginnt er mit etwas unsicherer, belegter Stimme, »nimm einmal an, ich sei dein Vater. Ich habe etwas ganz Persönliches mit dir zu besprechen, das vorläufig nur mich und dich angeht.«

      Er unterbricht sich sekundenlang, wäh-rend Magdas Augen groß und erstaunt an ihm hängen. Daß er das vertrauliche »Du« gebraucht, fällt ihr nicht weiter auf.

      »Ist es wahr, Kind, daß du und Han-

      no –«

      »Herr Doktor!«

      Verwarnend und entsetzt klingt ihr Ausruf, aber Doktor Urban läßt sich dadurch nicht irremachen, obwohl er die Angst aus den aufgerissenen Augen Magdas zu lesen glaubt.

      »Aber, Kind, nicht gleich so abweisend sein! Glaube mir, ich meine es nur gut mit dir. Du wirst mir noch dankbar dafür sein, wenn du erst alles weißt.«

      »Ich verstehe Sie nicht, verstehe Ihrganzes sonderbares Benehmen nicht, viel weniger noch Ihre wunderlichen Reden«, flüstert Magda, indem sie die Hände fest in die Bettdecke krallt. Ihr ist von der kurzen, aber aufregenden Unterhaltung noch elender geworden als zuvor.

      Mit Mühe hält sie sich aufrecht.

      Doktor Urban bemerkt es wohl und sagt deshalb:

      »Ich will es kurz machen, Magda. Du brauchst dringend Ruhe und darfst keine schwere Arbeit mehr verrichten. Soll ich mit Hanno sprechen, wie es um dich bestellt ist?«

      »Wie – es – um mich – bestellt ist?« wiederholt Magda mit bebenden Lippen. »Was – soll – das heißen?«

      Doktor Urban wird es unter den Blicken aus den großen, anklagend auf ihn gerichteten Augen unbehaglich. Donnerwetter, in welche peinliche Lage hat man ihn da hineingedrückt? Wie soll er es diesem ahnungslosen Menschenkinde beibringen?

      »Magda – ich sichere dir in jeder Weise meinen Beistand zu. Du darfst nicht verzweifelt sein. Siehst du, manches Mädel hat in derselben Lage wie du ihren Zustand verflucht, und nachher war es doch überglücklich, strahlend glücklich – als Mutter.«

      Mutter? In Magdas Kopf setzt sich nur dieses

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