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Der goldene Esel. Lucius Apuleius
Читать онлайн.Название Der goldene Esel
Год выпуска 0
isbn 9783843800044
Автор произведения Lucius Apuleius
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
›Ich Unglücklicher bin bloß durch die vermaledeite Lust, ein Fechterspiel zu sehen, wovon sehr viel geredet wurde, in dieses schmähliche Elend geraten! Denn, wie du weißt, reiste ich, um mir ein bisschen Geld zu verdienen, nach Mazedonien. Kaum habe ich mich da zehn Monate aufgehalten, so ist mein Beutel auch schon so voll, dass ich mich wieder auf den Heimweg begebe. Doch kurz vor Larissa, wo ich durchwollte, um dort eben die verwünschten Fechterkämpfe mit anzusehen, fällt mich eine Straßenräuberbande in einem abgelegenen, winkligen Tale an, und ich muss alles, bis aufs Leben, im Stich lassen. In dieser Not komme ich zu einer braven Gastwirtin mit Namen Meroe. Ich erzähle ihr die Ursachen meiner Wanderschaft, und wie ich nun beim Nachhausegehen alles meines sauer erworbenen Gutes beraubt wurde. Sie hört meine ganze Geschichte voller Mitleiden an und nimmt mich höchst liebreich bei sich auf, setzt mir auch, und zwar unentgeltlich, eine wohlzubereitete Mahlzeit vor; am Ende aber, von Brunst hingerissen, nimmt sie mich mit sich ins Bett, und damit war mein Unglück fertig! Denn in der einen Nacht hat mir’s das Weib so angetan, dass ich an sie Saft und Kraft verschwendete, ihr auch selbst die Kleider, die mir die Räuber aus Erbarmen noch gelassen hatten, nebst allem dem hingab, was ich, da ich noch fortkonnte, durch Trödeln gewann; bis ich mich zuletzt – Dank sei meinem bösen Geschick und diesem gutherzigen Weib! – in dem Zustande befand, worin du mich jetzt antriffst.‹ –
›Beim Pollux!‹ sprach ich. ›Du hättest es verdient, dass es dir noch schlimmer erginge, als es dir bereits geht, da du so um schnöde Lust und um einer verhurten Wirtin willen Frau und Kind vergessen hast!‹ – Ganz verdutzt fuhr er sich darauf voll Schrecken mit dem Zeigefinger hastig auf den Mund. ›St! st!‹ rief er mir zu, sah sich höchst schüchtern überall um und sprach endlich: ›O Bruder, ich bitte dich, nimm dich in Acht, dass du dir an dem Weibe die Zunge nicht verbrennst!‹ – ›So?‹ antwortete ich spöttisch. ›Was ist denn mit deiner Frau Wirtin? Ist sie so mächtig? Sie ist doch wohl nicht etwa eine Königin?‹ – ›Eine Zauberin‹, versetzte er, ›ist sie, eine Fee! Sie kann dir den Himmel herniederlassen, die Erde emporhängen, die Quellen versteinern, die Felsen zerfließen lassen, die Manen hinauf-, die Götter hinabbannen, die Gestirne verdunkeln, den Tartarus selbst erleuchten ...‹ – ›Halt, halt!‹ unterbrach ich ihn. ›Dass du nicht noch über die tragischen Stelzen stolperst! Pack lieber den theatralischen Plunder ein und sprich mit mir wie andere Leute.‹ – ›Nu, nu‹, sprach er, ›soll ich dir das eine oder andere von ihren Dingern erzählen? Dass sie nicht nur die Einheimischen, sondern die Inder auch, ja die Äthiopier und selbst die Gegenfüßler sterblich in sich verliebt macht, das ist erst eine Kleinigkeit, lauter Spaß! Aber höre nur an, was sie alles vor vieler Leute Augen getan hat. Einer ihrer Liebhaber hatte einmal ein Mädchen vergewaltigt. Mit einem Wort hat sie ihn da in einen wilden Biber verwandelt, um ihn mit dem zu strafen, womit er gesündigt; denn dieses Tier entmannt sich, um sich nicht fangen zu lassen. Danach tat ihr wieder ein benachbarter Gastwirt zu viel Abbruch in der Nahrung; den hat sie zu einem Frosch gemacht, der bis jetzt noch immer in seinem Weinfass herumschwimmt und daraus mit heiserer Kehle die alten Kunden zu sich einlädt. Ein andermal hat sie einen Advokaten, der einen Prozess gegen sie geführt hatte, zu einem Hammel umgestaltet. Du kannst den Hammel noch heute vor Gericht als Anwalt sehen. Endlich hatte einmal die Frau ihres Liebhabers über sie gar zu bitter gespottet. Was tut sie? Sie verschließt ihr in dem Augenblick, als sie entbinden sollte, den Leib, treibt ihr die Geburt zurück und verdammt die arme Unglückliche zu einer ewigen Schwangerschaft. Es sind nun schon, wie ihr jeder nachrechnen kann, über acht Jahre, dass sie sich so mit dickem Bauch herumschleppt, als sollte sie einen Elefanten zur Welt bringen. Kurz, durch diese und andere solche Streiche kamen gar sehr viele Leute zu Schaden, und der Unwille der ganzen Stadt wurde erregt und nahm so überhand, dass man beschloss, die Böse am nächsten Tag zu Tode zu steinigen. Doch weit gefehlt, dass die es hätte dazu kommen lassen! So wie Medea in einer von Kreon ihr zugestandenen Tagesfrist Palast samt Tochter und Vater mit Hilfe eines Kranzes zu Asche verbrannte, ebenso hat auch diese in einer einzigen Nacht (wie sie in einem Rausch es mir neulich selbst erzählt) vermittels fürchterlicher, in Gräbern gesprochener Beschwörungen, alle Einwohner der Stadt, samt und sonders so fest in ihre Häuser hineingebannt, dass sie ganze zwei Tage weder Schlösser aufbrechen noch Tür und Fenster ausheben, noch auch durch Mauern und Wände sich Öffnungen machen konnten; bis sie sich endlich insgesamt dazu aufrafften und einhellig schrieben und auf das Heiligste schworen, nicht nur selbst nicht Hand an sie zu legen, sondern sie auch gegen jedermann, der etwas gegen sie unternehmen würde, zu verteidigen und zu schützen. Damit zufrieden, hat sie stracks die ganze Stadt wieder entzaubert. Lediglich den Urheber des gegen sie geplanten Anschlags hat sie bei stockfinsterer Nacht samt dem ganzen Haus (das heißt Gemäuer, Grund und Boden), so verschlossen wie es war, hundert Meilen weit weg in eine Stadt hingetragen, die auf der Spitze eines so hohen Berges liegt, dass beinahe gar kein Wasser da ist. Weil aber da die Gebäude der Einwohner so dicht aneinander standen, dass für den neuen Ankömmling kein Platz mehr war, so hat sie das Haus nur vor das Stadttor hingeworfen und sich dann wieder heimbegeben.‹
›Nein, lieber Sokrates‹, schrie ich, ›das ist arg, das ist wundersam! Nun ist mir gleichfalls angst und bange, und es bebt mir das Herz vor Furcht im Leibe, dass deine Alte auch von unseren Gesprächen durch die Hilfe eines Geistes erfahre. Lass uns also nur früh Schluss machen, damit wir bald ausschlafen und uns morgen so früh wie möglich aus dem Staub machen können!‹ – Ich hatte dies noch nicht ausgesprochen, da war der gute Sokrates, weil er den Wein nicht gewöhnt und vom Tage her müde war, schon eingeschlummert und schnarchte überlaut. Ich klemme also flugs die Türe zu, schiebe die Riegel ganz fest vor, stelle auch noch zur größeren Sicherheit mein Bett ganz dicht gegen die Angeln und werfe mich hinauf. Die Furcht hielt mich erst eine lange Weile wach; endlich, um Mitternacht, fallen mir die Augen allmählich zu. Kaum war ich recht eingeschlafen, so wird auch mit einmal mit größerem Ungestüm, als sich von Dieben erwarten lässt, die Tür geöffnet oder vielmehr gesprengt und so über den Haufen gerannt, dass die Angeln in Stücken zu Boden fallen. Mein Bett, ohnedies klein, dreibeinig und morsch, fliegt um und um und bleibt, da ich herausgepurzelt bin, umgestürzt über mir stehen. Da erlebte ich, dass manche Affekte sich von Natur auf paradoxe Art äußern. Denn wie man oftmals vor Freude Tränen vergießt, so konnte ich mich auch jetzt bei meinem großen Schrecken des Lachens nicht erwehren, da ich so aus Aristomenes zu einer Schildkröte geworden war. Wie ich aber auf der Erde unter meinem Bett hervorschaue, was es denn gibt, so seh’ ich zwei ziemlich betagte Mütterchen. Eine trägt eine helle Leuchte; die andere einen Schwamm und einen blanken Dolch. In dem Aufzug stehen beide am Bett des Sokrates, der in tiefem Schlaf lag. Die mit dem Dolch fängt an: ›Hier, Schwester Panthia, hier siehst du meinen treuen Endymion, meinen Ganymed, der so Tag und Nacht meine Schwäche missbraucht hat und der nun meine Liebe mit Füßen tritt, meinen guten Namen schändet und mich auf ewig fliehen will. Aber weit gefehlt, dass ich mich von