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Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman. Karin Bucha
Читать онлайн.Название Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman
Год выпуска 0
isbn 9783740930271
Автор произведения Karin Bucha
Жанр Языкознание
Серия Karin Bucha Staffel
Издательство Bookwire
»Mir hat einmal ein Mensch geholfen«, sagt er hart. »Das genügt mir.«
Ein peinliches Schweigen entsteht. Der Ober nähert sich, und Rietberg bestellt sich ein Getränk.
»Sie sollen nur wissen, lieber Hermann«, nimmt Rietberg den Faden wieder auf, »daß ich Ihnen gern helfen möchte.«
»Danke, sehr liebenswürdig«, wehrt Hermann mit dem Anflug eines Lächelns ab. »Aber ich helfe mir selbst. Ich beginne ganz von vorn, und ich fühle mich stark genug dazu.«
»Und ich helfe dir, Papa«, setzt Cornelia abschließend hinzu und legt ihre Finger wieder auf die Hand des Vaters.
Wie schön sie ist, wie wunderschön – sinnt Rietberg – und er wundert sich, daß er ihr noch nie begegnet ist.
Cornelia lehnt sich weit zurück. Sie hält die Lider halb geschlossen. Aber sie betrachtet eingehend das interessante Gesicht ihres Gegenübers.
Rietberg spürt den prüfenden Blick, und erstmals passiert es ihm, daß er verlegen wird. Hastig erhebt er sich und greift zu seinem Hut. »Entschuldigen Sie mich, ich muß weiter«, sagt er und reicht zuerst Cornelia und dann Rudolf Hermann die Hand. Cornelia legt nur die Fingerspitzen hinein. »Ich hoffe, Sie bald einmal wiederzusehen.«
Cornelia sieht hinter ihm her. Hat er nun sie oder Papa gemeint?
»Die Liebe ist ein gar zartes Kraut, Kind«, hört sie des Vaters zögernd gesprochene, wie aus tiefem Sinnen kommenden Worte. »Es bedarf hingebungsvollster Pflege, damit sie gedeiht und wächst, bis sie ganz stark geworden ist.«
Verwirrt sieht sie ihn an. »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, Papa«, gibt sie ehrlich zu. »Ich habe überhaupt sehr wenig nachgedacht, über das Leben und seinen Sinn. Ja, auch über mich selbst habe ich nicht nachgedacht, am allerwenigsten über die Liebe.«
Liebevoll betrachtet er ihr zartes, jetzt so nachdenkliches Gesicht.
»Ach, Papa«, seufzt sie leise. »Jetzt kommt es mir vor, als hätte ich bisher ein Traumleben geführt, weit entfernt von der Wirklichkeit. Es war ein ewiges Gehetze, vom Friseur zur Schneiderin, nachmittags zu Tanztees, immer Betrieb um mich herum. Abends zu irgendeiner Einladung, bis in die Nacht hinein getanzt, todmüde ins Bett, bis in den hellen Tag hinein geschlafen. Da kam ich nicht zum Nachdenken.«
»Also Übersättigung«, wirft Hermann kurz ein.
»Übersättigung?« Sie sinnt hinter dem Wort her. Sie sieht ernsthaft und grüblerisch und dann wieder wie ein kleines Mädchen aus, das kleine Sünden zu beichten hat. »Vielleicht sollte man es so nennen – oder auch nicht? Bis zu dem Augenblick, da ich Einblick in deine Sorgen, in unser trauriges Familienleben gewann, hat es mir ganz gut gefallen. Aber jetzt…« Sie schüttelt sich wie ein nasser Hund. »Jetzt könnte ich nicht mehr in dieser Gedankenlosigkeit leben. Auch Lothars Unglück hat dazu beigetragen. Siehst du, die jungen Menschen aus wohlhabendem Hause haben ja immerfort die blödsinnigsten Ideen, weil ihnen keiner die Sinnlosigkeit ihres Tuns klargemacht hat. Das war eben alles in Ordnung. Was Lothar passiert ist, kann morgen einem anderen der jungen Menschen passieren. Heute jung und gesund – morgen ein Krüppel.«
Sie sieht ihn mit ängstlichen Augen an. »Lothar wird doch wohl kein Krüppel werden?«
»Wir wollen es nicht hoffen, Kind. Außer dem linken Arm hat er ja alle Glieder gebrochen. Er wird mit sich selbst viel Geduld haben müssen. Es wird ein langer Heilungsprozeß werden.«
»Eigentlich machen wir dir nichts als Kummer, Papa«, bemerkt sie schmerzlich berührt.
»Kummer?« wiederholt er mit einem nachsichtigen Lächeln. »Ich meine eher, wir setzen zuviel Hoffnungen in unsere Kinder, und wenn es dann nicht so ausläuft, wie man es sich wünscht, ist man enttäuscht. Man soll nicht mehr in einen Menschen hineinlegen, als drin ist.«
Als er ihr vorschlägt zu gehen, ist sie sofort bereit. Arm in Arm schlendern sie im Strome der Passanten dahin. Eigentlich ist es wunderbar, einmal Zeit zu haben, für mich selbst und für mein Kind – sinnt er – und er ist glücklich und vergißt, wie grau die Zukunft vor ihm liegt.
*
Im Hause trennen sie sich. Cornelia verschwindet über die Treppe, und er sucht sein Zimmer auf.
Über den Schreibtisch gebeugt, sieht er das Foto von Stefanie.
Wie hat er nur die vielen Jahre neben dieser egoistischen Frau leben können? War er mit Blindheit geschlagen? Oder war es Resignation? Noch ist er mit seinen Überlegungen zu keinem Ende gekommen, als sich die Zwillinge durch die Tür schieben.
»Verzeih, Papa.« Er hebt die Augen und geht ihnen entgegen. »Wir hatten angeklopft.«
»Nett, daß ihr zu mir kommt«, sagt er und legt die Arme um sie. Er findet sie reizend, seine beiden Jüngsten.
»Wir – wir wollten dir nur sagen –«, beginnt Christian stockend und wirft Christiane einen hilfeflehenden Blick zu, den sie sofort versteht.
»Du sollst uns nicht böse sein, Papa. Aber wir wollen bei Mama bleiben«, kommt Christiane ihm zu Hilfe.
»Das kann ich verstehen, Kinder«, sagt er mit einem kleinen traurigen Lächeln. »Ihr wollt Mama nicht allein lassen.«
»Sie will mir einen Modesalon einrichten«, fällt Christian ihm in die Rede, hastig und übereifrig.
»Das kann ich allerdings nicht, Christian«, gibt er unumwunden zu. »Bis dahin mußt du aber noch fleißig lernen.«
Er macht eine großartige Handbewegung. »Mama meint, das sei gar nicht nötig. Man engagiert sich tüchtige Leute –«
»– und spielt den Chef, den jungen, unerfahrenen Chef«, versetzt er spöttisch.
»Natürlich, Papa, dann bin ich der Chef. Mama meint –«
Er atmet tief. »Ja, mein Junge, Mama meint es sicher sehr gut mit dir. Dann darf ich dir nur Glück wünschen.«
Er wendet sich an Christiane. »Und du?«
»Mama meint, ich hätte eine gute Figur, ich könnte kostbare Kleider vorführen und bei den Modeschauen mithelfen.«
»Soso«, macht er nur, und er fühlt einen Stich in der Brust. Wie sehr die beiden unter dem Einfluß der Mutter stehen. Was sie sagt, ist Evangelium für sie. Ob sie jemals eine eigene Meinung haben werden?
*
Ratlos, hilflos und verstört sitzt Cornelia auf einem Koffer in der kleinen Wohnung, die er für sie gemietet hat. Es sind zwei schmale Zimmer, eins für sie und eins für den Vater, und dann ist eine geräumige Veranda da, wie ein Zimmer, mit Glasfenstern, hell und sonnig.
Sie seufzt und erhebt sich. Wohin nur mit dem vielen Gepäck? Sie schleppt ihre Koffer in ihr Zimmer und findet auch da die liebevolle Hand des Vaters. Es ist bestimmt nicht groß, aber es ist zweckmäßig.
So nimmt sie langsam Besitz von der kleinen Wohnung, die ihr winzig, wie ein Puppenstübchen, vorkommt.
Langsam kehrt sie in ihr Zimmer zurück, beginnt auszupacken und ihr Eigentum zu verstauen. Sie muß feststellen, daß sie es gar nicht unterbringen kann. Die Kleider finden keinen Platz in dem schmalen Schrank. Auch die Wäschefächer reichen nicht aus. So läßt sie den Rest in den Koffern.
Ein Blick auf die Uhr. Du lieber Himmel! Sie muß ja für etwas Eßbares sorgen. Sie holt ihre Handtasche herbei und zählt ihre Barschaft.
Drei Fünfzigeuroscheine, zwei Zehner und einiges Kleingeld. Sie dünkt sich unendlich reich. Ein Glück, daß sie diesen Monat keine großen Ausgaben gehabt hat.
Sie eilt von Geschäft zu Geschäft. Sie kauft ein, was ihr gefällt und wovon sie glaubt, daß es dem Vater Freude machen wird.
Als sie, zu Hause angekommen, ihre Einkäufe überprüft, kommt es ihr ziemlich üppig vor.
Als