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an den Türen mit den Glasscheiben vorbei, durch die man die Geschäftszimmer übersehen kann.

      In seinem Zimmer sitzt Emil Weber hinter dem Schreibtisch. Beim Eintritt Hermanns richtet er sich auf und betrachtet forschend den Freund, der langsam näherkommt, die Hände auf die Tischplatte stützt und sich erkundigt.

      »Nun, alter Freund, wie steht es? Was hast du inzwischen zusammengerechnet?«

      Weber sucht vergeblich nach Worten. Sind wirklich erst Stunden vergangen, da Rudolf, ein dem seelischen Zusammenbruch nahestehender Mann, vor ihm gestanden? Was ist inzwischen geschehen?

      »Was – was ist los mit dir, Rudolf?« fragt er und versucht ein verunglücktes Lächeln.

      »Ja, mein lieber Emil. Manchmal kann eine einzige Stunde das Leben eines Menschen verändern«, spricht Hermann ruhig und gelassen wie immer. »Eine einzige, armselige Stunde«, wiederholt er sinnend.

      »Hat – hat deine Frau dir endlich geholfen?« Weber gerät in Erregung und schiebt die Bücher etwas zur Seite.

      »Geschäftlich hat sich nichts geändert, Emil«. gibt Rudolf Hermann mit fester Stimme Auskunft. »Aber

      sonst –« Jetzt gerät er ins Stocken. »Ich habe mich von Stefanie getrennt – für immer und Cornelia, meine kleine, schöne Cornelia hält zu mir.«

      Er verstummt, und das Leuchten seiner Augen wird tiefer. Weber hat sofort begriffen.

      Er senkt den Kopf, öffnet das Hauptbuch und erklärt mit geschäftsmäßigem Ton.

      »Wenn du das Geld an deine Frau zurückgezahlt hast, verbleibt dir ein kleiner Rest zu einem neuen Anfang. Viel ist es nicht, Rudolf, aber wie ich dich kenne, genügt es dir. Die Baufirma wird hier den ganzen Betrieb mitsamt den Angestellten übernehmen, so daß keiner arbeitslos wird. Das habe ich erreicht.«

      Hermanns Brust hebt sich in einem tiefen Atemzug. »Gottlob, darüber habe ich mir viel Sorgen gemacht. Man übernimmt sie also. Wie schön von Stefan Rietberg. Es freut mich um deinetwillen ganz besonders –«

      »Um meinetwillen –?« wiederholt Weber erstaunt. »Was habe ich denn damit zu tun?«

      »Du gehörst doch zu dem Stab meiner Mitarbeiter – ich meine – meiner ehemaligen Mitarbeiter.«

      »Ich gehöre zu dir, Rudolf«, sagt Weber ärgerlich und schlägt das Buch energisch zu. »Denkst du, ich verlasse dich? Kann man die Jahre unserer Zusammenarbeit, die unsere Freundschaft vertieft haben, einfach wegwischen? So einfach auslöschen wie einen Kreidestrich?«

      »Weber, Menschenskind, man bietet dir eine Chance. Du bist nicht mehr der Jüngste!« Hermann gerät in helle Bestürzung. Seine Rede ist voll Eindringlichkeit, sie ruft nur ein abwehrendes Lächeln auf Webers unrasiertem Gesicht hervor.

      »Red keinen Unsinn!« Die hagere Gestalt richtet sich aus Rudolf Hermanns Sessel empor. »Das wäre eine traurige Freundschaft, wollte sie diesen Sturm nicht überdauern. Mein Entschluß steht fest –« Er blinzelt den Freund beinahe verschmitzt an.

      »Emil!« Hermann ist wie vor den Kopf geschlagen. Er preßt die Lippen zusammen.

      Zuerst Cornelia – sinnt er – nein, zuerst war es Lothar, der schwer verletzte Lothar, der ihn an seinem Bett haben wollte. »Vater, lieber Vater«, hat er gesagt und dann hat Cornelia an seinem Hals gestammelt, daß sie ihn liebt und nun Weber, der es für eine Selbstverständlichkeit hält, bei ihm zu bleiben.

      »Wie geht es Lothar?« Wie aus weiter Ferne schlägt diese Frage an Hermanns Ohr. Sie bringt ihn in die Gegenwart zurück. Nur nicht viele Worte machen, das ist Webers Prinzip. Er dreht sich um, angelt sich einen Stuhl heran und setzt sich schwerfällig. »Ja, der Junge, Emil, er wird wohl durchkommen, wie der Arzt meinte. Aber man weiß nicht, ob er seine Glieder wird ordentlich wieder gebrauchen können. Man muß Geduld haben, Emil. Ich habe großes Vertrauen zu diesem jungen Arzt. Doktor Rauher heißt er.«

      Weber lächelt erfreut. Er hüstelt und meint dann: »Übrigens, Rudolf, du kannst dich um deinen kranken Sohn kümmern. Ich bringe hier die Sache ganz allein in Ordnung. Stefan Rietberg ist ein grundanständiger Kerl. Alle Achtung! Er bedauert

      tief –«

      Hermann macht eine rasche Handbewegung, die Weber verstummen läßt. Er überlegt kurz, dann erhebt er sich. »Gut, Emil, dann will ich mal wieder gehen. Du findest mich heute noch in meinem Haus. Ich erwarte dich sogar. Wir haben, wenn hier alles erledigt ist, über unsere Zukunft zu sprechen.«

      Bedächtig setzt er seinen Hut auf und langsam läßt er seine Augen in dem Raum, in dem er ein halbes Menschenleben gearbeitet hat, umhergleiten.

      Von der Tür her sagt er mit belegter Stimme: »Überhaupt habe ich vergessen, dir zu danken, Emil. Zunächst für deine Treue –«

      Weber fegt mit der Hand durch die Luft, und Hermann lächelt schwach. »Ich weiß, von Dank willst du nichts wissen. Weißt du, Emil, wenn ich es recht bedenke, dann sind wir eigentlich gar nicht arm, nicht wahr?«

      *

      In dem Frühstückszimmer in Rudolf Hermanns schönem, geschmackvollem Haus hat sich wenig geändert.

      Die Zwillinge sitzen immer noch verstört und dicht zusammengedrängt auf dem Sofa. Cornelia lehnt an der Anrichte, und ihre hellen Augen verfolgen die immer noch jugendliche Gestalt der Mutter, die im Zimmer umherrast.

      »Das kann doch nicht möglich sein, Cornelia. So undankbar kann doch kein Kind sein.« Am ganzen Leibe zitternd bleibt Stefanie Hermann vor ihrer Tochter stehen. »Du kennst das Leben nur von der besten Seite. Du bist verwöhnt, du kennst nur Luxus. Ich kann dir deine Wünsche auch weiterhin erfüllen. Was kann dir schon dein Vater bieten, dieser – dieser –«

      »Mama!« Entsetzt streckt Cornelia beide Hände vor. »Sprich das häßliche Wort nicht aus. Papa hat das niemals um uns verdient.«

      »Sei still«, herrscht Stefanie die Tochter an. »Du weißt nicht, was du sprichst.«

      Cornelia streckt sich. »Aber ich weiß, was ich will«, sagt sie unbeugsam.

      »Was denn?« höhnt Stefanie.

      »Arbeiten, Mama. Ich werde arbeiten wie jeder andere auch und nicht auf Papas Tasche liegen.«

      »Da würdest du auch ziemlich hart liegen, denn die ist schmal«, meint Stefanie boshaft, und ihre Augen werden ganz schmal.

      Cornelia hebt ratlos die Schultern. »Es tut mir leid, Mama«, flüstert sie kaum hörbar. »Ich liebe dich und auch Papa, aber Papa –«

      »Ich weiß, ich weiß«, unterbricht Stefanie außer sich, »aber Papa liebst du mehr. Du wirst es noch bereuen, und wie du es bereuen wirst.«

      »– aber Papa braucht jetzt einen Menschen neben sich, wenn er nicht verzweifeln soll«, spricht Cornelia unbeachtet des Einwurfes weiter.

      Abermals fegt Stefanie mit dem schleppenden Morgenrock über den Teppich. »Und ihr?« faucht sie die Zwillinge an.

      »Wir bleiben selbstverständlich bei dir, Mama«, läßt Christian sich vernehmen und legt dabei den Arm um die Schwester. »Nicht wahr, Christiane, wir können Mama nicht allein lassen?«

      Christiane nickt heftig. »Und Lothar?« flüstert sie.

      Stefanie kneift die Lippen zusammen und bleibt nachdenklich stehen. Sie murmelt: »Lothar, natürlich, Lothar muß sich auch entscheiden. Wir werden zu ihm fahren, jetzt gleich, und ihr kommt mit«, befiehlt sie den Zwillingen.

      Cornelia stellt sich Stefanie in den Weg. Ihre Augen sind vor Schreck weit geöffnet. »Du willst doch jetzt nicht zu Lothar fahren, Mama, um von ihm eine Entscheidung zu erzwingen? Er weiß doch noch von nichts.«

      Stefanie schiebt die Tochter verächtlich beiseite. »Dann wird es Zeit, daß er es endlich erfährt.«

      Sie hastet aus dem Zimmer, und der Morgenrock raschelt hinter ihr her.

      Cornelia sinkt in einen Sessel,

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