Скачать книгу

teilnehmen sollen. Nun werden sich unzählige Leute erkundigen, warum ich nicht anwesend bin.«

      »Hast du ihm gesagt, daß du hier bist?« fragte Gilda.

      »Nein, natürlich nicht! Wie kannst du nur so dumm sein? Ich habe mich einfach in Luft aufgelöst.«

      »Ach, Heloise, ich finde das wirklich sehr mutig von dir! Aber wird deine Patentante ihm nicht erzählen, wohin du gefahren bist?«

      »Ich bin nicht das Risiko eingegangen, daß er ihr meine Adresse abschmeicheln könnte«, erwiderte Heloise. »Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen, die mein Mädchen ihr vorgelesen haben wird, als es heute morgen gerufen wurde.«

      Gilda sah sie verständnislos an, und Heloise erklärte: »Ach, ich habe ganz vergessen, dir das zu erzählen. Ihre Ladyschaft hat etwas mit den Augen und ist jetzt blind.«

      »Blind! Wie schrecklich! Was ist denn das für eine Krankheit?«

      »Die Ärzte, ohnehin alles nur Dummköpfe, glauben, daß es nur vorübergehend ist«, erwiderte Heloise ungeduldig. »Aber ihre Augen sind bandagiert, und deshalb muß man ihr alles vorlesen. Normalerweise ist das meine Aufgabe, und eine sehr langweilige dazu, das kann ich dir sagen.«

      »Das tut mir so leid für sie.«

      »Spar dein Mitleid lieber für mich auf, weil ich es brauchen kann«, meinte Heloise. »Ach, Gilda, wenn mein verzweifeltes Spiel nicht aufgeht, hänge ich schön in der Luft.«

      »Liebst du . . . diesen Herrn ... so sehr?«

      »Lieben?« wiederholte Heloise. »Damit hat das nun wirklich nichts zu tun! Aber mein größter Wunsch ist es, die Marchioness of Staverton zu werden.«

      »Ist das der Name des Herrn, vor dem du dich versteckst?«

      »Ja, natürlich. Stell dich doch nicht so dumm an, Gilda! Versuch zu verstehen, was hier passiert. Auf seine Art macht er mir seit über einem Monat den Hof. Ich habe gewartet und war bis vor zwei Wochen ganz sicher, daß er mir seinen Antrag machen wollte, aber . . .«

      »Was ist dann geschehen?« unterbrach Gilda.

      »Er hat mir Komplimente gemacht - er hat mir Blumen geschickt - er ist mit mir ausgefahren - er hat Gesellschaften mir zu Ehren gegeben.«

      Sie machte eine kleine Pause, ehe sie eindrucksvoll fortfuhr: »Zweimal hat er mich sogar aufgefordert, mit ihm zu tanzen! Du hast ja keine Ahnung, welche Ehre das ist! Er haßt es zu tanzen, und ich dachte damals, daß ich ihn endlich an der Angel hätte - aber nein, die Worte, die ich hören wollte, sind ihm nie über die Lippen gekommen.«

      Gilda faltete die Hände.

      »Ach, Heloise, ich kann mir vorstellen, wie frustrierend das für dich sein muß.«

      »Sehr, sehr frustrierend! Ich habe Dutzende von Bewunderern, wirklich, Dutzende, aber keiner von ihnen reicht an den Marquis heran.«

      »Erzähl mir von ihm.«

      Heloise seufzte.

      »Er ist einer der reichsten Männer der Beau Monde. Ein enger Freund des Prinzen von Wales. Er ist ein Beau, aber er mag es nicht, wenn man das sagt. Und sein Besitz - ach, Gilda, ich kann es nicht beschreiben!«

      »Warum ist er noch nicht verheiratet?«

      »Gute Frage. Alle Mädchen in London liegen ihm zu Füßen, oder, wenn sie verheiratet sind, in seinen Armen!«

      Gilda sah sie schockiert an, und Heloise lachte, aber es lag kein Humor in diesem Ton.

      »Er ist nicht so dumm, ein unverheiratetes Mädchen anzurühren, sonst würde deren Vater ihn schon bald in die Kirche treiben!«

      Heloises Stimme klang scharf und, wie Gilda fand, irgendwie kalt.

      »Ich nehme an«, meinte sie dann ein wenig zögernd, »der Marquis hat darauf gewartet, sich . . . ernsthaft zu verlieben . . . und das ist dann . . . wohl bei dir geschehen.«

      »Das dachte ich auch, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben. Aber es dauert lange, bis er das sagt, zu lange für meinen Geschmack.«

      »Und du glaubst, jetzt, wo du verschwunden bist, wird er begreifen, wieviel du ihm bedeutest?«

      »Deshalb bin ich hierhergekommen. Verdammt noch mal, er muß es tun!«

      Gilda zuckte zusammen.

      Sie erschrak, als sie ihre Schwester so fluchen hörte.

      Doch sie war klug genug, sich nicht dazu zu äußern. Und so meinte sie nach einer Weile nur:

      »Heloise, entschuldige bitte, aber ich habe dich noch gar nicht gefragt, ob du nach der langen Fahrt eine Erfrischung möchtest.«

      »Jetzt, wo du es sagst - ich bin wirklich durstig. Gibt es hier irgendwelchen Wein?«

      »Vielleicht ist noch eine Flasche Claret im Keller. Ich habe nie nachgeschaut, seit Papa tot ist.«

      »Das dachte ich mir! Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, daß du etwas anderes trinkst als Milch oder Wasser.«

      Das klang nicht gerade wie ein Kompliment, und Gilda meinte: »Ich habe Tee, wenn du welchen möchtest.«

      »Ich werde wohl keine andere Wahl haben. Aber es muß schon fast Mittagszeit sein. Hast du wenigstens was Anständiges zu essen?«

      Gilda dachte nach.

      »Eier. Ich könnte dir ein Omelett machen, und dann habe ich noch etwas Schinken. Mrs. Hewlett hat ihn gebracht. Ihr Sohn hat eine Farm und hat ihn selbst geräuchert.«

      Heloise rümpfte die Nase.

      »Das klingt nicht sehr verlockend. Besser, du machst mir nur ein Omelett. Eine Hungerkur ist wenigstens gut für meine Figur, wenn sie schon sonst zu nichts taugt.«

      Gilda erwiderte nichts darauf. Stattdessen hob sie das blaue Seidencape auf, das Heloise in einen Sessel geworfen hatte, und trug es in die Halle.

      Sie hängte es in den geschnitzten Eichenschrank, der zwei Mäntel ihres Vaters und einen ziemlich abgetragenen von ihr selbst enthielt, den sie im Garten trug, wenn es kalt war.

      Als sie Heloises Cape daneben hängte, bemerkte sie den Duft, den es verströmte. Bestimmt hatte Heloise ihr Parfüm in Paris gekauft!

      Anschließend eilte sie in die Küche, um das Omelett zuzubereiten.

      Es dauerte eine Weile, bis sie das Feuer im Herd aufgeschichtet hatte, das am Erlöschen war, bis das Teewasser kochte und sie die Bratpfanne für das Omelett erhitzen konnte. In der Speisekammer waren noch drei Eier, die sie in eine Schüssel schlug. Dabei überlegte sie, daß sie noch zur Farm gehen und mehr Eier für Heloises Abendessen und ihr Frühstück am nächsten Morgen besorgen mußte.

      Da kam Heloise in die Küche.

      Sie sah so reizend aus, daß Gilda sie einen Moment lang nur anstarren konnte. Mit ihrem modisch frisierten goldenen Haar und den blauen Augen glich sie einer Frühlingsgöttin.

      »Sieht alles noch genau wie früher aus«, meinte Heloise geringschätzig. »Ich hatte ganz vergessen, wie klein und schäbig das Haus ist. Ich begreife nicht, wie du es hier aushalten kannst, Gilda.«

      »Ich hatte keine Wahl«, antwortete Gilda. »Ehrlich gesagt, ich habe mich schon gefragt, was ich machen soll, denn eigentlich kann ich mir nicht einmal leisten, hier zu wohnen.«

      Sie sah, wie die Schwester bei ihren Worten erstarrte und bemerkte instinktiv deren Befürchtung, sie könnte sie um Geld bitten.

      »Was hat Papa dir hinterlassen?« fragte Heloise nach einer Weile.

      »Seine Pension ist mit seinem Tod erloschen. Wenn Mama noch leben würde, hätte sie natürlich Anspruch auf eine Witwenrente gehabt, aber für Kinder wird nicht gesorgt.«

      »Ich nehme an, wenn es sich um Jungen handelt, wird erwartet, daß sie sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, aber bei Mädchen rechnet

Скачать книгу