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und Mary Ann waren indessen schon in Possenhofen angekommen, in dem hübschen Häuschen, das Simons Vater vor vielen Jahren erworben hatte. Jetzt lebten Simons Eltern schon lange Zeit im Schwarzwald, wo ihnen das Klima besser bekam.

      Das Haus war nicht ausgekühlt. Im Winter war die Heizung so eingestellt, daß nichts einfrieren konnte. Ein Rentner aus dem Dorf schaute regelmäßig nach dem Rechten, und so brauchte Simon die Heizung nur ein bißchen weiter aufzudrehen, damit es bald wohlig warm wurde. Mary Ann war ohnehin abgehärtet und sie fühlte sich gleich wohl in dem behaglichen Haus.

      Sie hatten unterwegs noch eingekauft, was sie für den Abend und den nächsten Tag brauchten. Sie wollten es sich jetzt gemütlich machen und ihre Zweisamkeit ungestört genießen.

      Eine begeisterte Kochkünstlerin war Mary Ann nicht, aber sie brachte ein wohlschmeckendes Essen auf den Tisch. Kalbsgeschnetzeltes mit Reis und Rahmsoße, dazu Erbsen. Sie tranken einen guten Wein und fühlten sich pudelwohl.

      »Endlich mal kein Streß, kein Telefon«, sagte Simon erleichtert. »Wir sollten uns öfter dazu Zeit nehmen.«

      »Vor allem, wenn wir Kinder haben«, sagte sie träumerisch.

      »Ich will keine Kinder, ich will dich für mich haben«, erklärte er so bestimmt, daß sie erschrak.

      »Was hast du gegen Kinder, Simon?«

      »Im allgemeinen gar nichts, aber ich hätte viel zuviel Angst, dich zu verlieren.«

      »Ich verstehe ja, daß dich Sabines Tod tief getroffen hat, aber das passiert doch nicht oft.«

      »Man weiß nie, wie das ausgeht. Dich will ich keiner Gefahr aussetzen.«

      »Ist das nicht ein bißchen übertrieben, Darling?«

      »Du magst es anders sehen, aber für mich wären die Monate die Hölle. Bei Sabine habe ich mir gar nichts gedacht, und irgendwie mag sie auch nicht ganz schuldlos gewesen sein mit ihrer Raucherei und den Partys. Sie wollte ja keine auslassen. Du bist anders, das weiß ich, aber du bist das Wertvollste, was ich habe. Ich liebe dich so sehr, Mary Ann, versteh mich bitte.«

      Sie wollte ihn so gern verstehen, doch in diesem einen Punkt hatte sie ihre eigene Meinung, wenn sie diese jetzt auch nicht sagte. Sie wollte dieses Beisammensein vor ihrer Reise ungestört genießen.

      *

      Nach drei schönen Tagen voller Harmonie stand der Freitag vor der Tür. Mary Ann wollte nicht viel mitnehmen. Was sie brauchte, konnte sie in Atlanta kaufen. Dort war sowieso ein anderes Klima als hier. Sie hatte ihre Kinderjahre dort verbracht, aber sie hatte weder eine gute Erinnerung daran, noch hatte sie Sehnsucht danach. Sie hatte alles gehabt, was ein Kind sich wünschen konnte, nur keine Eltern, die sich verstanden und ihr ein liebevolles Zuhause gaben.

      Jetzt hatte sie sogar Angst, möglicherweise ihrer Mutter zu begegnen, die ihr das Erbe neidete.

      So realistisch Mary Ann auch denken konnte, und Geld gehörte nun mal zum Leben, es war ihr unbehaglich, daß ihr Vater alles ihr hinterlassen hatte.

      Mochten auch die meisten Menschen, mit denen sie zu tun hatte, von ihr denken, daß sie unbeeinflußbar ihre Ziele verfolgte, Simon wußte, wie verletzlich sie war, obgleich sie ihm nicht gestanden hatte, mit welch gemischte Gefühlen sie diese Reise antrat. Es war ihr auch nicht recht, daß er sie zum Flughafen brachte, weil ihr der Abschied unsagbar schwer wurde, aber das konnte sie ihm auch nicht sagen. Er hätte es sich auch nicht nehmen lassen, sie selbst bis zur Lounge zu bringen.

      »Welch Trost, daß du nicht lange bleiben wirst«, sagte er. »Bitte, ruf mich jeden Tag an.«

      »Wann immer ich Gelegenheit dazu habe«, versprach sie.

      Noch eine Umarmung, noch ein Kuß, dann entschwand sie schnell seinen Blicken, und er blieb mit einem Gefühl der Leere zurück.

      Er blieb, bis angezeigt wurde, daß die Maschine gestartet war, und dann sah er sie schon hoch droben am Himmel davonziehen.

      Er fuhr zurück. Er wußte mit seiner Zeit nichts anzufangen, da niemand mehr im Büro war, und er hätte sich sowieso nicht auf Arbeit konzentrieren können.

      Er hatte sich noch nie so allein gefühlt wie jetzt. Ihm wurde ganz bewußt, daß Sabine ihm das niemals gegeben hatte und hätte geben können, was Mary Ann ihm gab.

      Unentwegt waren seine Gedanken bei ihr, und als er in seiner gewohnten Umgebung war, kam ihm auch diese verändert vor ohne ihre Gegenwart.

      Er schaltete den Fernseher an, aber was da ablief, konnte ihn nicht auf andere Gedanken bringen.

      Es war Mitternacht, als das Telefon läutete, aber er war hellwach. Dann hörte er endlich wieder ihre vertraute Stimme.

      »Ich bin so froh, dich zu hören«, sagte er mit einer Stimme, die ihm nicht gehorchen wollte.

      »Habe ich dich geweckt, Darling?«

      »Nein, ich kann nicht schlafen, du fehlst mir.«

      »Ich bin gerade erst im Hotel in Atlanta angekommen und habe schon ausgerechnet, daß dort Mitternacht ist. Ich wünschte auch, ich wäre bei dir. Hoffentlich ist das hier schnell abgewickelt.«

      »Ich kann es nicht erwarten, bis du wieder bei mir bist, Mary Ann.«

      »Ich komme sobald wie möglich. Ich vermisse dich doch auch. Schlaf jetzt, und träum was Schönes.«

      »Du auch, mein Liebstes.«

      Er hielt den Hörer noch eine ganze Weile in der Hand und wünschte, er könnte sie im Arm halten.

      Er schlief unruhig, an schöne Träume war nicht zu denken. Sein Herz schlug unruhig, und ein Angstgefühl trieb ihm kalten Schweiß auf die Stirn.

      Es war noch nicht fünf Uhr, als er wieder aufstand und ins Bad ging, um kalt zu duschen. Aber wohler fühlte er sich auch danach nicht.

      Er kleidete sich an und entschloß sich zu einem langen Spaziergang. Draußen herrschte eine nahezu beklemmende Stille. Die Straßen waren menschenleer, und in der freien Natur lagen Nebelschleier über den Feldern. Aber endlich konnte er wieder durchatmen, und er lief Stunde um Stunde weiter, was er schon ewig nicht mehr getan hatte. Endlich bekam er auch Hunger und erreichte einen Gasthof, aus dem schon appetitanregende Düfte kamen.

      Ein wenig verwundert wurde der frühe Gast schon betrachtet, aber er bekam ein deftiges Frühstück serviert, das ihm erst recht Appetit machte. Er wurde sich dabei bewußt, daß er Mary Ann nicht herbeizaubern konnte. Er mußte sich gedulden bis zu ihrer Rückkehr. Hätte er aber auch nur die geringste Ahnung gehabt, was ihm noch bevorstehen sollte, hätte er den nächsten Flug nach Atlanta gebucht, um bei ihr zu sein. Aber er hatte eben keine Ahnung und Mary Ann an diesem Tag auch noch nicht.

      Sie hatte das erste Gespräch mit drei Herren, die Joshua Wilkens’ Nachlaß ordneten und sich dabei gegenseitig belauerten. Von diesen drei war nur Stanley Bratt Mary Ann halbwegs sympathisch, wenn man das auch nicht direkt als Sympathie bezeichnen konnte. Aber er hatte zumindest eine verbindliche Art und eine angenehme Sprache, während die beiden anderen sich in Spitzen und Anzüglichkeiten überboten.

      Beeindrucken konnten sie Mary Ann damit nicht. Sie hatte sich vorgenommen, alles als eine geschäftliche Angelegenheit zu betrachten und sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Sie war es ja gewöhnt, auch mit sehr schwierigen Kunden umzugehen. Das kam ihr jedoch zugute. Man merkte, daß sie nicht zu verblüffen war und scharf kontern konnte. So pendelte sich das Gespräch bald auf sehr sachliche Basis ein.

      Daß ihr Vater ein Geizkragen gewesen war, hatte Mary Ann schon früher von den verschiedensten Leuten gehört, aber was sie jetzt hörte, ließ sie ihn mit Dagobert Duck vergleichen, der ihr als Inbegriff von Raffgier und Tücke in Erinnerung war.

      Sie enthielt sich einer Bemerkung, aber Stanley Bratt bemerkte doch, daß Joshua anscheinend gar nicht gewußt hatte, was er alles angehäuft hatte.

      »Er war so besessen, ständig etwas Neues zu erfinden, daß er den Sinn für ein zufriedenes Leben völlig verloren hatte«,

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