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ist eine Patientin von uns. Sie liegt auf der gleichen Station wie du.«

      »Schwanger ist sie aber nicht«, stellte Yasmin ungerührt fest.

      »Sie war es. Aber leider hat sie das Kind verloren.«

      »Sie kann ja wieder eines bekommen.«

      »Nein, Yasmin, das kann sie nicht. Marlene Gordon hat schon einige Fehlgeburten hinter sich und ist bereits über vierzig. Ich glaube nicht, daß sie noch einmal bereit ist, so ein Risiko zu tragen«, erklärte Renate ernst.

      »Und warum adoptiert sie keines?«

      »Das ist sehr kompliziert und mit vielen Vorschriften verbunden. Um einen Säugling zu adoptieren, darf man unter anderem ein bestimmtes Alter nicht überschritten haben. Also scheidet diese Möglichkeit auch aus.«

      »Das tut mir leid. Sie ist eine nette Frau.«

      »Du hast mit ihr gesprochen?« wunderte sich Schwester Renate.

      »Ich bin mit ihr zusammengestoßen. Sie war sehr freundlich, aber irgendwie auch traurig. Jetzt weiß ich natürlich warum.«

      Die beiden waren inzwischen weitergegangen, und die Schwester hielt der jungen Frau die Tür auf, die zum Garten führte. Yasmin trat hinaus und blickte nachdenklich in den grauen Himmel.

      »Die Welt ist manchmal sehr ungerecht«, stellte sie schließlich fest. »Frauen wünschen sich Kinder und bekommen keine. Andere wollen keine und bekommen trotzdem welche...«

      Sie errötete, als hätte sie ein Geheimnis preisgegeben, doch Renate lächelte.

      »Du bist ein sehr kluges Mädchen, Yasmin, und diese Erkenntnis wird der erste Schritt auf dem Weg zu deinem Kind sein.«

      »Ich bin mir da nicht so sicher«, sagte diese zweifelnd, doch Renate drückte ihr aufmunternd die Hand.

      »Mit der nötigen Unterstützung wirst du es schon schaffen. Leider muß ich jetzt zurück auf meine Station. Meine Pause ist vorbei. Bleib ruhig noch eine Weile hier und denke über unser Gespräch nach. Und wenn du Hilfe brauchst, weißt du ja, wo du mich finden kannst.«

      Verwirrt und von vielfältigen Gefühlen bewegt, blieb Yasmin allein zurück. Sie begann, durch den schönen, sommerlichen Garten zu wandern, in dem zahlreiche Blumen blühten. Sie mußte fortwährend an Marlene Gordon denken. Warum nur beschäftigte sie diese freundliche Frau und deren Schicksal so sehr?

      Und während sie darüber nachdachte, stieg ein Bild vor ihrem geistigen Auge auf, das eine lachende Frau mit langen blonden Haaren zeigte, die fröhlich ein kleines Kind durch die Luft schwenkte. Dieses Kind war Yasmin selbst gewesen und die lachende Frau ihre Mutter, die kurz darauf zu einer Schiffsreise mit ihrem Vater aufgebrochen war, von der sie nie wieder zurückgekehrt war. Einzig diese Erinnerung war Yasmin geblieben, die damals erst knapp drei Jahre alt gewesen war.

      Plötzlich wußte sie es: Marlene ähnelte ihrer Mutter, so wie sie sie in Erinnerung hatte. Die gleichen langen blonden Haare, die vollen Lippen, die sicherlich genauso fröhlich lachen konnten, wenn sie nicht, wie vorhin, schmerzlich zusammengekniffen waren. Und die blauen Augen! Besonders die Augen hatten Yasmin berührt, der besorgte Blick, mit dem sie sie gemustert hatte.

      Auf einmal erfüllte eine nie gekannte Sehnsucht nach einer Mutter das junge Mädchen. Sie meinte, den Schmerz nicht ertragen zu können. Tränenblind suchte sie einen stillen Winkel, um ihrem Kummer ungestört freien Lauf lassen zu können.

      *

      Auch Marlene war seltsam berührt von der merkwürdigen Begegnung mit dem schwangeren Mädchen.

      Sie besaß eine gute Menschenkenntnis, doch selbst ohne diese Gabe hatte man leicht erkennen können, daß die junge Frau zutiefst verzweifelt war. Marlene konnte auch nicht sagen, was sie bewogen hatte, Yasmin ihre Zimmernummer zu sagen, aber sie spürte instinktiv, daß sie die Probleme des Mädchens von ihrem eigenen Kummer ablenken würden. Doch würde dieses den Mut haben, das Angebot von ihr, einer wildfremden Frau, anzunehmen? Schließlich war sie, Marlene, mindestens fünfundzwanzig Jahre älter als das Mädchen.

      Sie könnte meine Tochter sein, kam es ihr in den Sinn. Dieser Gedanke beschäftigte sie so sehr, daß sie noch lange Zeit später, als die Schwester Kaffee und Kuchen brachte, mit der Zeitung in der Hand auf dem Bett saß und in den Garten starrte.

      *

      Elisabeth Weinzierl trommelte mit den Fingern nervös auf Herrn Dr. Leitners Schreibtisch. Dieses Gespräch verlief ganz anders, als sie es sich gedacht und erhofft hatte.

      »Sie wollen also sagen, daß Yasmin Angst davor hat, ins Heim zurückzukommen?« fragte sie noch einmal schneidend.

      »Zumindest ist das mein Eindruck, den auch Frau Dr. Norden bestätigt hat.«

      »Wer ist das?«

      »Die Frau, die Yasmin gestern abend im Gebüsch gefunden hat...«

      »Und in eine Privatklinik einliefern ließ«, beendete Frau Weinzierl den Satz.

      »Der Mann von Frau Dr. Norden und ich sind Kollegen und seit vielen Jahren befreundet. Da lag es nahe, daß sie sich in so einem schwierigen Fall an mich wendet, finden Sie nicht?« fragte Schorsch scharf.

      Betreten blickte Elisabeth zu Boden. Fanny, der das Verhalten ihrer Chefin sehr unangenehm war, versuchte, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken.

      »Wie geht es Yasi denn jetzt?« erkundigte sie sich besorgt.

      »Wir sind uns immer noch nicht sicher, was den Bluthochdruck ausgelöst hat. Eine Blutuntersuchung konnte darüber keinen Aufschluß geben. Ich halte es für möglich, daß Fräulein Pecher unter einem hohen seelischen Druck steht, der ihre Beschwerden verursacht hat. Verlief die Schwangerschaft bisher problemlos? Wir haben nämlich keinen Mutterpaß bei ihr gefunden.«

      »Yasmin selbst spricht nicht darüber. Aber wir stehen in Kontakt mit dem behandelnden Arzt, der uns immer wieder versichert hat, daß alles normal verläuft«, erklärte Elisabeth Weinzierl.

      »Wie ist es überhaupt zu der Schwangerschaft gekommen?« fragte Schorsch weiter und wandte sich dabei an Fanny.

      »Auch darüber hat Yasi nie mit mir gesprochen. Aber ich habe eine Vermutung...«

      »Papperlapapp«, fiel ihr Frau Weinzierl ins Wort. »Ich kann mir genau vorstellen, was passiert ist. Die Kinder in unserem Heim besuchen öffentliche Schulen. Vor einigen Monaten, es paßt zeitlich genau, wurde Yasmin von einem Klassenkameraden auf eine Party eingeladen, an der sie ohne unsere Erlaubnis teilgenommen hat. Ein Mädchen aus dem Heim hat sie verraten, und Yasmin erhielt Hausarrest. Kurz darauf hatte sie Beschwerden, und unser Arzt stellte eine Schwangerschaft fest. Ich brauche wohl nichts weiter dazu zu sagen.«

      »Wurde ihr die Möglichkeit geboten, die Schwangerschaft abzubrechen?« erkundigte sich Schorsch ernst. »Immerhin ist Yasmin noch sehr jung, erst fünfzehn Jahre alt.«

      »Ich habe das Thema einmal angeschnitten, aber sie hat sich nicht dazu geäußert. Wie gesagt, sie spricht weder über die Schwangerschaft noch über das Kind«, sagte Fanny leise.

      »Das ist kein gutes Zeichen.«

      »Das finden wir auch. Offenbar halten Sie uns für Unmenschen, aber wir sind genauso in Sorge wie Sie«, sagte Elisabeth.

      »Dann frage ich mich, warum Sie nichts unternommen haben, um Yasmin zu helfen«, konterte Schorsch.

      »Wir arbeiten eng mit einer Therapeutin zusammen, aber selbst ein Gespräch mit dieser Dame hat Yasmin verweigert. Wir hatten keinen Zugang zu ihr.«

      »Was wird denn jetzt mit ihr geschehen?« fragte Fanny leise.

      »Es ist wirklich das Beste für sie, wenn sie bis zur Entbindung hierbleibt.«

      »In einer Privatklinik?« Elisabeth starrte den Arzt ziemlich entgeistert an. »Und wer soll das bezahlen?«

      »Die Differenz wird die gesetzliche Krankenkasse übernehmen, über

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