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zu erzählen, da er fürchtete, Fee könne sich darüber zu sehr aufregen. Das hätte ihr auf keinen Fall gutgetan. »Sie hatte immer noch Probleme mit dem Blutdruck, der sehr schwankend war. Deshalb wollte Schorsch auf Nummer Sicher gehen«, wich er geschickt aus.

      »Dann ist es ja gut. Ich hatte schon Angst, daß ihr wieder etwas zugestoßen ist«, gab Fee zurück.

      »Wie kommst du darauf?« erkundigte sich Daniel überrascht. Hatte Fee von anderer Seite doch etwas erfahren?

      »Ich hatte so einen merkwürdigen Traum«, erinnerte sie sich sinnend.

      »Aber Träume werden ja zum Glück nicht immer Wirklichkeit.«

      »Ja, ja, das wäre wirklich schlimm«, bestätigte Daniel zerstreut.

      Die hellseherischen Fähigkeiten seiner Frau beunruhigten ihn manchmal. Doch Fee selbst lenkte jetzt von dem Thema ab. Ihr war ein Gedanke gekommen.

      »Könntest du bitte so lieb sein und eine Kleinigkeit für Yasmins Baby besorgen?« bat sie Daniel. »Ich würde sie ja gern selbst besuchen, aber bis ich die Klinik verlassen kann, vergeht noch ein Weilchen. Dann wird sie bereits zurück im Heim sein.«

      »Das hatte ich ganz vergessen zu erwähnen. Yasmin muß nicht mehr ins Heim. Es hat sich ein Ehepaar gefunden, das sie adoptieren will.«

      »So plötzlich?« staunte Fee.

      »Es ging schon recht schnell«, bestätigte Daniel. »Aber trotzdem ist es eine lange Geschichte. Ich fürchte, dafür bleibt heute keine Zeit mehr.« Mit einem Blick auf die Uhr mahnte er zum Aufbruch. »Zeit, nach Hause zu gehen. Mami braucht Ruhe«, erklärte er resolut.

      »Ooch, nur noch ein bißchen«, bettelte Dési. »Ich hab so lange nicht mehr mit Mami gekuschelt.«

      »Wir kommen bald wieder. Beim ersten Mal wollen wir es nicht übertreiben.« Daniel jedoch blieb fest.

      Liebevoll verabschiedeten sich die Kinder von ihrer Mami, die doch merkte, daß sie der Besuch mehr angestrengt hatte, als sie gedacht hatte. »Kommt bald wieder«, bat sie trotzdem.

      »Das tun wir«, beruhigte Daniel sie liebevoll. »Aber für heute reicht es. Du siehst sehr müde aus. Schlaf gut und träum was Schönes«, fügte er noch vielsagend hinzu, ehe er seinen Kindern folgte, die das Zimmer bereits verlassen hatten.

      *

      Erschrocken sah Elisabeth Weinzierl von ihrem Schreibtisch auf, als ihre Sekretärin ihr den Besuch von Dr. Leitner ankündigte.

      »Wann kommt er?« fragte sie panisch, doch es war zu spät. Schorsch stand bereits in der Tür.

      »Komme ich ungelegen?« fragte er scheinheilig, und Frau Weinzierl blieb nichts anderes übrig, als ihn hereinzubitten.

      »Viel Zeit habe ich nicht, aber da Sie schon den weiten Weg auf sich genommen haben, werde ich Sie doch nicht wieder fortschicken«, erklärte sie, um Fassung ringend. »Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, was Sie zu mir führt.«

      Schorsch hatte soviel Anstand zu warten, bis die Sekretärin die Tür hinter sich geschlossen hatte, doch dann kam er ohne Umschweife zum Thema. »Yasmin Pecher hat von Ihrem Besuch bei ihr erzählt«, erklärte er und ließ sie nicht aus den Augen.

      »Sie haben sie gefunden?« fragte Elisabeth mit schriller Stimme und war kurz davor, die Fassung zu verlieren. »Warum habe ich das nicht erfahren?«

      »Jetzt wissen Sie es doch«, gab Hans-Georg Leitner ungnädig zurück. Ihre erneut heftige Reaktion war Beweis genug, daß sie tatsächlich etwas mit Yasmins Verschwinden zu tun hatte. »Sie leugnen also nicht, gegen meine Anweisungen gehandelt und Yasmin besucht zu haben?« fragte er.

      »Wie sprechen Sie denn mit mir?« versuchte sie noch, ihn abzulenken, doch Dr. Leitner ließ sich nicht beirren.

      »Ich hoffe, es ist Ihnen bewußt, daß ich die Möglichkeit habe, Sie wegen Hausfriedensbruch anzuzeigen.«

      Diese Neuigkeit war zuviel für die Heimleiterin. »Sie haben keine Beweise«, empörte sie sich und sprang auf. »Und jetzt hinaus mit Ihnen. So einen Unsinn höre ich mir nicht länger an.« Sie war völlig außer sich, und Schorsch befürchtete einen Moment, sie könnte kollabieren. Doch es geschah nicht, und so erhob er sich schließlich. »Schade, daß Sie nicht einsichtig sind. Sie werden von der Polizei hören«, sagte er und war im Begriff, hinauszugehen.

      Als sie sah, daß er es ernst meinte, wurde sie mit einem Schlag vernünftig. »Also gut«, erklärte sie heiser. »Was wollen Sie von mir?«

      Überrascht hielt Schorsch inne und drehte sich um. »Ich möchte mit Ihnen über Ihren Führungsstil sprechen. Als Klinik-Chef habe ich ebenfalls eine Führungsposition inne und kann Ihnen vielleicht einige wertvolle Tips geben, auch was den Umgang mit den Kindern angeht. Wenn Sie bereit sind, meine Vorschläge anzunehmen, werde ich von einer Anzeige absehen.«

      Betreten senkte Elisabeth den Kopf. Sie war kein schlechter Mensch und sah ein, daß sie manches Mal über ihr Ziel hinausschoß.

      »Also gut. Sagen Sie mir, was Sie zu sagen haben. Wenn die Kinder davon profitieren, habe ich nichts dagegen. Ich weiß, daß ich manchmal ein bißchen hart bin, dabei will ich doch nur ihr Bestes. Bei Yasmin scheint das gründlich daneben gegangen zu sein«, gestand sie leise.

      Was zwischen Hans-Georg Leitner und Elisabeth Weinzierl besprochen wurde, erfuhr niemand. Als Schorsch eine Stunde später das Büro verließ, war er bester Laune und hatte das gute Gefühl, etwas erreicht zu haben. Tatsächlich besserte sich die Stimmung in dem Kinderheim von diesem denkwürdigen Tag an merklich, und der neue Stil von Elisabeth Weinzierl, die wirklich hart an sich arbeitete, war zwar immer noch konsequent, aber viel mehr geprägt von Herzenswärme und Verständnis als früher.

      *

      Die Zeit verging wie im Flug, und Yasmin hatte mit jedem Tag, den sie sich besser bewegen konnte, mehr Freude an ihrem kleinen Benjamin.

      Marlene verbrachte viel Zeit mit den beiden, und in vielen Gesprächen kamen sich Adoptivmutter und Tochter immer näher. Sie fanden viele gemeinsame Interessen, und Sascha, der wieder ganztags arbeiten mußte, hielt sich diskret im Hintergrund. Er ahnte, wie wichtig diese erste Zeit für die beiden war und beobachtete erstaunt die Veränderung, die mit seiner Frau vor sich ging, seit sich ihr Wunsch nach einem Kind, auch wenn es nun eine erwachsene Tochter war, positiv veränderte. Mit jedem Tag kam sie gelöster aus der Klinik und berichtete über die langen Gespräche, die sie mit Yasi führte.

      Auch wunderte er sich über die Ähnlichkeit zwischen den beiden, wenn er am Abend manches Mal noch auf einen Sprung mit in die Klinik kam.

      Hin und wieder fühlte er sich ein bißchen als Außenseiter bei den beiden Frauen, doch dann nahm er den kleinen Benjamin auf den Arm und sprach mit ihm über die Rätsel, die die Frauen den Männern mitunter aufgaben. Marlene und Yasi lauschten dabei amüsiert, und zu Hause bekam er als Ausgleich von seiner Frau besonders viel Aufmerksamkeit.

      *

      »Schau mal, Leni, was ich heute alles bekommen habe!« rief Yasmin eines Tages glücklich, als Marlene ihren Besuch abstattete.

      »Das sind ja eine Menge Päckchen«, staunte auch sie. Tatsächlich lagen auf dem Bett verstreut vier Geschenke, die für den kleinen Benjamin abgegeben worden waren. »Von wem sind die denn alle?«

      »Also, hier ist ein Päckchen von Frau und Herrn Dr. Norden. Das ist die Frau, die mich damals gefunden und dafür gesorgt hat, daß ich in diese Klinik gekommen bin«, erklärte Yasmin. »Ich habe mich noch gar nicht bei ihr bedankt«, gestand sie dann betreten.

      »Das macht sicher nichts. Was schreibt sie denn?«

      »Ihr Mann hat die Karte geschrieben. Frau Norden ist im Krankenhaus. Sie hatte eine schwere Lungenentzündung. Und das alles ist meine Schuld.« Yasmin sah so traurig aus, daß es Marlene ganz weh ums Herz wurde.

      »Wahrscheinlich war sie vorher schon ein wenig angeschlagen«, versuchte sie das Mädchen zu beruhigen und versprach Yasmin, sich etwas einfallen zu

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