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Sie unbesorgt, der Kaiserschnitt ist optimal verlaufen, und ihr Blutdruck hat sich stabilisiert. Ich vermute, daß die extremen Schwankungen durch ihre seelische Anspannung entstanden sind. Yasmin stand unter einem enormen Druck, und ich habe einen Verdacht, wer daran nicht ganz unbeteiligt ist. Aber diese Angelegenheit möchte ich selbst regeln. Wichtig ist, daß Yasmin in Ruhe gesund werden und sich darüber freuen kann, doch noch eine Familie gefunden zu haben. Das wird sie sehr glücklich machen.«

      »Nicht nur Yasmin, sondern auch uns. Wenn ich daran denke, wie verrannt wir beide in den Gedanken waren, ein Baby haben zu müssen, werde ich ganz unruhig«, gestand Sascha. »Um ein Haar hätten wir diese Chance, doch noch Eltern zu werden, fast verpaßt. Gott sei Dank hat Marlene mir noch rechtzeitig die Augen geöffnet«, fuhr er mit einem liebevollen Blick auf seine geliebte Frau fort.

      »Es gibt meistens eine zweite Chance. Man muß sie nur erkennen und zu nutzen wissen«, erklärte Schorsch überzeugt.

      »Eigentlich haben wir das alles nur Yasmins Vertrauen zu mir zu verdanken«, sagte Marlene nachdenklich. »Wenn Sie sich mir nicht geöffnet hätte, wäre alles anders gekommen. Wie hoffnungslos wäre unser weiteres Leben dann verlaufen.«

      »Ist es nicht eine gute Basis für ein erfolgreiches Zusammenleben, daß Yasmin nicht das Gefühl haben muß, nur aus Mitleid aufgenommen worden zu sein?«

      »Sie haben recht, Herr Dr. Leitner. Wir werden alles tun, um ihr zu beweisen, daß auch sie uns eine große Freude bereitet, wenn sie mit uns zusammenleben will.«

      »Das ist ein guter Vorsatz, denn auch in ihrer neuen Familie wird es Probleme geben. Vielleicht mehr als in konventionellen Familien, denn immerhin hat Yasmin ein Baby, das sie womöglich eifersüchtig bewachen und sich jede Einmischung bei der Erziehung verbitten wird«, gab Schorsch zu bedenken.

      Doch an Probleme wollten weder Sascha noch Marlene zu diesem Zeitpunkt denken. Das Wichtigste war jetzt, daß Yasmin an Körper und Seele gesund wurde. Alles andere würde sich finden.

      Da auf Schorsch noch weitere Aufgaben warteten, verabschiedete er sich schließlich von dem Ehepaar Gordon und verließ zufrieden das Zimmer. Kurz darauf wurde Yasmin erneut unruhig und öffnete die Augen. Inzwischen ließ die Wirkung der Narkose merklich nach, denn ihr Verstand war jetzt viel klarer. Sogar Marlene erkannte sie jetzt.

      »Frau Gordon, Sie sind hier? Was ist geschehen? Wo ist der Mann?« fragte sie und blickte sich ängstlich um.

      »Ganz ruhig, meine Kleine. Du bist in Sicherheit. Von welchem Mann sprichst du?«

      »Da war ein widerlicher Typ, der mich in der Nacht verfolgt hat. Ich bin davongelaufen, und als ich gestürzt bin, hat er mich eingeholt und sich über mich gebeugt. Mehr weiß ich nicht.«

      Marlene sah Sascha fragend an, der ratlos mit den Schultern zuckte.

      »Wir wissen nichts von einem Mann. Offenbar hat er dir nichts angetan. Eine alte Dame hat dich auf einem Rasen in einer Siedlung gefunden«, erklärte Marlene behutsam. Als Yasmin darauf nicht antwortete, fuhr sie fort: »Warum bist du denn davongelaufen?«

      »Frau Weinzierl war hier. Sie hat mich gezwungen, ins Heim zurückzugehen. Jetzt wird sie mich bestimmt bald holen«, erklärte Yasmin mit tränenerstickter Stimme.

      »Deine Heimleiterin, nicht wahr?« Marlene erinnerte sich daran, daß Yasmin ihr gegenüber diesen Namen erwähnt hatte.

      »Das wissen Sie noch?« staunte diese.

      »Natürlich, ich habe ein gutes Gedächtnis.«

      »Ich will nicht zurück!« schluchzte Yasmin da auf. Jetzt konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihr ganzes Leid brach auf einmal aus ihr heraus.

      »Bitte reg dich nicht auf. Wir werden nicht zulassen, daß dich jemand ins Heim zurückschickt, das verspreche ich dir.«

      Yasmin schaute überrascht auf. »Ist das Ihr Ernst?«

      »Habe ich es dir nicht versprochen?« Liebevoll strich Marlene über das blonde Haar des Mädchens, das keine Worte mehr fand.

      »Wir haben uns immer eine Tochter gewünscht und sind zu dem Entschluß gekommen, daß wir für ein Baby eigentlich schon zu alt sind«, mischte sich nun Sascha in das Gespräch ein. Erstaunt wandte Yasmin ihm ihr verweintes Gesicht zu.

      »Sind Sie der Mann von Frau Gordon?« fragte sie ängstlich.

      Mit dieser naiven Frage schmolz noch der letzte Rest an Zweifel dahin, den er insgeheim doch noch gehegt hatte. »Ja, der bin ich. Und ich möchte gern dein Vater werden. Natürlich nur, wenn du willst.«

      Ein ungläubiges Staunen breitete sich auf Yasis schmalem Gesicht aus. »Warum wollen Sie das?«

      »Weil ich finde, daß du ein tapferes und mutiges Mädchen bist und die beste Tochter, die sich ein Vater nur wünschen kann«, antwortete Sascha mit belegter Stimme. Nicht nur Marlene, auch Yasmin merkte, daß ihm diese Antwort aus tiefster Seele kam. Wie auf ein Kommando begannen die beiden Frauen zu weinen, und Sascha schaute hilflos auf sie herab.

      »Ich dachte, ihr freut euch!« rief er mit komischer Verzweiflung aus.

      »Aber das tun wir doch«, beteuerte Marlene und stand auf, um ihn fest in die Arme zu nehmen. Sie sah ihm tief in die Augen, und Dankbarkeit sprach aus ihrem Blick, bevor sie ihn leidenschaftlich küßte.

      Yasmin war stumme Zeugin dieses Ausdrucks inniger Liebe, doch es war ihr nicht unangenehm. Was konnte sie sich Schöneres wünschen als Mutter und Vater, die sich innig liebten?

      Schließlich lösten sich die beiden voneinander, und Marlene trat an Yasmins Bett zurück. »Willst du denn nicht wenigstens wissen, wie es deinem Baby geht?«

      »Meinem Baby?« fragte Yasi zurück und warf einen verwirrten Blick auf ihren flachen Bauch. »Ach, jetzt erinnere ich mich. Dr. Leitner sagte noch zu mir, daß ein Kaiserschnitt gemacht wird. Das hatte ich ganz vergessen. Es ist alles so aufregend«, entschuldigte sie sich schuldbewußt. »Es ist tot, nicht wahr?« fragte sie dann leise.

      »Wie kommst du denn auf diese Idee?« Jetzt war die Verwirrung auf Marlenes Seite.

      »Wenn es leben würde, wären Sie doch sicher bei dem Baby und nicht bei mir«, antwortete Yasmin unsicher.

      »Natürlich lebt es, du Dummerchen! Ich habe es noch nicht gesehen, aber Dr. Leitner sagte, es ist ein gesunder, süßer Bub. Soll die Schwester ihn bringen?«

      »Ich weiß nicht so recht«, zweifelte Yasi, doch Sascha hatte die Klingel schon gedrückt. Er redete kurz leise mit der Schwester, die verständnisvoll nickte und verschwand. Es dauerte nicht lange, als sich die Tür erneut öffnete und sie einen kleinen Wagen hereinschob.

      »Das ist ein Wärmebettchen, damit der Kleine nicht auskühlt. Er sollte noch ein paar Tage im Brutkasten bleiben, aber wenn du ihn gleich neben dich ins Bett legst, bleibt er auch schön warm«, erklärte Schwester Hilde und nahm das schlafende Baby heraus. Bevor Yasmin protestieren konnte, schob Hilde es neben sie unter die Bettdecke, wo der Kleine sogleich erwachte und instinktiv mit seinem Mündchen zu suchen begann.

      »Was will er denn?« fragte Yasmin hilflos und überwältigt zugleich bei dem Anblick des winzigen Geschöpfs, das ihrem Leben eine solch ungeahnte Wendung gegeben hatte.

      »Er hat Hunger«, lachte Schwester Hilde daraufhin und zeigte Yasmin, wie sie ihn an die Brust legen sollte. Sofort begann er eifrig zu saugen, und ihre Augen füllten sich vor Rührung mit Tränen. »Wie konnte ich nur so böse auf dich sein«, flüsterte sie dem Buben zu und streichelte vorsichtig sein Köpfchen. Das Eis zwischen Mutter und Kind war gebrochen. Nur einmal durchzuckte Marlene kurz ein stechender Schmerz, als sie die beiden beobachtete. Aber es war gleich vorbei und dann war nichts anderes da als überschwengliche Freude.

      »Wie soll er denn heißen?« erkundigte sich Sascha, als der Kleine satt war und selig an Yasmins Brust schlummerte. Ratlos sah sie ihn an.

      »Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.«

      Marlene

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