Скачать книгу

»Aber es ist trotzdem eine gute Idee, Anna. Es wäre bestimmt schön für Lara, ihre Freundin bei sich zu haben, also ruf sie an und lade sie ein.«

      Anna ließ sich das nicht zwei Mal sagen. Sie verschwand und kehrte wenig später mit strahlendem Gesicht zurück. »Lucie kommt mit«, verkündete sie. »Ich glaube, Lara war richtig froh über unsere Einladung.«

      »Fein«, freute sich die Baronin, »dann haben wir also drei Gäste. Darüber wird sich auch Frau Falk-ner freuen, schätze ich.« Sie rief nach Eberhard Hagedorn und bat ihn, in der Küche Bescheid zu sagen, dass auf Sternberg Gäste erwartet wurden.

      »Was können wir tun, um Lara ein bisschen abzulenken von ihrem Kummer?«, fragte der kleine Fürst.

      »Ich denke, Chris«, erwiderte der Baron, »das beste wird sein, sie selbst zu fragen. Sie wird uns sicherlich eine offene Antwort geben.«

      »Und fangt bloß nicht wieder an, Detektiv zu spielen«, sagte der bis dahin schweigsame Konrad spitz.

      »Das tun wir nie«, entgegnete Anna gekränkt. »Wir spielen nicht – wir decken nur manchmal Geheimnisse auf.«

      »Das meine ich ja! Lara hat bestimmt die Nase voll von Leuten, die sie fragen, ob sie sich erklären kann, warum Lorenz am Altar nicht ›ja‹ gesagt hat.«

      »Konny!«, mahnte die Baronin, die einen Streit heraufziehen sah, den sie jedoch unbedingt verhindern wollte.

      »Ist doch wahr, Mama!«

      »Wie kommst du denn auf die Idee, dass wir Lara so eine dumme Frage stellen wollten?«, erkundigte sich Christian ganz ruhig.

      »Na, Geheimnisse lassen euch doch keine Ruhe«, spottete Konrad, die Blicke seiner Mutter ignorierend. »Und das ist ja wohl eins, oder?«

      »Ja, das ist eins, aber um es aufzudecken, würden wir Lara bestimmt nicht durch eine solche Frage verletzen, das solltest du eigentlich wissen.«

      Konrad warf seinem Cousin, der sich wieder einmal, wie so oft, schützend vor Anna gestellt hatte, einen wütenden Blick zu, sagte aber nichts mehr.

      Sofia atmete auf, ein Geschwis-terstreit war damit abgewendet. Sie sorgte behutsam für einen Themenwechsel, und so konnte das Abendessen friedlich beendet werden.

      *

      »Ich war bei Lorenz’ Eltern«, gestand Bettina von Kessel ihrem Mann. Sie sah müde und nachdenklich aus.

      Otto von Kessel sah seine Frau erstaunt an. »Warum?«, fragte er.

      »Weil ich mit ihnen reden wollte, Otto – es herrscht ja seit dem verhängnisvollen Samstag eine merkwürdige Funkstille zwischen uns, und ich bin der Ansicht, dass wir Lorenz’ Eltern nicht für das Verhalten ihres Sohnes verantwortlich machen können.«

      »Das ist wohl richtig«, gab er zögernd zu. »Und? Was haben sie gesagt?«

      »Ja, was haben sie gesagt?«, wiederholte sie. »Es war ein ausgesprochen seltsames Treffen, musst du wissen.«

      »Inwiefern seltsam?«

      »Weil es reiner Zufall war, dass ich sie noch angetroffen habe – sie waren dabei, wegzufahren.«

      »Wegzufahren? Jetzt – in dieser Situation?«, rief Otto verwundert.

      »Ja«, bestätigte Bettina. »Übrigens habe ich nur mit Maria gesprochen, Moritz ließ sich nicht blicken, und sie hat dazu auch nichts weiter gesagt – mir nur klar gemacht, dass sie in Eile war und ich sie möglichst nicht lange aufhalten sollte.«

      Otto schüttelte den Kopf. »Das klingt in der Tat seltsam. Und wohin fahren sie?«

      »Ich wollte nicht direkt danach fragen, und sie wollte es mir offenbar nicht sagen, Otto.«

      Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe das nicht. Sie hatten doch keine Reise geplant, oder?«

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Ausgerechnet jetzt, wo ihr Sohn verschwunden ist und sich alle fragen, was da am Samstag eigentlich passiert ist, fahren sie weg?«

      »Ja, das tun sie.«

      Sie sahen einander an, ratlos. Nach einer Weile begann Bettina: »Ich frage mich …«, aber sie brach mitten im Satz ab, ihr Blick irrte zum Fenster.

      »Ja?«

      »Ich frage mich, Otto, ob sie uns neulich die Wahrheit gesagt haben. Vielleicht wissen sie doch, wo Lorenz sich aufhält und fahren jetzt zu ihm.«

      Otto ließ sich das durch den Kopf gehen. »Aber warum, Tina? Das ergibt keinen Sinn – jedenfalls erkenne ich ihn nicht. Das hieße ja, dass sie von Lorenz’ Absicht gewusst haben.«

      »Er kann sich ihnen auch erst nach dem Samstag anvertraut haben.«

      »Und warum sollten sie dann jetzt zu ihm fahren?«

      »Um ihm zu helfen? Er kann sich ja erst einmal nicht mehr hier blicken lassen. Aber du hast Recht: Die ganze Geschichte ergibt bisher keinen Sinn. Wenn es jemals ein glückliches Liebespaar gegeben hat, dann waren es unsere Kinder.«

      »Vielleicht haben wir uns ja auch täuschen lassen, und sie waren nicht so glücklich, wie wir dachten. Übrigens hat Lara angerufen, sie verreist auch.«

      »Was sagst du da?«

      »Ja, aber sie hat einen durchaus nachvollziehbaren Grund genannt: Sie will ihre Ruhe haben und nicht ständig Erklärungen abgeben müssen. Sie bat um Verständnis dafür, dass sie ihr Reiseziel nicht verrät. Ich weiß nur, dass Lucie sie begleitet.«

      Bettina atmete auf. »Das ist eine gute Nachricht«, sagte sie erleichtert. »Zu wissen, dass Lara eine Freundin an ihrer Seite hat, beruhigt mich wirklich sehr. Glaubst du, sie kommt über diese Enttäuschung jemals hinweg?«

      »Sie ist nicht enttäuscht, Tina«, erwiderte ihr Mann. »Sie versteht nicht, was passiert ist, aber sie zweifelt nach wie vor nicht an Lorenz.«

      Ihre Blicke begegneten sich, Bettina ging zu ihrem Mann und schmiegte sich in seine Arme. »Ich möchte nur, dass sie glücklich wird«, sagte sie leise.

      »Das möchte ich auch – und ich glaube, sie wird es schaffen.«

      Bettina schloss die Augen und ließ diese Worte auf sich wirken. Nur zu gern hätte sie ihrem Mann geglaubt, aber ihre Zweifel waren größer.

      Es gab einfach zu viele unbeantwortete Fragen.

      *

      »Damit es Sie nicht unvorbereitet trifft, wenn Sie unterwegs sind«, sagte Friedhelm Karl und reichte Lorenz eine Zeitung. »Tut mir leid, ich schätze, das sind keine guten Nachrichten für Sie. Falls Sie heute Abend wieder ein Bier mit mir trinken möchten: Sie sind mir jederzeit herzlich willkommen.« Mit diesen Worten wandte er sich ab, um zu gehen, hielt aber noch einmal inne und zog einen Umschlag aus der Hemdtasche. »Das hätte ich jetzt beinahe vergessen. Sie können es sich ja einmal ansehen.« Er nickte Lorenz freundlich zu und ging.

      Lorenz schloss die Tür seiner kleinen Ferienwohnung und schlug hastig die Zeitung auf. Er fand ziemlich schnell, was er suchte: Es war ein Bild von Lara und Michael von Angern. Letzterer küsste Lara gerade auf eine Art und Weise die Hand, die auf ein ziemlich vertrautes Verhältnis zwischen ihnen schließen ließ. Der Blick des Mannes verstärkte diesen Eindruck noch, während Lara eher überrascht wirkte. Aber das sah man vielleicht nur, wenn man sie wirklich gut kannte.

      Angewidert schleuderte er die Zeitung von sich. Sein Herz schlug wie rasend, er spürte, wie es in seinem Kopf anfing zu pochen. »Ich halte das nicht aus«, murmelte er. »Ich halte es einfach nicht aus!«

      Er griff nach seinem Handy, legte es jedoch gleich wieder hin. Nach einer Minute griff er erneut danach. Wenn er jetzt nicht sofort mit jemandem sprach, dem er vertraute, würde er verrückt werden. Hastig drückte er auf Alberts Nummer und wartete mit angehaltenem Atem.

      »Laar«, sagte gleich darauf die Stimme seines Freundes.

      »Ich bin’s,

Скачать книгу