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hatte Marie-Luise Falkner gern, denn sie war auf ihrem Gebiet so ehrgeizig wie er auf seinem: Sie gaben sich beide nur zufrieden, wenn alles perfekt war.

      »Nichts Besonderes«, murrte sie. »Hummercremesuppe – die habe ich schon fertig, die wird es auf jeden Fall geben. Aber als Hauptgericht sollte es Semmelknödel mit Pilzen geben, und der Herr Kriminalrat ist doch allergisch gegen Pilze.«

      Eberhard Hagedorn unterdrückte ein Schmunzeln. Es sprach für die junge Köchin, dass sie sich solche Dinge merkte. »Ich bin sicher, Ihnen wird eine andere Lösung einfallen«, erklärte er. »Vielleicht heben Sie sich die Pilze für morgen auf und bereiten heute das zu, was eigentlich morgen auf den Tisch kommen sollte?«

      Sie sah ihn nachdenklich an, er bemerkte, dass ihr Hirn bereits auf Hochtouren arbeitete. Gleich darauf breitete sich ein sonniges Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Herr Hagedorn, Sie sind ein Genie!«, verkündete sie.

      »Eher nicht«, widersprach er bescheiden. »Ich weiß nur, dass man in der Regel aus der Not eine Tugend machen kann, wenn man nicht in Panik verfällt.«

      »Raus aus meiner Küche!«, kommandierte sie. »Ich habe keine Zeit mehr zum Plaudern, ich muss mich um das Menü kümmern!«

      Er folgte ihrer Aufforderung umgehend. Mit Sicherheit, dachte er, würde Kriminalrat von Wandel an diesem Abend eine kulinarische Sternstunde erleben.

      *

      »Ach, du bist es«, sagte Lucie und öffnete die Tür von Laras Wohnung, um Albert von Laarweiler einzulassen.

      »Mit wem hattet ihr denn gerechnet?«, erkundigte er sich.

      »Mit niemandem«, erklärte sie. »Aber das Telefon haben wir ausgehängt, weil es unablässig geklingelt hat, und an der Tür waren auch schon etliche Leute, mit denen wir aber nicht reden wollten.«

      »Dann bedanke ich mich dafür, eingelassen worden zu sein«, erklärte Albert.

      »Darauf kannst du dir auch etwas einbilden.«

      Er folgte Lucie ins Wohnzimmer, wo Lara in einem Sessel saß und ihm zur Begrüßung zulächelte. Verwundert stellte er fest: »Du siehst nicht so aus wie eine am Boden zerstörte verlassene Braut, Lara.«

      »Wäre es dir lieber, wenn du mich in Tränen aufgelöst angetroffen hättest?«, erkundigte sie sich.

      »Natürlich nicht, aber …« Er zuckte mit den Schultern. »Es wäre das Normale gewesen, oder nicht?«

      »Ich bin keine verlassene Braut«, stellte sie fest. »Das sieht nur so aus. Lorenz hat sich gezwungen gefühlt, so zu handeln, aber er ist nicht weggelaufen, weil er mich nicht liebt. Das weiß ich.«

      »Was willst du damit sagen? Er hat sich gezwungen gefühlt?«, fragte Albert mit hochgezogenen Augenbrauen.

      »Die Frage kann ich dir nicht beantworten, noch nicht. Aber ich bin fest entschlossen, es herauszufinden.«

      Albert stellte in etwa die gleichen Fragen, die zuvor schon Lucie gestellt hatte, und irgendwann sagte Lara: »Lasst uns nicht mehr darüber reden. Ich arbeite ab morgen wieder, und wann immer ich Zeit habe, versuche ich, der Geschichte meiner geplatzten Hochzeit auf den Grund zu gehen. Außerdem glaube ich, dass Lorenz sich bei mir melden wird. Vielleicht nicht sofort, aber irgendwann wird er es tun.«

      Lucie und Albert wechselten einen kurzen Blick. Sie waren nicht ganz so zuversichtlich wie Lara, widersprachen ihr aber nicht. Es war auch so schon schwer genug für sie – sollte sie sich also ruhig an die Hoffnung klammern, dass sie über kurz oder lang Licht in das Dunkel dieser Angelegenheit würde bringen können.

      »Ich mache mich dann mal wieder auf den Weg, Mädels«, sagte Albert, nachdem er etwa eine Stunde geblieben war. »Nochmals danke, dass ihr mich hereingelassen habt – sollte ich etwas von Lorenz hören oder zufällig etwas Wichtiges herausfinden, werde ich mich umgehend bei euch melden.«

      Er umarmte Lara und Lucie zum Abschied und ging.

      *

      Ulrich von Wandel hatte wieder einmal Spaß an den Sternberger Teenagern. Auch Konrad beteiligte sich rege an der Unterhaltung während des Essens, was eher ungewöhnlich war, denn meistens hielt er sich zurück. Es ging um Erlebnisse in der Schule, zu strenge Eltern – und schließlich auch um die Hochzeit von Lara und Lorenz, die nicht stattgefunden hatte.

      »Davon habe ich gehört«, erklärte Ulrich. »Eine seltsame Geschichte, denn das junge Paar war doch nach übereinstimmenden Aussagen sehr verliebt ineinander. Was könnte hinter dem ›Nein‹ des Bräutigams stecken?«

      »Da fragst du uns zu viel, Uli«, seufzte die Baronin. »Aber ich kann dir sagen, dass es ein Schock für uns alle war. Ich sehe ihn noch vor dem Altar stehen, der Pfarrer hat die entscheidende Frage gestellt, alle waren auf seine Antwort. Es ist sehr still, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Und dann sagt er laut und deutlich: ›Nein‹. Wir alle haben unseren Ohren nicht getraut.«

      »Und dann hat er sich umgedreht und ist gegangen, hörte ich.«

      »Aber vorher hat er noch etwas zu Lara gesagt«, bemerkte Anna.

      »Tatsächlich?«, wunderte sich der Baron. »Also, mir ist das nicht aufgefallen.«

      »Mir auch nicht«, erklärte Sofia.

      »Es stimmt, was Anna gesagt hat«, bestätigte der kleine Fürst. »Ich habe auch gesehen, dass Lorenz noch etwas zu Lara gesagt hat.«

      Konrads Gesicht hatte sich in den letzten Minuten verdüstert. Er hatte wieder einmal etwas Interessantes verpasst, nun konnte er sich an der Unterhaltung nicht mehr beteiligen, weil er nicht dabei gewesen war. Das ärgerte ihn gewaltig. Mit seinen sechzehn Jahren war er sehr darauf bedacht, bereits zu den Erwachsenen zu zählen und sich von Anna und Christian abzuheben – was ihm in dieser Situation nicht gelingen konnte. Um dennoch nicht ganz außen vor zu bleiben, sagte er: »Wahrscheinlich hat er gesagt: ›Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders‹ – oder so ähnlich. In Filmen ist das jedenfalls immer so.«

      »Dies ist aber kein Film, Konny«, widersprach Anna. »Ich glaube, er hat etwas anderes gesagt.«

      »Und was?«, fragte er. »Kannst du neuerdings von den Lippen ablesen – und das auch noch aus der Entfernung?«

      »Nein, kann ich nicht. Ich habe nur sein Gesicht gesehen«, erklärte Anna, die offenbar, zur Erleichterung ihrer Eltern, fest entschlossen war, sich nicht auf einen Streit mit ihrem Bruder einzulassen. »Und sein Gesicht sah so aus, als hätte er ihr vielleicht gesagt, dass er sie trotz allem liebt.« Sie sah Kon-

      rads Miene und setzte, bevor er etwas Spöttisches erwidern konnte, schnell hinzu: »Das ist nur eine Vermutung, natürlich.«

      Christian kam plötzlich eine Idee, und so fragte er beiläufig: »Uli, kennst du zufällig Herrn von Angern?«

      Der Kriminalrat ließ die Gabel sinken, die er soeben zum Munde hatte führen wollen. »Meinst du Michael von Angern, Chris?«

      »Ja«, antwortete der kleine Fürst.

      »Wie kommst du denn jetzt auf den?«, wunderte sich Konrad.

      »Er war in der Kirche«, erklärte Christian. »Und das fand ich komisch. Ich glaube eigentlich nicht, dass er etwas mit Lara oder Lorenz zu tun hat.«

      »Ach«, sagte Ulrich von Wandel, »das ist allerdings interessant, Chris. Um deine Frage zu beantworten: Ich kenne ihn nicht persönlich, nein. Aber ihr werdet euch denken können, dass er uns beschäftigt. Man sagt ihm ja aller-hand nach, aber bisher konnte ihm nichts Unrechtmäßiges nachgewiesen werden.«

      Die Baronin wandte sich an ihren Neffen. »Woher kennst du den Mann denn, Chris?«, fragte sie verwundert und auch ein wenig beunruhigt.

      »Ich hatte ein Foto von ihm gesehen und habe ihn wiedererkannt, Tante Sofia. Außerdem fiel er irgendwie auf, weil er nicht zu den übrigen Gästen passte.«

      Der Kriminalrat schmunzelte. »Das kann ich mir allerdings gut vorstellen«, sagte er.

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