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Arm losmachend, »werdet Ihr nicht in der Religion Eurer Väter sterben?«

      »Ja, bei Gott, und Du?«

      »Nun, ich auch, Sire.«

      Karl stieß ein Gebrülle der Wuth aus und ergriff mit zitternder Hand seine auf einem Tische liegende Büchse. An die Wand gelehnt, den Angstschweiß auf der Stirne, aber in Folge der Selbstbeherrschung, die ihn nie verließ, scheinbar ruhig folgte Heinrich allen Bewegungen des furchtbaren Monarchen mit der gierigen Starrheit des durch die Schlange bezauberten Vogels.

      Karl spannte seine Büchse, stampfte mit blinder Wuth auf den Boden und rief, Heinrich durch das Spiegeln seiner unseligen Waffe blendend: »Willst Du die Messe?«

      Heinrich blieb stumm.

      Karl erschütterte die Gewölbe des Louvre mit dem furchtbarsten Schwur, der je über die Lippen eines Menschen gekommen ist, und wurde bleich wie eine Leiche.

      »Tod, Messe oder Bastille!« rief er, auf den König von Navarra anschlagend.

      »Oh, Sire!« rief Heinrich, »werdet Ihr mich tödten, mich, Euern Schwager?«

      Heinrich hatte mit dem unvergleichlichen Geiste, der eine der mächtigsten Fähigkeiten seiner Organisation war, die Antwort umgangen, welche Karl IX. von ihm verlangte; denn fiel diese Antwort verneinend aus, so war Heinrich ohne allen Zweifel todt.

      Wie nach den letzten Paroxismen der Wuth sich unmittelbar der Anfang der Gegenwirkung einfindet, so wiederholte Karl IX. die Frage nicht, die er an den Prinzen von Navarra gerichtet hatte, und nach einem Augenblick des Zögerns, während dessen er ein dumpfes Schnauben hören ließ, wandte er sich nach dem offenen Fenster um und legte auf einen Menschen an, der auf dem entgegengesetzten Quai lief.

      »Ich muß irgend Jemand tödten,« rief Karl IX. todtenbleich, und abdrückend schmetterte er den laufenden Menschen nieder.

      Heinrich stieß einen Seufzer aus.

      Und von einem gräßlichen Eifer belebt, lud Karl ohne Unterlaß seine Büchse, feuerte sie ab und stieß einen Freudenschrei aus, so oft der Schuß getroffen hatte.

      »Es ist um mich geschehen,« sagte der König von Navarra zu sich selbst. »Findet er Niemand mehr zu tödten, so tödtet er mich.«

      »Nun,« sprach plötzlich eine Stimme hinter dem Fürsten, »ist es geschehen?«

      Es war Catharina von Medicis, welche während des letzten Abfeuerns des Gewehres, ohne gehört zu werden, eintrat.

      »Nein, tausend Donner der Hölle!« brüllte Karl, seine Büchse in das Zimmer werfend, »nein, der Hartnäckige will nicht.«

      Catharina antwortete nicht. Sie wandte langsam ihren Blick nach der Seite des Zimmers, wo Heinrich so unbeweglich stand, wie eine von den Figuren der Tapete, an die er sich lehnte. Dann richtete sie auf Karl ein Auge, das sagen wollte:

      »Nun, warum lebt er?«

      »Er lebt… er lebt …« murmelte Karl IX., der diesen Blick vollkommen begriff und, wie man sieht, ohne Zögern beantwortete, »er lebt … weil er … mein Verwandter ist.«

      Catharina lächelte.

      Heinrich sah dieses Lächeln und erkannte, daß es hauptsächlich Catharina war, die er zu bekämpfen hatte.

      »Madame,« sagte er zu ihr, »ich sehe wohl, Alles kommt von Euch her, und nichts von meinem Schwager Karl. Ihr hattet den Gedanken, mich in diese Falle zu locken, Ihr gedachtet aus Eurer Tochter die Lockspeise zu machen, die uns Alle verderben sollte, Ihr trenntet mich von meiner Gattin, damit sie nicht die Unannehmlichkeit hätte, mich unter ihren Augen tödten zu sehen.«

      »Ja, aber das wird nicht geschehen!« rief eine andere keuchende, leidenschaftliche Stimme, welche, von Heinrich sogleich erkannt, Karl IX. vor Erstaunen und Catharina vor Wuth beben machte.

      »Margarethe!« rief Heinrich.

      »Margot!« sagte Karl IX.

      »Meine Tochter!« murmelte Catharina.

      »Mein Herr,« sprach Margarethe zu Heinrich, »Eure letzten Worte klagten mich an, und Ihr hattet zugleich Recht und Unrecht; Recht, denn in der That, ich bin das Werkzeug, dessen man sich bediente, um Euch Alle in das Verderben zu stürzen; Unrecht, denn ich wußte nicht, daß Ihr Eurem Untergange entgegengingt. Ich selbst, mein Herr, so wie Ihr mich seht, verdanke das Leben dem Zufall, vielleicht der Vergessenheit meiner Mutter; aber sobald ich Euree Gefahr inne wurde, erinnerte ich mich meiner Pflicht. Die Pflicht einer Frau aber ist: das Schicksal ihres Gatten zu theilen. Verbannt man Euch, mein Herr, so folge ich Euch in die Verbannung; kerkert man Euch ein, so mache ich mich zur Gefangenen; tödtet man Euch, so sterbe ich.«

      Und sie reichte ihrem Gemahl eine Hand, welche Heinrich, wenn nicht mit Liebe, doch wenigstens mit Dankbarkeit ergriff.

      »Oh! meine arme Margot,« sprach Karl IX., »Du würdest viel besser daran thun, ihm zu sagen er sollte Katholik werden.«

      »Sire,« antwortete Margarethe mit der ihr so eigenen natürlichen Würde, »Sire, glaubt mir, verlangt Euch selbst zu Liebe keine Feigheit von einem Prinzen Eures Hauses.«

      Catharina schleuderte einen bezeichnenden Blick auf Karl.

      »Mein Bruder,« rief Margarethe, welche eben so gut als Karl IX. die furchtbare Pantomime von Catharina begriff, »mein Bruder, bedenkt, Ihr habt meinen Gatten aus ihm gemacht.«

      Zwischen den gebieterischen Blick von Catharina und den flehenden von Margarethe, wie zwischen zwei entgegengesetzte Principe, gestellt, blieb Karl IX. einen Augenblick unentschieden; endlich aber trug Oromas8 den Sieg davon.

      »In der That, Madame,« sagte er, sich an das Ohr von Catharina neigend, »Margot hat Recht, und Henriot ist mein Schwager.«

      »Ja,« antwortete Catharina, sich ebenfalls dem Ohre ihres Sohnes nähernd, »aber wenn er es nicht wäre!«

       XI.

      Der Weißdorn des Cimetière des Innocens

      In ihre Wohnung zurückgekehrt, suchte Margarethe vergebens das Wort zu errathen, das Catharina von Medicis ganz leise zu Karl IX. gesagt und das den furchtbaren Rath über Leben und Tod, der in diesem Augenblick gehalten wurde, kurz abgebrochen hatte.

      Ein Theil des Morgens wurde von ihr dazu angewendet, La Mole zu pflegen, ein anderer, um die Lösung des Räthsels zu suchen, das ihr Geist zu begreifen sich weigerte.

      Der König von Navarra wurde im Louvre gefangen gehalten. Man verfolgte die Hugenotten mehr als je; auf die furchtbare Nacht erschien ein Tag noch abscheulicheren Gemetzels. Es war nicht mehr die Sturmglocke, welche von den Thürmen ertönte, es warenTe Deum, und die freudigen Metallklänge, welche mitten unter Mord und Brand ertönten, erschienen vielleicht noch trauriger, als es das Todtengeläute in der Dunkelheit der vorhergehenden Nacht gewesen war. Und das war noch nicht Alles; es hatte sich etwas Seltsames ereignet: ein Weißdorn der im Frühjahre geblüht und wie gewöhnlich im Monat Juni seinen wohlriechenden Schmuck verloren hatte, trieb während der Nacht wieder Blüthen, und die Katholiken. die in diesem Ereigniß ein Wunder sahen und durch die Verbreitung dieses Wunders Gott zu ihrem Schuldgenossen machten, zogen in Procession, Kreuz und Banner voraus, nach dem Cimetière des Innocens9 wo dieser Weißdorn blühte.

      Diese scheinbare Beipflichtung des Himmels zu der Schlächterei verdoppelte den Eifer der Mörder. Und während die Stadt in jeder Straße, in jedem Gäßchen, auf jedem Platze eine Scene der Verwüstung zu bieten fortfuhr, hatte der Louvre bereits als gemeinschaftliches Grab für alle Protestanten gedient, welche sich im Augenblicke des Signals darin eingeschlossen fanden. Der König von Navarra, der Prinz von Condé und La Mole allein waren am Leben geblieben.

      Ueber La Mole beruhigt, dessen Wunden, wie sie am Tage vorher gesagt, gefährlich, aber nicht tödtlich waren, beschäftigte sich Margarethe nur noch mit Einem, damit, ihrem Gemahl, welcher fortwährend bedroht war, das Leben zu retten. Ohne Zweifel war das erste Gefühl, das sich der Gattin bemächtigt hatte, ein Gefühl redlichen Mitleids, für einen Mann, dem

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<p>8</p>

Das gute Grundwesen oder der Gott des Guten in der Religion Zoroasters, dem bösen Grundwesen, Ariman, gegenübergesetzt.

<p>9</p>

Kirchhof der unschuldigen Kinder.