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auf der Schulter, der Kleinere eine Brechstange in der Hand.

      Sie pochten an die Wand und begannen an dem Orte, wo sie ihnen weniger dick schien, zu arbeiten.

      »Und was soll ich jetzt tun, Monseigneur?« fragte die Oberin.

      »Geht, und laßt in Eurem eigenen Zimmer Feuer machen,« gebot der Kardinal, »und bereitet ein Abendessen.«

      Die Oberin ging. Der Kardinal konnte ihr mit den Augen folgen, denn sie nahm die brennende Wachskerze mit sich. Er sah sie ins Innere des Klosters eintreten; wahrscheinlich hatte sie nicht einmal dm Gedanken, gegen das Ereignis anzukämpfen, das sich da draußen vollzog. Sie wusste zu gut, dass sie bei der Lage, in der sie sich befand, trotzdem die Macht des Kardinals noch bei weitem nicht ihre höchste Stufe erreicht hatte, von Niemandem, als von ihm Gnade erwarten durfte, denn seine kirchliche Gewalt war zu jener Zeit noch bedeutend größer als seine weltliche. Kraft dieser beiden Gewalten hing das Kloster gänzlich von ihm ab: als Correctionshaus von seiner weltlichen, als Nonnenkloster von seiner geistlichen Macht.

      Als die Gefangene den Widerhall der Axtschläge auf dem Steine und das Knirschen der Brechstange hörte, da erst glaubte sie, was ihr der Kardinal gesagt hatte,

      »Es ist also wahr! Es ist wahr!« rief sie. »O, wer seid Ihr, damit ich Euch segne, aus dieser und auf jener Welt?«

      Aber als sie hörte, dass schon die innersten Steine berührt wurden, als ihre Augen, gewöhnt an die Finsternis, wie die Augen der Nachtraubtiere, bemerkten, wie sich nicht etwa das Licht, sondern die durchscheinendere Finsternis, die draußen herrschte, in ihr Grab hineinstahl, und zwar durch eine andere Öffnung, als durch das vergitterte Loch, welches ihr seit neun Jahren das einzige Licht für ihre Augen, die einzige Luft für ihre Lungen gegeben hatte – da ließ sie die Hand des Kardinals los, stürzte sich auf die Öffnung, und ergriff auf die Gefahr hin, dass ihre Hände von den Axtschlägen zerschmettert werden könnten, die wankenden, Gesteine, schüttelte sie mit aller Macht und strebte sie loszureißen, um auch ihrerseits das Werk der Befreiung zu beschleunigen.

      Und bevor noch das Loch groß genug war, um sie hindurchzulassen, steckte sie den Kopf durch und dann die Schultern, unbekümmert darum, dass sie sie zerfleischte, und rief ungeduldig:

      »Helft mir, so helft mir doch! Zieht mich doch heraus aus meinem Grabe, meine gesegneten Befreier, meine geliebten Brüder!«

      Und als sie sich mit größter Anstrengung schon zur Hälfte herausgewunden hatte, ergriffen die Männer diesen Körper, der an Kälte und Farbe dem Steine glich, aus dem er hervorzuwachsen schien, und zogen ihn an sich.

      Die erste Bewegung des armen Geschöpfes, als es draußen war, als es zum ersten Male wieder mit vollen. Zügen die reine Lust geatmet, als es mit einem schmerzlichen Freudenschrei die Arme zu dem Sternenhimmel emporgestreckt hatte, war, dass sie auf die Knie sank und Gott dankte, und dann, als sie zwei Schritte vor sich ihren Retter sah, streckte sie ihm die Arme entgegen und stürzte mit einem Schrei der Dankbarkeit zu ihm hin.

      Aber er, ob aus Mitleid für diese halbnackte Frau oder aus Schamgefühl, hatte bereits seine Mönchskutte abgenommen, welche, um schneller an- und ausgezogen zu werden, sich vorne von oben bis unten öffnete, und breitete sie nun über ihre Schultern; wahrend er in den Kleidern blieb, die er darunter getragen hatte, d. h. im vollständigen Cavaliercostüme von schwarzem Samt mit veilchenblauen Bändern.

      »Bedeckt Euch mit diesem Gewand, meine Schwester,« sagte er, »so lange, bis die Euch versprochenen Kleider zur Stelle sind.«

      Dann als sie vor Gemütsbewegung oder Erschöpfung schwankte, gab er den Trägern eine Börse, die ungefähr doppelt so viel enthalten konnte, als er ihnen versprochen, und sagte:

      »Ihr guten Leute, nehmt diese arme Frau, die vor Schwäche nicht gehen kann, in Eure Arme und bringt sie in das Zimmer der Oberin.«

      Dann ging er in dieses Zimmer hinauf, in welchem nach dem Befehle, den er der Oberin gegeben, ein großes Feuer im Kamin flackerte und zwei Kerzen auf einem Tische brannten, und sprach zur Oberin:

      »Jetzt rasch Papier, Feder, Tinte und dann verlasst uns.«

      Die Oberin gehorchte.

      Der Kardinal blieb allein und stützte sich auf den Tisch, indem er murmelte:

      »Diesmal glaube ich, dass der Geist des Herrn mit mir ist.«

      In diesem Momente brachte der größere der beiden Männer auf seinen Armen, wie ein Kind, die Gefangene, die Völlig bewusstlos geworden war, und legte sie, in das Mönchsgewand gehüllt, in einiger Entfernung vom Feuer auf der Stelle nieder, die ihm der Kardinal mit dem Finger bezeichnete.

      Dann grüßte er ehrfurchtsvoll, als wenn er, die Größe des Ranges wohl kennend, die Größe der vollbrachten Tat noch hinzurechnete, und ging hinaus.

      VII.

      Die Erzählung

      Der Kardinal blieb also mit diesem armen, leblosen Geschöpfe allein, waches man ohne das nervöse Zucken, das von Zeit zu Zeit den Mantel von grobem Tuche, in den es eingeschlagen war, bewegte, hätte für todt halten können.

      Aber nach und nach machte sich der wohltätige Einfluss des Feuers geltend; die krampfhaften Zuckungen hörten auf; zwei fleischlose Hände wie die eines Skelettes, wenn die übermäßig langen Nägel nicht angezeigt hätten, dass sie einem Körper gehörten, der das Maß irdischer Leiden noch nicht erschöpft hat, kamen aus den Ärmellöchern hervor, indem sie sich instinktmäßig gegen das Feuer ausstreckten; dann richtete sich ein geisterbleicher Kopf mit tiefliegenden Augen, zurückgefallenen Lippen und fest geschlossenen Zähnen empor, wie der einer Schildkröte, die sich unter dem schützenden Schilde hervorwagt; dann kam der ganze Körper durch eine automatenartige Bewegung in eine sitzende Stellung und dumpf, wie aus der Brusthöhle eines Gespenstes, tönten die Worte aus dem Munde der Unglücklichen:

      »Feuer! Ach, wie gut doch das Feuer ist!«

      Und wie ein Kind, das die Gefahr der Flamme nicht kennt, näherte sie sich derselben instinktmäßig und ließ ihre erstarrten Glieder fast durch die Hitze versengen.

      »Gebt Acht, meine Schwester,« sagte der Kardinal, »Ihr werdet Euch verbrennen.«

      Die Coëtman erbebte und drehte sich plötzlich nach der Seite um, woher die Stimme kam; sie hatte nicht gesehen, dass sich noch Jemand außer ihr im Zimmer befand, oder vielmehr, sie hatte gar nichts gesehen, als dieses Feuer, welches sie anzog und ihr einen Schwindel verursachte.

      Sie blickte den Kardinal an, den sie in seinem Cavaliercostüm nicht erkannte, da sie ihn in der Mönchskutte gesehen hatte.

      »Wer seid Ihr?« fragte sie ihn; »ich kenne wohl Eure Stimme, aber Euch selbst kenne ich nicht.«

      »Ich bin Derjenige, der Euch bereits ein Kleid und Feuer gegeben hat, und der Euch nun auch Brot und die Freiheit geben will.«

      Sie machte eine Anstrengung, um ihre zerrütteten Gedanken zu sammeln und schien sich endlich zu erinnern.

      »O ja,« sagte sie, sich gegen den Kardinal wendend, »Ihr habt mir dies Alles versprochen, aber« – sie blickte um sich und senkte die Stimme – »aber werdet Ihr auch Alles halten können, was Ihr verspracht? Ich habe fürchterliche und mächtige Feinde.«

      »Beruhigt Euch; Ihr habt einen Beschützer, der weit fürchterlicher und mächtiger ist, als sie.«

      »Welchen?«

      »Gott!«

      Die Coëtman senkte das fahle Haupt.

      »Er hat mich schon seit lange vergessen!« flüsterte sie.

      »Ja! Aber wenn er sich einmal erinnert, dann vergisst er nicht mehr.«

      »Ich habe großen Hunger!« sagte sie nach einer Pause.

      In diesem Augenblicke und als ob sie einen Befehl ausgesprochen hätte, der nun befolgt wurde, öffnete sich die Tür und zwei Nonnen traten ein, welche Brot, Wein, eine Schale Suppe und ein kaltes Huhn brachten.

      Bei ihrem Anblicke stieß das arme Geschöpf einen Schreckensruf aus.

      »O, meine Peiniger, meine Henker!«

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